Taktik und Fallstricke

Der Mandant, angeklagt eines kleinen Betrugs, hatte geschludert. Er verpasste ausgerechnet seinen Hauptverhandlungstermin. Das merkte er einige Tage später und saß dann schwupps bei mir, damit das Schlimmste abgewendet wird. Ein möglicher Vorführ- oder Haftbefehl nämlich, mit dem er sofort oder spätestens am Tag vor der Hauptverhandlung einkassiert wird.

Die Sache löste sich allerdings im Wohlgefallen auf. Nicht zuletzt, weil Richter und Staatsanwalt wohl selbst ahnten, dass jemand wegen so einer Bagatelle das Gericht nicht absichtlich sitzen lässt. Oder gar flüchtet. Im Hauptverhandlungstermin, den mein Mandant verpasste, wurde also ein Strafbefehl erlassen, den der Mandant heute erhielt. Wenn er gegen den Strafbefehl ( = Urteil nach Aktenlage) keinen Einspruch einlegt, steht dieser einem rechtskräftigen Richterspruch gleich; eine Verhandlung findet gar nicht mehr statt.

Zu allem Überfluss ist die Strafe auch noch so milde, dass der Mandant zuerst dachte, es wäre nur das Ordnungsgeld für sein Nichterscheinen. Ist es aber nicht, so dass er sich den Einspruch sparen kann. Zumal es wohl sehr schwierig würde, das Gericht von seiner nichtvorhandenen Unschuld zu überzeugen.

Bei mir bleibt nur das Gefühl zurück, dass die Strafe viel höher gewesen wäre, wenn der Mandant zum Verhandlungstermin erschienen wäre. Man könnte daraus glatt eine Taktik zimmern. Dafür müsste ich aber sicher wissen, dass der vergeblich wartende Richter nicht doch die Kneifzange rausholt und einen Vorführ- oder Haftbefehl erlässt.

Den Namen des Richters in diesem Fall habe ich mir jedenfalls gemerkt. Bei dem kann es ein anderer Mandant – selbstverständlich ohne meine Billigung – vielleicht ja mal probieren.