Nicht geboten

Wann besteht Anspruch auf einen Pflichtverteidiger? Unter anderem dann, „wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann“.

Bei meiner Mandantin hatte ich eigentlich wenig Zweifel, dass sie sich nicht selbst verteidigen kann. Sie hat bisher ein schwieriges Leben geführt, steht unter umfassender Betreuung. Sie ist, so ihr Arzt, geschäftsunfähig und nicht einmal in der Lage, ohne ständige Fürsorge ihren Alltag zu gestalten. „Frau J.“, heißt es überdies in einem Gutachten für den Betreuungsrichter, „ist nicht in der Lage, sich von vernünftigen Motiven leiten zu lassen.“

Aber der Strafrichter, dem ich die Dokumente vorgelegt und die wesentlichen Umstände schriftlich erläutert habe, sieht keine Notwendigkeit für einen Pflichtverteidiger. Seinen Beschluss versieht er in diesem Punkt mit einem Textbaustein:

Auch aus sonstigen Gründen (§ 140 Abs. 2 StPO) erscheint die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht geboten.

Begründung? Kein einziges Wort.

Amen.

20 Jahre!

Briefkopf eines Kollegen:

20 Jahre Berufserfahrung Arbeits-, Verkehrs- & Strafrecht

Warte nur noch auf dem Hinweis „DLG-prämiert“.

Um griffige Formulierung bemüht

Vor einiger Zeit hatte ich auf eine beachtenswerte Pressemittelung des Oberlandesgerichts Köln hingewiesen. Deren Überschrift lautete:

07.07.2009 – 2. Strafsenat eröffnet Hauptverfahren gegen NS-Schergen Heinricht B.

Ein Leser des law blog hat wegen der Formulierung „NS-Scherge“ und der damit aus seiner Sicht verbundenen Vorverurteilung gegen den Pressedezernenten des Oberlandesgerichts Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Hier die Antwort des Gerichtspräsidenten:

… Der Pressedezernent des Oberlandesgerichts hat zu Ihrer Dienstaufsichts­beschwerde Stellung genommen und ausgeführt, er sei als Pressespre­cher bisweilen bemüht, auch eine griffigere Formulierung zu suchen, um nicht immer von Angeklagtem sprechen oder schreiben zu müssen.

Der Angeklagte in dem Verfahren vor dem Landgericht Aachen sei in der deut­schen Presse seit über zwei Jahren als „NS-Scherge“ oder mit vergleich­baren Formulierungen bezeichnet worden, nachdem er im Jahr 1949 in
Amsterdam wegen derselben – ihm nunmehr in dem Verfahren vor dem
Landgericht Aachen vorgeworfenen – Taten wegen dreifachen Mordes in
Abwesenheit rechtskräftig verurteilt worden war.

Selbstverständlich sei der Angeklagte deswegen in Deutschland noch nicht bestraft worden, so dass hier auch die Unschuldsvermutung für ihn gelte. Deshalb habe er, der Pressedezernent, die von ihm gewählte Formulierung als Überschrift (Schlagzeile) für gerechtfertigt gehalten. Er nehme den Hinweis aus Ihrer Eingabe aber sehr ernst.

Ich teile Ihre Auffassung, dass die Justizverwaltung dazu aufgerufen ist, bei der Pressearbeit über laufende Gerichtsverfahren den Anschein jeglicher Vorverurteilung zu vermeiden, so dass es besser gewesen ware, wenn die von Ihnen beanstandete Formulierung nicht verwendet worden wäre.

Der Pressedezernent des Oberlandesgerichts ist ein sehr gewissenhaft, ernsthaft und umsichtig arbeitender Richter, der sehr darauf bedacht ist, im Umgang mit den Medien die Neutralität und Unvoreingenommenheit der Gerichte herauszustellen. Vor diesem Hintergrund sehe ich keinen Anlass zu dienstaufsichtlichen Maßnahmen.

Aufgedröselt

Kostenentscheidung:

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch wird die Gebühr für das Revisionsverfahren um ein Fünftel ermäßigt. Im Umfange der Ermäßigung der Gebühr für das Revisionsverfahren hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Ich hoffe, der Rechtspfleger stimmt meinem weitem „Verfahrensbegriff“ zu. Immerhin geht die Geschichte jetzt schon in die x-te Runde – Landgericht, Revision, Landgericht, Revision. Ich habe die Kosten aufgrund dieser Entscheidung nun ganz neu aufgedröselt, beim Vorverfahren und dem ersten von etlichen Verhandlungstagen beginnend.

Hiervon dann ein Fünftel, da kommt doch ganz schön was zusammen. Zumindest eine angemessene Entschädigung für kreuz und quer durch die Akte blättern.

Richtig kompliziert wird es aber vermutlich, wenn auch die neue Revision erfolgreich ist…

Mittagspause!

Folgende Justizbehörden in Gießen haben eine gemeinsame Telefonzentrale:

– Landgericht Gießen
– Amtsgericht Gießen
– Staatsanwaltschaft Gießen
– Verwaltungsgericht Gießen

Wenn man zwischen 12.30 und 13.30 Uhr die zentrale Rufnummer 0641 9340 anruft, geht lediglich der Anrufbeantworter dran und teilt mit, „während der Mittagspause“ sei die Telefonzentrale nicht besetzt.

Mit anderen Worten: Praktisch die gesamte Gießener Justiz ist Tag für Tag während einer geschlagenen Stunde nicht erreichbar, sofern man keine Durchwahl hat. Und das, obwohl Richter und Staatsanwälte ohnehin nicht, aber auch die Mitarbeiter auf den Geschäftsstellen sicherlich nicht verpflichtet sind, auch zwischen 12.30 und 13.30 Uhr ihre Mittagspause zu nehmen.

Bei kleineren Amtsgerichten erlebt man das ja schon mal. Aber dass sich gleich vier große Justizeinrichtungen unerreichbar machen, ist schon eine starke Leistung.

Mühe gemacht

Brief eines inhaftierten (Neu-)Mandanten:

Die Beamten hier in der JVA haben sich echt Mühe gemacht, Ihre Kanzlei ausfindig zu machen, da ich hier ja auch nichts habe und Adressen nicht auswendig wusste.

Frau O. will nichts unterschreiben

Frau O. kommt aus Afrika. Sie hat einen gültigen Pass. Und ein Visum, das ihr die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erlaubt. Der Bundespolizist am Flughafen wittert trotzdem Ungemach und setzt Frau O. fest. Er schöpft den Verdacht, dass Frau O. nicht nur auf zwei Wochen zu Besuch kommt, sondern andere Zwecke verfolgt. In diesem Fall kann die Bundespolizei tatsächlich die Einreise versagen (§ 15 Aufenthaltsgesetz).

Woher der Verdacht kommt und ob er im Sinne des Gesetzes „begründet“ ist, darüber will ich jetzt nicht spekulieren. Ziemlich geärgert hat mich allerdings, wie versucht wird, möglichst einen Anwalt aus dem Spiel zu lassen.

Das fing natürlich mit dem üblichen Spielchen an, wonach ich eine schriftliche Vollmacht vorlegen soll. Ich wies darauf hin, dass eine Vollmacht keineswegs nur schriftlich wirksam ist, sondern mich die Betroffene auch mündlich beauftragen kann. Ich habe dann mit ihr telefonieren dürfen und sie hat – welch Wunder – sich natürlich gefreut, dass ihr ein Anwalt helfen wird. Allerdings spricht sie nicht sonderlich gut Englisch, so dass die Verständigung nicht einfach war.

Das änderte aber nichts daran, dass die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht verlangt wurde. Ich habe also einen Vollmachtstext gefaxt. Allerdings, wohl zur Überraschung bei der Bundespolizei, mit einem ziemlich ausführlichen Begleitschreiben, in dem ich schon zu den Umständen Stellung nahm und Tatsachen sowie Zeugen (mit Handynummern) benannte, die für einen reinen Besuchsaufenthalt sprechen.

Am Einreisezweck hatten ja nicht mal die Behörden Zweifel, welche am Visum beteiligt waren. Die Ausländerbehörde hat den Einlader in seiner Heimatstadt gründlich unter die Lupe genommen. Überdies hat die deutsche Botschaft im Heimatland von Frau O. recherchiert und das Visum erteilt. Die deutschen Auslandsvertretungen stehen in letzter Zeit sicher nicht mehr im Ruf, Visa leichtfertig zu erteilen.

Fünf Minuten nach Übersendung des Faxes ruft mich der Bundespolizist an und erklärt jovial, meine Mandantin wolle die Vollmacht nicht unterschreiben. Wörtlich: „Ich habe extra noch zwei Kollegen hinzugezogen als Zeugen. Die können bestätigen, die Frau will die Vollmacht nicht unterschreiben.“

Da fällt mir nur noch wenig ein. Die Bundespolizei nimmt eine arglose Reisende nach einem stundenlangen Flug fest. Dann bauen sich nach weiteren Stunden Wartezeit drei Uniformierte vor ihr auf und bitten sie, doch mal kurz ein Papier zu unterschreiben, dessen Inhalt (in deutsch und englisch) sie wahrscheinlich nicht komplett versteht.

Wie, so habe ich den Bundespolizisten gefragt, würde er sich in so einer Situation im Ausland verhalten? Er hat nicht drauf geantwortet. Ich wäre jedenfalls auch sehr weit davon entfernt, etwas zu unterzeichnen.

Mein Schreiben wird der Beamte, das habe ich ihm deutlich gesagt, völlig unabhängig von der Frage zur Kenntnis nehmen müssen, ob ich „schriftlich“ bevollmächtigt bin oder nicht. Wenn er die belastenden Umstände sieht, wird er sich den entlastenden nicht verschließen dürfen. Egal, von wem sie vorgebracht werden. Für den Fall, dass er das Schreiben ignoriert, habe ihm ausdrücklich ein Telefonat mit seinem Behördenleiter und, sofern dann noch nötig, eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Aussicht gestellt. Mache ich selten, aber hier ging es wohl nicht anders.

Dumm: Heute hat das zuständige Gericht zu. Morgen wird dann ein Kollege vor Ort übernehmen und schauen, was zu machen ist. Dass die betreffende Dienststelle gerne nach Kräften Anwälte aus dem Spiel lässt, hat mir der Anwalt vorhin schon am Telefon bestätigt. Mit solchen Dingen habe er täglich zu kämpfen. Sein einziger Trost: „Je weniger die in der Hand haben, um so mehr wird geblockt.“

Es gibt also Grund zu verhaltenem Optimismus.

Noch mal Bewährung

Zu früh auf der sicheren Seite gewähnt hat sich heute morgen eine Staatsanwältin. Sie war meinem betagten Mandanten ins Wort gefallen, als er vor Gericht erzählte, welch gutes Verhältnis er zu seinen Kindern hat. Insbesondere zu seiner Tochter.

„Hoffen wir, dass Ihre Tochter Sie demnächst auch besucht, wenn Sie drinne sind.“

Nach Knast sah es auch geraume Zeit aus. Denn mein Mandant war nun schon das siebte Mal erwischt worden, wie er ohne Führerschein Auto gefahren ist. Die neueste Fahrt hat er ausgerechnet noch während laufender Bewährung gemacht. Auch wenn er mit der Justiz bisher nur wegen seines Hangs zum Autofahren Ärger hatte, war die Geduld der Strafrichterin dadurch natürlich schon extrem strapaziert.

Wir brachten wirklich alles vor, was die Tat in milderem Licht erscheinen lässt. Der Anklagevertreterin erschien die Beweisaufnahme sichtlich zu lang. Und insbesondere mein Plädoyer. Sie rollte mehrmals mit den Augen, als ich wirklich auch noch das pieseligste Argument brachte, welches für meinen Mandanten sprach. Allerdings war es offensichtlich kein Fehler, etwas weiter auszuholen. Das Gesamtbild, so formulierte es die Richterin später, reichte nämlich, um ihr Herz zu erweichen. Es gab zwar die unausweichliche Freiheitsstrafe. Aber halt auch noch mal Bewährung.

Zu einem Rechtmittelverzicht war die sichtlich erfreute Anklagevertreterin nicht bereit. Gut möglich also, dass sie Berufung einlegt und wir demnächst noch mal am Landgericht kämpfen dürfen. Aber wenn bis dahin nicht noch ein neuer Fall dazu kommt, dürfte auch noch die dann beachtliche Zeit zwischen Tat und Urteil als weiteres Argument hinzu kommen.

Sofern allerdings noch was passiert, ist der Ofen aus. Aber wer weiß – hatte ich das nicht innerlich auch schon für den heutigen Prozess gedacht?

Fragwürdiges Urteil bestätigt

Oh. Mein. Gott.

Oder, wie es Prof. Henning Ernst Müller im beck-blog ausdrückt:

Das LG Landshut hat womöglich mit seiner Entscheidung verkannt, dass auch das Vertrauen in eine unparteiische Polizei und Strafjustiz auf dem Spiel steht.

Wir wundern uns gemeinsam über eine Entscheidung des Landgerichts Landshut. Die Richter lehnen eine Wiederaufnahme des Mordfalls Rudi Rupp ab. Der Bauer soll von seiner Familie durch Hammerschläge auf den Kopf ermordet und seine Leiche an die Hunde und/oder die Schweine auf dem Hof verfüttert worden sein. Ein Prozess ohne Leiche. Deshalb stützte sich das Gericht bei der Urteilsfindung maßgeblich auf die „Geständnisse“ der Beschuldigten. Diese sollen die Tat so übereinstimmend und detailliert zugegeben haben, dass man den Wahrheitsgehalt nicht anzweifeln könne.

Dummerweise wurde die Leiche des Bauern Anfang des Jahres gefunden. Er war in seinem Auto, das Fahrzeug war im Fluß versunken. Die Schädeldecke war unversehrt, ebenso wenig war die Leiche von Schweinen oder Hunden angefressen. Die Fundstelle des Autos soll am Nachhauseweg des Landwirts liegen, der zuletzt auf einer Feier gesehen worden war.

Die vom Gericht festgestellte Tatversion, auch was die Beseitigung der Leiche angeht, ist also widerlegt. Das Landgericht Landshut stellt sich aber, so berichtet der Donaukurier, auf den Standpunkt, dann hätten die Famillienangehörigen den Landwirt halt anders ermordet. Zum Beispiel durch Schläge auf den Kehlkopf. Ebenso sei es möglich, dass die Täter den bewusstlosen Bauern in sein Auto verfrachtet und ihn dort versenkt hätten.

Immerhin, so die Zeitung, gebe es Hinweise, die gegen einen Unfall sprächen. Zum Beispiel die vom Gericht festgestellten Spannungen in der Familie. Überdies habe die Leiche auf dem Beifahrersitz gekniet, der Automatikhebel habe auf „P“ gestanden, der Zündschlüssel sei nicht auffindbar.

Indizien, aber auch nicht mehr.

Wieso sich das Landgericht Landshut angesichts der eklatanten Unrichtigkeit des ersten Urteils gegen eine zweite Chance für die Verurteilten sträubt, hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack.

Für die Justiz wäre es nämlich mit Sicherheit unangenehm, wenn nun geklärt wird, wie es zu den Geständnissen kam. Und wie offenkundig notwendige Fragen nicht gestellt wurden. Eine Leiche rest- und spurlos an Hoftiere verfüttern? Das ist jedenfalls eine Geschichte, die sich selbst fantasiebegabte Krimiautoren eher nicht trauen würden.

Noch bleibt ja Gelegenheit, die fragwürdige Entscheidung zu korrigieren. Sonst, das ist klar, wird der Fall Rudi Rupp den Ruf deutscher Strafgerichte nicht verbessern.

Dr. Fischer verschenkt Geld

Die vermeintlich erfreulichen Briefe landen in diesen Tagen massenweise in den Briefkästen, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Jeder einzelne liest sich wie ein frühes Weihnachtsgeschenk. „Ihnen stehen“, so heisst es, „946,72 Euro in vollem Umfang zu“. Am 9. Dezember soll das Geld an die Empfänger ausbezahlt werden.

Die Empfänger müssen lediglich eine Karte an „Dr. Fischer & Partner’ schicken und sich für eine Busfahrt „in die Nähe von Düsseldorf“ anmelden. Davor warnt die nordrhein-westfälische Verbraucherzentrale. Die Briefe locken lediglich zu Werbeverkaufsveranstaltungen – dort werden die Teilnehmer häufig mit
aggressiven Methoden zum Kauf meist „völlig überteuerter Produkte von zweifelhafter Qualität und Wirkung gedrängt“, weiß Juristin Beate Wagner.

Der angekündigte Gewinn erweise sich häufig als wertlose Option oder solle beim Kauf eines Produkts oder der Buchung einer Reise verrechnet werden. Beate Wagner: „Dieses Verhalten verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“. Wegen Verdachte des Betruges ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Behördensprecher Johannes Mocken: „Wir wollen zunächst wissen, ob es diesen Dr. Fischer wirklich gibt.“

Das glaubt Verbraucherschützerin Beate Wagner nicht. Das Problem in der Praxis sei die „mangelnde Greifbarkeit der Anbieter“. Die wechseln häufig die Firmen, haben lediglich Postfachadressen oder sitzen im Ausland. Deswegen lasse sich auch kaum ein Anspruch auf die versprochenen 946,72 Euro durchsetzen: „Es besteht ein hohes Risiko, trotz
erfolgreicher Klage den Gewinn doch nicht zu erhalten und dennoch die Kosten für das Verfahren tragen zu müssen.“ (pbd)

Links 457

Jedes Stück von Springer und Murdoch, das hinter einer Bezahlwand verschwindet, steigert die Qualität des Internets

„In der Praxis sollten sich Justitiare daher gut überlegen, ob angesichts der mäßigen Reichweite der meisten Blogs die Sache nicht schlicht ignoriert werden kann“

Da wird Stein und Bein geschworen, die (Netto-)Kosten nach Ziffer 2300 VV RVG würden wirklich jeden Monat der Mandantschaft in Rechnung gestellt

Rechtspfleger plündert Vereinskasse

USA: Polizist tasert Zehnjährige

DigiProtect sagt, wie es ist

Vielleicht hätten die jemand fragen sollen, der sich auskennt. Das war meine erste Reaktion auf die Pressemitteilung, mit der sich die Filesharer-Abmahnzentrale DigiProtect zu einem verräterischen Fax eines ihrer Vertragsanwälte äußert.

In diesem Fax, dessen Echtheit DigiProtect jedenfalls nicht in Abrede stellt, hatte der Frankfurter Anwalt einem englischen Kollegen eingehend erläutert, wie das Geschäftsmodell Massenabmahnung funktioniert. Dabei hatte er unter anderem zu verstehen gegeben, dass vor allem einer zu schonen ist: der Rechteinhaber, von dem DigiProtect den Auftrag zur Überwachung von Tauschbörsen erhält. Der Rechteinhaber werde grundsätzlich nicht mit Kosten belastet. Das ist problematisch. Wieso, habe ich hier erläutert.

Bis zu Punkt 6 enthält die Pressemitteilung nur Blabla, das mit der Problematik nichts zu tun hat. Dann wird es jedoch interessant. So heißt es:

DigiProtect tritt prinzipiell gegenüber Abzumahnenden konsensorientiert auf, indem es diesen bei der ersten Kontaktaufnahme mittels einer Abmahnung eine Einigung auf dem Vergleichswege anbietet…

Dieser „Vergleichs“betrag beträgt für Filme und Musik normalerweise 400 bis 600 Euro. Nur bei Pornos darf es gerne auch mal etwas mehr sein. Richtig interessant wird die Aussage aber in Zusammenhang mit folgendem Satz:

Das im Vergleichswege übermittelte Angebot ist so kalkuliert, dass die Kosten bzw. Ansprüche aller am jeweiligen Abmahnverfahren Beteiligten damit abgegolten werden können.

Das klingt jetzt dummerweise so, als würde DigiProtect genau den seit langem gehegten Verdacht bestätigen, welchen das Fax des Frankfurter Anwalts noch bekräftigt hat. Dass es nämlich keine Verpflichtung der Auftraggeber gibt, die horrenden Gebühren selbst zu erstatten, welche den Abgemahnten in Aussicht gestellt werden, sollten sie den Vergleich nicht annehmen. Für diesen Fall wird nämlich ganz schnell und brutalstmöglich eskaliert und mit Streitwerten von bis zu 10.000 Euro gedroht – pro Song oder Film. Das ergibt dann schon bei kleineren Fällen schnell Anwaltsgebühren, die in Bereiche von 5.000 bis 10.000 Euro gehen.

Wenn aber, um DigiProtect beim Wort zu nehmen, schon das Vergleichsangebot von 400 bis 600 Euro reicht, um neben allen anderen Kosten auch die der Anwälte zu decken, gibt es wegen entsprechender Honorarabsprachen oder gar der „no cost“-Zusage eben keine höheren Ansprüche.

Der letzte Punkt, wonach die Anwälte in „einwandfreier Form“ ihr Honorar liquidieren, könnte deshalb bewusst so spitzfindig formuliert sein. Dass Anwälte in der Lage sind, eine formell einwandfreie Rechnung (mit Steuernummer und so) zu schreiben, wird ja auch weniger angezweifelt. Viel interessanter sind die Zahlen, die in der Rechnung stehen…

Nachdrückliche Bitte

Wir müssen was falsch gemacht haben. Denn das Amtsgericht Mettmann übersendet in einem Rechtsstreit „anliegenden Hinweis“:

091119a

Leider, oder zum Glück, kann ein Gericht nicht vorschreiben, wie die Parteien zulässige Kommunikationswege nutzen. Das Fax gehört, offenbar zum Leidwesen des Amtsgerichts Mettmann, halt seit geraumer Zeit zu diesen Kommunikationsmitteln.

Wohl in Kenntnis des Umstandes, dass es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt, ist der Hinweis einleitend noch als Bitte formuliert, wenn auch geschickt durch das Attribut „nachdrücklich“ kaschiert. In den folgenden Absätzen schlägt dann aber doch ungehemmt der Kasernenhofton durch, der richterlichen Verfügungen nun mal häufig genug eigen ist.

Auf eine Erklärung, warum das Prozedere nun so sein soll und nicht anders, wartet man dann auch vergebens. Auf ein schlichtes Danke am Ende des Textes ebenso.

Ob bei Zulassung der E-Mail jemand in Mettmann aus dem Fenster springt, ist derzeit nicht bekannt. Wir jedenfalls hängen die Mettmanner Faxgerichtsordnung nicht neben unser Faxgerät und faxen deshalb nach Mettmann weiter so, wie wir es für richtig halten und so weit es zulässig ist.