Selbstlähmung

Manchmal frage ich mich, wie viel Ressourcen bei Polizei und Staatsanwaltschaft freigesetzt würden, ließen manche Beamte einfach nur mal die unsinnigsten Strafanzeigen sein. Hier ein Beispiel:

Polizisten wollten nachts die Wohnung meiner Mandantin betreten. Unter Umständen, die auch jemandem, der nicht Rechtswissenschaften studiert hat, dubios vorkommen mussten. Jedenfalls weigerte sich meine Mandantin, die Tür zu öffnen. Sie rief nur, sie lasse niemanden rein, jedenfalls nicht ohne Durchsuchungsbeschluss.

Die Beamten wummerten ein paar Mal gegen die Tür, hatten dann aber nicht den Schneid, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Wahrscheinlich gehörte der eine oder andere von der Truppe zu denjenigen, die zwar keine Rechtswissenschaften studiert haben, aber trotzdem zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können.

Was dann aber einen der Beamten nicht davon abhielt, Strafanzeige zu erstatten. Wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“. Der Tatbestand ist § 113 Strafgesetzbuch und durchaus würdig, einfach mal gelesen zu werden:

Wer einem Beamten Amtsträger … bei der Vornahme einer … Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das Nichtöffnen einer Haustür als Gewalt? Die Weigerung, die Tür zu öffnen, als Drohung mit Gewalt? Nun ja, auch ohne Jurastudium, nur mit ein wenig Textverständnis, dürfte die Antwort eindeutig ausfallen.

Interessant wird es überdies, wenn man auch noch folgenden Teil der Vorschrift liest:

Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist.

Ich werde dem Staatsanwalt gerne, wenn auch nur äußerst vorsorglich für den Fall, dass er, immerhin ein studierter Jurist und damit zu jeder Textvergewaltigung fähig, Passsivität als Gewalt oder Drohung mit Gewalt auszulegen bereit ist, darlegen, warum sich die Beamten unrechtmäßig verhielten.

Bis dahin ärgere ich mich aber darüber, dass die Strafanzeige geschrieben wurde und zu einem dieser endlosen Verwaltungsvorgänge führte, bei denen nichts rauskommt – bis auf die Selbstlähmung der Ermittlungsbehörden.

…trete ich aus der SPD aus

Torben Friedrich ist 22 Jahre alt und SPD-Mitglied. Noch. Denn für den Fall, dass die SPD heute dem Internetzensurgesetz zustimmt, wird er die Partei verlassen. Seine Gründe schildert er in einem offenen Brief:

Liebe Genossinnen und Genossen,

mein Name ist Torben Friedrich, ich bin 22 Jahre alt und seit fast vier Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Vier Jahre, die für einen 22-jährigen bedeuten, daß er bereits als Jugendlicher politisch aktiv war und mit 18 auch politische Verantwortung übernehmen wollte. Ich war seit jeher der festen Überzeugung, daß in einer gerechten und demokratischen Gesellschaft die Werte Solidarität, Gleichheit und Freiheit unerläßliche Bestandteile sind, die nie ihre Gültigkeit in einer Gemeinschaft verlieren können, die auf Vernunft und Gemeinwohl aufgebaut ist.

Mir war auch stets bewußt, daß diese Werte keine Selbstverständlichkeit sind, sondern daß in einer sich stetig weiterentwickelnden Gesellschaft um sie ständig gekämpft werden muß. Meine Überzeugung war es, daß die SPD diesen Kampf am energischsten führt und ich wollte sie in ihrem Bestreben tatkräftig unterstützen.

Heute, am 17.06.2009, wird mir bewußt, daß ich mich möglicherweise getäuscht habe.

Ich vertrete eine Generation, die vollständig mit digitalen Medien aufgewachsen ist, mehr noch, eine Generation, die den Wechsel von analogen zu digitalen Medien nicht bewußt erlebt hat. Das bedeutet, daß ich bereits seit der Grundschulzeit mit Eltern, Lehrern und Freunden auf digitalem Wege kommuniziert habe, entsprechende Lehrpläne waren bereits um Jahre veraltet.

Mit meinem Eintritt in der SPD war mir bewußt, daß bereits unter rot-grüner Regierung eine Politik betrieben wurde, die nicht den Ansprüchen einer digitalen Gesellschaft genügte. Dies wollte ich ändern. In den vergangenen vier Jahren der großen Koalition konnte ich jedoch noch weniger Hinwendung zu unserer Generation und ihrer speziellen Belange feststellen, weder in der SPD, noch in anderen etablierten Parteien.

Dennoch habe ich mich seit Beginn des Jahres in besonderem Maße politisch engagiert und stellte mich sogar für die Bundestagswahl auf der Landesliste Niedersachsen als Kandidat zur Verfügung. Ich sah seit Jahresbeginn, wie die große Koalition die gesamte Lebensweise meiner Generation in Frage stellte und massiv bekämpfte. Für meine Generation völlig selbstverständliche Freizeitaktivitäten, von einzelnen Computerspielgenres bis hin zu sportlicher Betätigung wie Paintball sollten verboten werden. Mitglieder von Schützenvereinen hingegen, die zu Hause mit Kriegswaffen hantieren, blieben unbehelligt und durch die große Koalition protegiert.

Dies sind jedoch geradezu vernachlässigbare Auswirkungen eines seit langem bestehenden Generationenkonfliktes, der seit jeher die Probleme gesellschaftlichen Wandels widerspiegelt. Was am morgigen Donnerstag von der großen Koalition und somit auch von meiner Partei beschlossen werden soll, hat nichts mehr mit einem erklärbaren Unverständnis zwischen zwei unter verschiedenen Verhältnissen aufgewachsenen Generationen zu tun, sondern verletzt das Rechtsempfinden von vielen Bürgern jeglichen Alters.

Morgen wird der Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Abstimmung bringen, der zwar zur Bekämpfung eines brisanten Problems – Kinderpornographie im Internet – dienen soll, dabei jedoch jegliche Grundsätze der rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeit verletzt.

Das Gesetz sieht vor, Kinderpornographie im Internet nicht zu entfernen, sondern nur zu verdecken, um es Konsumenten dieses menschenverachtenden Materials zu erschweren, dieses zu betrachten. Dieses Gesetz verlangt perfiderweise, das zu tun, was den Mißbrauch der Kinder zum zweiten Male noch schrecklicher macht: Wegzusehen.

Wegsehen bedeutet in unserer Gesellschaft nichts anderes, als das Geschehene zu tolerieren. Ich jedoch als 22jähriger Bundesbürger sehe bei jeder gesperrten Seite, die mit einem Stoppschild verdeckt wird, das Versagen unseres Rechtsstaates, da er nicht in der Lage war, dieses Verbrechen effektiv zu bekämpfen, sondern auf ein Mittel zur Zensur zurückgreifen mußte.

Dies birgt die größte Gefahr im morgen zu verabschiedenden Gesetz: Die Erklärung unseres Staates, gegen Rechtsverletzungen machtlos zu sein.

Wo wird die Grenze gezogen?

Noch endet die Sperre bei Kinderpornographie. Ein abscheuliches Verbrechen. Doch wann wird der Staat auch vor weniger schweren Rechtsverletzungen kapitulieren und keinen anderen Weg sehen, als lediglich die Darstellung wenig wirksam zu erschweren?

Hier wird eine Infrastruktur geschaffen, die zukünftigen Regierungen ermöglicht, Zensur zu betreiben. Welche Inhalte werden dann möglicherweise als unerwünscht betrachtet werden? Tierquälerei? Gewalt? Volksverhetzung? Extremismus? Politische Opposition? Kritik?

Wo wird die Grenze gezogen?

Die Grenze muß meines Erachtens hier und heute gezogen werden, ohne ein solches Gesetz. Wir dürfen den Kampf gegen solch schwerwiegende Verbrechen wie den Mißbrauch von Kindern nicht aufgeben. Wir müssen effektiv gegen Hersteller solchen Materials vorgehen, nicht gegen das Medium, auf dem es verbreitet wird. Mißbrauch geschieht in der Nachbarschaft, nicht im Internet.

Wenn die SPD als Teil der großen Koalition sich durch Zustimmung zu diesem Gesetzesentwurf eingesteht, daß eine effektive Bekämpfung durch unsere gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten nicht erreicht werden kann, sehe ich keine andere Möglichkeit, als meine politische Aktivität anderweitig zu konzentrieren.

Wenn Zensur auf dem Rücken mißbrauchter Kinder durchgesetzt werden soll, wenn das Medium, das meinen Lebensalltag bestimmt und mitbestimmen wird, staatlicher Willkür ausgesetzt wird, wenn die SPD sich von meiner und von zukünftigen Generationen vollständig verabschiedet, bin ich nicht länger bereit, in dieser Partei mitzuwirken.

Die Werte der Sozialdemokratie trage ich weiterhin mit mir und werde diese auch zukünftig vertreten.

Wenn jedoch am morgigen Tage die SPD dieses Gesetz ermöglicht, werde ich der SPD den Rücken kehren.

Tritt das Gesetz in Kraft, trete ich aus der SPD aus und verabschiede mich von einer meiner Generation fremden Partei.

Hochachtungsvoll
Torben Friedrich

Keine automatische DNA-Probe

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in
zwei Fällen die Abnahme eines „genetischen Fingerabdrucks“ für
verfassungswidrig erklärt.

Die zwei Beschwerdeführer waren jeweils zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Die Amtsgerichte hatten die Entnahme von Speichel- oder Blutproben und die Speicherung des „genetischen Fingerabdrucks“ auf der Grundlage von § 81g Abs. 1 StPO angeordnet. Die Rechtsmittel der Beschwerdeführer blieben erfolglos.

Die Beschlüsse verletzen nach Auffasung des Verfassungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Die Begründungen der Beschlüsse lassen jeweils nicht erkennen, dass die erforderliche umfangreiche und gründliche Prüfung des Einzelfalls durchgeführt worden ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Speicherung des „genetischen Fingerabdrucks“ nur bei angemessener Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angeordnet werden darf. Dazu ist das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen jeweils einzelfallbezogen darzulegen.

In die vorzunehmende Würdigung ist insbesondere eine Strafaussetzung zur Bewährung einzubeziehen, die nicht automatisch die negative Prognose ausschließt. Will das Gericht von der im Rahmen der Bewährungsentscheidung getroffenen positiven Prognose abweichen, muss dies jedoch im Einzelnen begründet werden.

In einem Fall beanstandet das Verfassungsgericht außerdem, dass die Prognose, der Beschwerdeführer werde auch künftig Straftaten begehen, mit früheren Verurteilungen begründet worden war, die nach den einschlägigen Bestimmungen des Bundeszentralregistergesetzes zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht mehr verwertet werden durften.

Beschluss vom 22. Mai 2009

Früherer Beitrag im law blog

Vorbildlich belehrt

Aus dem Posteingang eine Anekdote zur Polizeiarbeit:

Meine Mutter fuhr vergangenen Winter mit dem Auto nachts über eine kurvige Landstraße und streifte dabei einen am Straßenrand befindlichen schwarz-weißen Plastik-Pöller (die üblichen Fahrbahnbegrenzungen).

Kein Schaden am Auto und Pöller erkennbar. Dennoch rief meine Mutter bei der Polizei an, um den potentiell beschädigten Pöller zu melden und die notwendingen Personen- und Kontodaten durchzugeben; das ganze über das Auto-Telefon.

Nach Erklärung des Vorfalls aber noch vor Nennung der Personendaten fiel ihr die Dame am anderen Ende ins Wort und wies meine Mutter darauf hin, dass sie sich der Fahrerflucht schuldig gemacht hätte, da sie die Fahrt nach dem „Unfall“ fortgesetzt hat und nun erst von unterwegs aus die Polizei informiert.

Meine Mutter nahm dies als freundlichen Hinweis auf, das Gespräch ohne Nennung weiterer Daten zu beenden (die Telefonnummer war ohnehin unterdrückt und das Handy auf den Arbeitgeber meines Vaters zugelassen). Da ist man mal ehrlich (bei solch einem „Unfall“ wohl nicht die Regel) und meldet sich freiwillig und bekommt dafür auch noch Undank entgegengebracht.

Erwartungsgemäß ist bis heute nichts passiert.

ZugErschwG

Zum Glück war mein Tag heute so arbeitsreich, dass ich mir keine großen Gedanken zum neuesten Verfassungsbruch der Großen Koalition machen konnte. Vermutlich müsste ich mir sonst langsam einen Therapeuten suchen.

Der große Fortschritt ist die Schaffung einer Struktur zur Internetzensur. Heute blocken wir Kinderpornos, morgen Urheberrechtsverletzungen, übermorgen extremes Gedankengut. Später alles, was anders und unbequem ist.

Ja, das sind genau jene Instrumente, die man in Teheran jetzt auch gerne funktionsfähig bereitstehen hätte…

Um mich jetzt nicht doch übermäßig aufzuregen, verweise ich auf den treffenden Kommentar meines Kollegen Thomas Stadler. Dieser merkt unter anderem an:

Und auch wenn manche es als Formalität betrachten – die es nicht ist – aber dem Bund fehlt schlicht die Gesetzgebungskompetenz, worauf in der Sachverständigenanhörung auch sehr deutlich hingewiesen wurde.

Es wird der Treppenwitz schlechthin werden, wenn das Bundesverfassungsgericht den verantwortlichen Politikern ihr „Zugangserschwerungsgesetz“ (ZugErschwG) schon aus formalen Gründen um die Ohren schlägt.

Bis dahin wird sie allerdings längst bereit stehen und vielleicht schon ihre ersten Bewährungsproben bestanden haben, die Internetzensur-Infrastruktur.

Die nie verfütterte Leiche

Ein offensichtliches Fehlurteil beschäftigt die bayerische Justiz: Angehörige eines Landwirts waren zu hohen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie den Mann getötet, zerstückelt und an die Hofhunde verfüttert haben sollen. Nun wurde die Leiche des mutmaßlichen Opfers aber aus der Donau geborgen. Der Mann saß eingeklemmt hinter dem Steuer seines Autos. Sein Körper war unversehrt.

Das Gericht hatte die Urteile auf Geständnisse der Angehörigen gestützt. Allerdings hatten diese ihre Aussagen schon zu Prozessbeginn widerrufen. Kriminalistische Anhaltspunkte für die Tat sollen sich nicht gefunden haben.

Die Anwälte der Verurteilten vermuten, dass die Polizei die Beschuldigten zu Falschaussagen verleitet hat. Sie wollen die Wiederaufnahme des Verfahrens durchsetzen.

Bericht auf Spiegel online.

Arme Kinder, arme Künstler

Es bedurfte zweier Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, um Kinderpornografie und Urheberrechtsverletzungen in einem Satz zu nennen – mit einer semantischen Steigerung in Richtung Urheberrecht:

Die SPD wäre dadurch Gefahr gelaufen, Straftaten im Internet Vorschub zu leisten, von der Vergewaltigung und Erniedrigung kleiner Kinder bis hin zu Urheberrechtsverletzungen in breitestem Ausmaß gegenüber Künstlern und Kreativen.

Wie aber, so fragt man sich, kommt es dann zum letzten Satz:

Dabei machen wir – gerade als Medienpolitiker – ganz klar: Zugangssperren im Internet müssen und werden einzig und allein auf kinderpornographische Seiten beschränkt bleiben.

Will die CDU/CSU, mal ihre eigene Sicht der Dinge zu Grunde gelegt, wirklich Straftaten im Internet Vorschub leisten, indem sie die Zensur auf Kinderpornografie beschränkt? Will sie wirklich mit ansehen, wie Urheberrechte „in breitestem Ausmaß“ verletzt werden – obwohl man die Angebote doch ebenso sperren kann wie Kinderpornos?

Logisch ist das nicht. Es sei denn, die Schlussfloskel ist nur ein Lippenbekenntnis und wir werden angelogen. Das wäre zwar kein Verbrechen, aber abscheulich.

Nachtrag: Die Große Koalition hat sich auf das Zensurgesetz geeinigt

Hurra, ich darf auch mal klagen

Ich musste 44 Jahre alt werden, um mal im eigenen Namen zu klagen. Die Postbank hat die Ehre, mich so weit herausgefordert zu haben.

Es geht um die SparCard. Mit diesem sinnvollen Produkt kann man zehnmal im Jahr kostenlos Geld abheben. Weltweit. An allen VISA-PLUS-Geldautomaten. In den Bedingungen der Postbank heißt es dazu wörtlich:

Im Ausland sind an den weltweit über 1.000.000 VISA-PLUS Geldautomaten zehn Abhebungen pro Jahr und Konto entgeltfrei. Ab der elften Verfügung sind Abhebungen kostenpflichtig in Höhe der im jeweils aktuellen Preis- und Leitungsverzeichnis hinterlegten Kondition.

Von dem Angebot habe ich im April Gebrauch gemacht. Doch bei drei Abhebungen – es handelte sich um die ersten im Jahr 2009 – an VISA-PLUS-Automaten in Thailand tauchten dann Gebühren auf. Jeweils 150 Baht, das sind rund drei Euro. Obwohl ich jeweils nur 20.000 Baht abgehoben habe, wurden mir 20.150 Baht in Rechnung gestellt. Auf den Quittungen, welche die Bankautomaten in Thailand ausspucken, sind die 150 Baht ausdrücklich als „Fee“ (Gebühr) ausgewiesen.

Auf meine freundliche Bitte, die 450 Baht zu erstatten, reagierte die Postbank nur mit einer lapidaren Antwort:

Für Ihre Abhebungen haben wir kein Entgelt in Rechnung gestellt. Der Betrag wurde offensichtlich von der ausländischen Bank für die Nutzung des Automaten einbehalten. Die Berechnung von Entgelten steht im Ermessen der jeweiligen Bank. Die Postbank hat hierauf keinen Einfluss.

Wäre mir neu, dass die ausländische Bank etwas „einbehalten“ hat. Die ist gar nicht meine Vertragspartnerin, sondern die Postbank. Und nur die Postbank behält etwas ein, indem sie es von meinem SparCard-Konto abbucht.

Außerdem frage ich mich, ob die bei der Postbank mal ihre eigene Werbeaussage gelesen haben. Darin steht, die ersten zehn Abhebungen an VISA-PLUS-Automaten seien „entgeltfrei“. Das ist an Eindeutigkeit kaum zu überbieten. Jedenfalls steht da nicht, dass die Abhebungen entgeltfrei sind mit Ausnahme von Gebühren, welche die Betreiber der VISA-PLUS-Geldautomaten im Ausland berechnen.

Es geht mir eigentlich nicht um die 9,72 €. Sondern darum, dass ich mich nicht für dumm verkaufen lasse.

Ich gebe ab ans Amtsgericht Hamburg-St. Georg

Handschellen

Vorhin von einem Mandanten gehört, dass ihm die Cops Handschellen angelegt haben, als sie ihn zu einer Blutprobe auf die Wache brachten. Der Mandant soll angesäuselt Auto gefahren sein.

Warum Handschellen? Der Mandant, eine bürgerliche Erscheinung, versichert, er habe sich weder gewehrt noch rumgemotzt. Selbst hatte er sich wegen der Fesseln noch nicht mal groß Gedanken gemacht, sondern diese für „selbstverständlich“ gehalten – bis zu meiner Rückfrage.

Da haben wohl beide Seiten zu viel amerikanisches Fernsehen geguckt.

Unterstützung, aber auch „Rote Karte“

Lieber Denkzettel als Brandmal. Erziehung statt Strafe. Aufklärung vor Haft. Diese Begriffe wabern seit wenigstens 30 Jahren durch Debatten immer dann, wenn es um die Jugendkriminalität geht. In ihrem „Kampf dagegen“ wollen zwei Ministerien des Landes jetzt den Goldenen Weg gefunden haben.

Am Freitag sind in Köln erstmals Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe gemeinsam unter ein Dach gezogen – ins „Haus des Jugendrechts“. In dieser neuen Einrichtung, das hob Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) hervor, sollen „besonders intensive Anstrengungen“ unternommen werden, um den Jugendlichen in seiner persönlichen und sozialen Lage konkret zu unterstützen. Ihn aber zugleich auch zu kontrollieren. Und ihm, falls erforderlich (Motto: „Rote Karte“) sehr schnell zeigen, wo es lang geht.

Die Ministerin meint, erst dieses konzentrierte und auf aktuellem Stand gehaltene Wissen versetze einen Jugendrichter in die Lage, dem jungen Beschuldigten schnell und spürbar eine passende Antwort auf seine Straftaten zu geben. Das sei sowohl aus erzieherischen Gründen „als auch im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung geboten“.

Innenminister Ingo Wolf (FDP) spricht für die Polizei von einem Prinzip der zusammen geschobenen Schreibtische. Genau die stoßen dem Strafrechtsausschuss des Kölner Anwaltvereins sauer auf: Die vertrauliche Arbeit der Jugendgerichtshilfe sei ein „zu schützender Rahmen“. Der dürfe nicht durch nun geplanten Informationsaustausch mit der Polizei gefährdet werden. Die Anwälte lehnen das „Haus des Jugendrechts“ ab und fragen mahnend: Wo bleibt denn das Jugendministerium dabei? (pbd)

Polizisten fordern Achtung und Respekt

Ob bei Demonstationen, Fußballspielen, Volksfesten oder ganz normalen Familienstreitigkeiten – Polizeibeamte werden immer wieder „hemmungslos“ angegriffen. Das hat gestern die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) behauptet, sie nennt eine Zahl: In Nordrhein-Westfalen stieg 2008 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl von Widerstandsleistungen gegen Vollstreckungsbamte um 1.094 auf 6.414 Fälle (plus 20,6 Prozent).

Auch deswegen müsse die Strafandrohung bei Widerstand von derzeit zwei Jahren auf fünf Jahre angehoben werden, „damit die Gerichte auch härter urteilen können“. Die momentane Androhung sei vergleichbar mit dem Tatbestand der Fischwilderei „und damit ein fatales Signal eines schwachen Staates.“

Im täglichen Einsatz, so die DPolG, erleben Polizeibeamte täglich tausendfach, wie Achtung und Respekt vor dem Staat und seinen Organen dramatisch abnehmen. (pbd)

Stoppseiten: Was passiert mit E-Mails?

Von Mattias Schlenker

DNS-basierte Internetsperren kinderpornografischer Inhalte galten bislang als der einzig praktikable Weg, ohne Verfassungsänderung schnell ein symbolträchtiges Sperrgesetz auf den Weg zu bringen: Befürworter des Gesetzes argumentieren, dass eine manipulierte Nameserver-Antwort noch in die Phase vor dem Kommunikationsaufbau fällt und deshalb keinen grundrechtsrelevanten Eingriff in die Kommunikation selbst darstellt.

Die Funktionsweise der im „Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“ geplanten Sperren ist am ehesten mit einer manipulierten Telefonauskunft zu vergleichen: Ruft ein Surfer eine Webseite auf, wird zunächst bei einem Nameserver die einem Hostnamen zugehörige IP-Adresse angefragt. Bei den hierzulande geplanten und in einigen skandinavischen Ländern umgesetzten Sperren liefert der – auf staatliches Geheiß – manipulierte Nameserver des Internetproviders einfach die IP-Adresse des „Stoppseitenservers“, der entweder beim BKA oder beim Provider stehen wird.

Bislang konzentriert sich die Debatte lediglich auf die Sperrung von Webseiten, fast jeder Diskussionsbeitrag und jedes Rechtsgutachten geht davon aus, dass der Anfrage an einen Nameserver zwangsläufig ein HTTP-Aufruf, also die Abfrage einer Webseite folgt.

Doch was geschieht, wenn die Anfrage an den Nameserver vorgenommen wird, um in der Folge eine E-Mail zustellen zu können?

Bei E-Mail folgt ein zweistufiges Auskunftsverfahren: Zunächst wird der Nameserver angefragt, welcher Host denn als Mail-Exchange zuständig ist. Bei „großen“ Domains ist das oft ein separater Server („mail.domain.xyz“, „mx.domain.xyz“ o.ä.; feste Regeln für den Namen existieren nicht), bei „kleinen“ Domains häufig „www.domain.xyz“.

In der zweiten Stufe – der Anfrage nach der IP-Adresse des so bekannt gewordenen Mail-Servers – wird folglich auch bei der Mail-Zustellung mit der IP-Adresse des „Stoppseitenservers“ geantwortet: Es folgt der Zustellversuch nicht an den eigentlichen Nameserver, sondern an den „Stoppseitenserver“.

An dieser Stelle wird spannend, wie der „Stoppseitenserver“ mit den Zustellversuchen umgeht: Die sauberste Konfiguration wäre wohl, einfach gar keine E-Mails anzunehmen oder durch die DNS-Sperren verursachte Fehlzustellungen korrekt als unzustellbar abzuweisen. In diesem günstigsten Fall findet nur ein kurzer Dialog zwischen Sender- und Empfänger-Mailserver statt, in dem lediglich die Absenderadresse mitgeteilt wird: Der „Stoppseitenserver“ erfährt nichts vom Inhalt der Nachricht.

Denkbar wäre jedoch auch eine weit perfidere Konfiguration, bei der das Mailsystem des „Stoppseitenserver“ einfach alle Nachrichten an die Domain der Sperrliste als vermeintlich zustellbar annimmt, vielleicht weiterleitet, aber für die Analyse durch die Polizeibehörden speichert. So gewonnene Informationen dürften für die Strafverfolger weit interessanter sein als die Webserverlogs der „Stoppseite“, aus denen bekanntlich nicht hervorgeht, ob ein Aufruf absichtlich oder zufällig erfolgt (beispielsweise weil eine Spam-Mail eine Grafik auf einem auf der Liste verzeichneten Server einbindet).

Bereits der schwächere Fall der Abweisung einer Nachricht als unzustellbar greift in das Fernmeldegeheimnis ein, weil hier die „näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche“ bekannt werden. Eingriffe der Strafverfolgungsbehörden in Telekommunikationsvorgänge sind jedoch nur auf richterliche Anordnung zulässig.

Doch gerade auf die richterliche Anordnung wird – vorgeblich aus Zeitgründen – verzichtet, lediglich ein verwaltungsrechtliches Einspruchsverfahren im Nachhinein ist vorgesehen. Während der Gesetzentwurf im Detail die Sperrung auf Ebene der Auflösung in IP-Adressen fordert und sich auf Telemedienangebote konzentriert, trifft er keine Aussage darüber, was mit versehentlich „fehlgeleiteter“ E-Mail passieren soll.

Wird das Gesetz in seiner derzeit diskutierten Form Realität, dürften sich Strafverfolger und Gefahrenabwehrer bald über die neuen, einfachen Möglichkeiten der E-Mail-Überwachung per Sperrlisteneintrag freuen.

Mattias Schlenker ist Autor und EDV-Berater
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