Grenzen für den Mahnterror

Das außergerichtliche Mahnverfahren nutzen viele Unternehmen auch zur psychologischen Kriegsführung. Der Kunde wird mit Schreiben und Kontoauszügen zugeschüttet. Die Briefe enthalten regelmäßig nur Textbausteine und „letzte Fristen“ – auch wenn der Kunde sich gegen die Forderung mit sachlichen Argumenten wehrt. Sobald Inkassobüros eingeschaltet werden, wird es in der Regel noch schlimmer.

Mit Hilfe des Amtsgerichts Düsseldorf wollte der genervte Kunde einer Telefonfirma nun dem Mahnterror entfliehen. Er forderte die Firma auf, auch außergerichtlich nur noch mit seinem Anwalt zu korrespondieren. Das Unternehmen hielt sich nicht dran. Der Kunde beantragte eine einstweilige Verfügung – und verlor.

Das Amtsgericht Düsseldorf hält Mahnungen erst mal grundsätzlich für zulässig:

Grundsätzlich sind Mahnungen der Verfügungsbeklagten von deren berechtigten rechtlichen aber auch wirtschaftlichen Interesse gedeckt und damit nicht zuletzt von ihren Rechten gem. Art. 14 GG.

Mahnungen dienen schon von Gesetzes wegen der Wahrung weiterer Rechte des Gläubigers (vgl. §§ 286, 288, 280 Abs. 2 BGB, 93 ZPO).

Sie haben daneben aber auch den Zweck, Druck auf den Schuldner auszuüben und damit berechtigte Forderungen des Gläubigers durchzusetzen. Dass die Rechtsordnung diesen Aspekt, nämlich im wirtschaftlichen Interesse des Gläubigers durch eine gewisse Hartnäckigkeit Druck auf den Schuldner auszuüben, ergibt sich aus dem Umstand, dass allgemein anerkannt ist, dass der in Verzug befindliche Schuldner in der Regel aus dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens Aufwendungen für mehrere Mahnungen zu ersetzen hat.

Festzuhalten ist damit, dass grundsätzlich ein auch hartnäckiges Verfolgen berechtigter Ansprüche im vorgerichtlichen Bereich von den schützenswerten Interessen des Gläubigers gedeckt ist und daher keine Verletzung der Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB und auch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt.

Aus dem Berufsrecht der Anwälte will das Gericht keine Verpflichtung herleiten, bei Einschaltung eines Anwalts den eigentlich Betroffenen in Ruhe zu lassen. Die Beauftragung eines Anwalts müssen eben nur wiederum Anwälte berücksichtigen. Unter Kollegen ist es verboten, ohne Einverständnis den Mandanten der anderen Seite direkt zu kontaktieren. Allerdings, so das Amtsgericht nachvollziehbar, gelte das eben nicht für Nicht-Anwälte.

Allerdings ist die Entscheidung kein Freibrief für ungehemmtes Mahnen. Denn das Amtsgericht Düsseldorf zeigt gleichzeitig Grenzen auf, bei deren Überschreitung der Kunde Abwehransprüche haben könnte:

Etwas anderes wird dann gelten, wenn vorgerichtliche Maßnahmen ein noch hinzunehmendes Ausmaß übersteigen. Dies wird man bejahen können, wenn über einen Zeitraum von mehreren Wochen wöchentliche Mahnungen oder über einen Zeitraum von mehreren Monaten Mahnungen im 2-Wochen-Rhythmus versandt werden. Nicht hinzunehmen wären auch andere Methoden der Anspruchsverfolgung, z. B. Anschreiben an mit dem Schuldner in Verbindung stehende Dritte mit dem Zweck, den Schuldner zu diskreditieren oder ähnliches.

Der Wochen- bzw. 2-Wochen-Rhythmus könnte durchaus ein praktikabler Aufhänger sein, um nervige Unternehmen zurückzuärgern. Es gibt genug Firmen, die in dichteren Intervallen Post Forderungen anmahnen.

(Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 06.01.2010 – 58 C 15403/09, via beck-blog)

Total unbrauchbare Atteste vom Amtsarzt

Die Geschichte um den haftunfähigen Hausarzt geht weiter. Der Arzt schuldet meinem Mandanten (und anderen Gläubigern) einen stattlichen Betrag. Urteile liegen vor, doch er zahlt nicht. Die Vollstreckung läuft mühsam. Auch deswegen, weil sich die Gerichtsvollzieherin bislang weigerte, den Arzt zu verhaften, bis er die eidesstattliche Versicherung (Offenbarungseid) abgegeben hat.

Das wird nun nicht mehr klappen. Der zuständige Amtsrichter hat nämlich durchschaut, welches Spiel hier mit (Gefälligkeits-)Attesten gespielt wird. Obwohl die Atteste von Amtsärzten stammen, stuft der Richter diese als inhaltsleer und unbrauchbar ein. Deshalb ordnet er nun auch an, dass der Schuldner endlich zu verhaften ist. Der Verhaftung kann der Schuldner einfach entgehen, indem er die eidesstattliche Versicherung abgibt.

Der Beschluss des Amtsgerichts fasst die Geschichte schön und geradezu unterhaltsam zusammen. Hier deshalb die wichtigsten Passagen:

Gegen den Schuldner, der eine – dies ist gerichtsbekannt – ärztliche Praxis in S. betreibt, wurde am 10.08.2009 Haftbefehl erlassen, da er im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO unentschuldigt nicht erschienen war. Der Haftbefehl dient einzig dazu, die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Abgabe der eidessattlichen Versicherung zu erzwingen.

Auf den Verhaftungsauftrag des Gläubigers hat die Gerichtsvollzieherin es mit
Verweis auf die mit amtsärztlichen Attesten des Herrn Dr. C. vom 26.09.2007
sowie der Frau Dr. K. vom 26.08.2009 angenommenen Haftunfähigkeit
des Schuldners unterlassen, den Schuldner zu verhaften.

Gegen die Weigerung der Verhaftung richtet sich der Gläubiger mit seiner Erinnerung vom 30.10.2009. Die Erinnerung des Gläubigers ist zulässig und begründet. Die Verhaftung des Schuldners wurde zu Unrecht nach § 906 ZPO mit Verweis auf die benannten amtsärztlichen Atteste verweigert.

Voraussetzung für einen Haftaufschub nach § 906 ZPO ist eine nahe und erhebliche
Gefahr für die Gesundheit des Schuldners. Da der Schuldner durch Abgabe der
Versicherung die Haft jederzeit vermeiden bzw. beenden kann, ist bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ein strenger Maßstab anzulegen. Weniger strenge Maßstäbe sind nur dann anzulegen, wenn die Haftunfähigkeit aufgrund anderer Umstände, etwa des hohen Alters des Schuldners, ohnehin nahe liegt. Andererseits sind umso strengere Maßstäbe anzulegen, je mehr objektive Anzeichen gegen eine Gesundheitsgefährdung sprechen. …

Die bisher vorliegenden amtsärztlichen Atteste des Herrn Dr. C. vom
26.09.2007 sowie der Frau Dr. K. vom 26.08.2009 sind nicht hinreichend, um
den Nachweis einer erheblichen Gesundheitsgefährdung zu erbringen. Diese
Atteste sind so inhaltsarm und aus sich heraus nicht nachprüfbar, dass sie zum
Nachweis einer Haftunfähigkeit ungeeignet sind. Zwar handelt es sich vorliegend
um amtsärztliche Atteste, deren Inhalt und Schlussfolgerungen regelmäßig
besonderes Gewicht beizumessen ist. Jedoch muss auch ein solches
amtsärztliches Attest – wie jedes andere Attest auch – inhaltlich so konkret und
nachvollziehbar begründen, weswegen und in welcher Art Gesundheitsschäden für den Schuldner zu erwarten sind.

Diesen Maßstäben genügen vorliegenden Atteste nicht ansatzweise. Es wurden weder Diagnosen einer bestehenden Erkrankung noch die zu befürchtenden Auswirkungen einer Verhaftung des Schuldners dargetan. Demnach sind die in den ärztlichen Zeugnissen getroffenen Schlussfolgerungen, der Schuldner sei haftunfähig, in keiner Weise überprüf- oder nachvollziehbar. Weshalb die Gesundheit des Schuldners gerade aufgrund einer Inhaftierung einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt würde, erschließt sich auf der Grundlage der Atteste nicht. …

Ob allerdings bei einer ärztlichen Bescheinigung von einer Qualität, wie der
vorliegenden, weitere Prüfungen der Gerichtsvollzieherin geboten sind, erscheint
bereits grundsätzlich zweifelhaft. Diese Zweifel sind hier insbesondere deshalb
besonders gravierend, weil der attestierende Arzt Dr. C. ausweislich seines
Zeugnisses vom 26.09.2007 eine Interessenabwägung vorgenommen hat, die
nicht in seinen Kompetenzbereich fällt. Dies geht aus der Formulierung „…mit Gesundheitsschäden zu rechnen, die außerhalb des Haftzweckes liegen…“ hervor.

Weiterhin ist zu beachten, dass der Schuldner als Arzt tatsächlich und regelmäßig praktiziert. Dies indiziert zunächst eine körperliche und geistige Belastbarkeit, welche der Annahme einer auf gesundheitlichen Gründen beruhenden Haftunfähigkeit entgegensteht.

(AG Schwerte, Beschluss vom 8. Februar 2010, 6 M 0487/09)

Die eigene Abschiebung nicht gefördert

Mein Mandant ist afrikanischer Herkunft. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Er kann aber nicht in seine Heimat abgeschoben werden, weil ihm kein Land einen Pass ausstellt. Zunächst hat die Botschaft Sierra Leones abgewinkt. Mein Mandant gibt an, aus Sierra Leone zu stammen.

Später wurde er so gut wie zu jeder afrikanischen Botschaft in Deutschland gefahren. Seltsamerweise fand sich kein Land, das ihn als Staatsbürger akzeptieren wollte. Womit ihm also zumindest nicht nachzuweisen ist, dass er nicht aus Sierra Leone stammt.

Das hindert das Amtsgericht aber nicht, gegen meinen Mandanten einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 600,00 € zu erlassen. Wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Der Tatvorwurf: Mein Mandant habe keine zumutbaren Anstrengungen unternommen, um im Rahmen seiner, so wörtlich „Mitwirkungs- und Initiatvipflicht die Feststellungen der sierreleonischen Botschaft zu widerlegen und insoweit die für eine Abschiebung erforderliche Passbeschaffung zu fördern“.

Es wird interessant werden, welche Handlungen denn von meinem Mandanten im Rahmen seiner Initiativpflicht erwartet werden, um die Botschaft seines Heimatlandes davon zu überzeugen, dass er doch aus Sierra Leone kommt. Soll er den zuständigen Sachbearbeiter schütteln? Oder ihn bestechen? Einen Hungerstreik vor der Botschaft beginnen? Diplomaten als Geiseln nehmen?

Sehr freundlich ist auch, dass das Gericht meinem Mandanten gestattet, die Strafe in monatlichen Raten von 100,00 € zu zahlen. Das wird ihm allerdings auch nicht leicht fallen. Er kriegt vom Staat 1,91 € Taschengeld – pro Woche. Aber vielleicht nimmt die Justizkasse ja auch Lebensmittelgutscheine, und ich weiß es nur nicht.

Neue Arbeitsplätze

Neben der Frage nach Schuld oder Unschuld, der nach Einstellung oder Strafe gibt es in Ermittlungsverfahren auch ganz praktische Dinge zu regeln. Etwa, wie kommt der Beschuldigte wieder an beruflich oder privat benötigte, harmlose Daten, die sich auf beschlagnahmten Festplatten oder DVDs befinden?

Es gibt mehrere Wege. Der Beschuldigte bringt eine originalverpackte Festplatte mit zur Polizei. Oder die Polizei stellt gegen Kostenerstattung leere Datenträger. Auf die Festplatten werden dann die freigegebenen Daten kopiert. Mitunter macht sich auch die Polizei Kopien und gibt die Datenträger (und vielleicht sogar die Hardware) zurück. Das alles lässt sich normalerweise verhandeln, und fast immer findet sich ein gangbarer Weg.

In Brandenburg, so habe ich heute erfahren, sind derart unbürokratische Lösungen nicht mehr erlaubt. Dort geht das alles nur noch mit Formularen, unterschriebenen und abgestempelten Freigaben und Einschaltung von besonders verpflichteteten Sachverständigen. Diese „Sachverständigen“ machen die Kopien – und halten dafür natürlich die Hand auf. Unter 500 Euro Kosten laufe gar nichts, hieß es. Bei größeren Datenmengen könne es auch schnell sehr viel teurer werden.

Aber immer wieder schön zu sehen, wie Arbeitsplätze geschaffen werden.

Schlupfloch aus unliebsamen Verträgen

Wie kommt man aus unliebsamen Verträgen raus? Das Amtsgericht München weist einen unkonventionellen Weg, wenn Fitnessstudio, Telefonanbieter oder Zeitungsverlag auf Kündigungfristen pochen.

Dann kann der Kunde erwägen, künftig einfach bar zu zahlen. Zwar weist der im Juni letzten Jahres entschiedene Fall einige Besonderheiten auf. Es ging um die Kundin eines Sportstudios, die bei Anmeldung kein Konto hatte, anfangs bar bezahlen durfte, später aber zu Überweisungen und Vorauszahlungen gedrängt wurde.

Darauf ließ sich die Frau nicht ein. Zu Recht, meint das Amtsgericht, denn der Vertrag sehe nun mal keine Pflicht zur bargeldlosen Zahlung vor. Zumindest so lange nichts anderes vereinbart ist, hat der Kunde nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch das Recht zur Barzahlung – ein Grundsatz, der für jeden gilt.

Links 481

Sollte der Regierung irgendwann ein detailliertes Verzeichnis aller Bürger angeboten werden, die seit Jahren ihre Putzfrau schwarz bezahlen, sollte die Politik nicht mehr auf eine breite Zustimmung für den Datenkauf setzen

Regierung an Köhler: Wir wollen keine Internetsperren mehr

Verfassungsschutz zieht nicht in die Kölner Abhörzentrale

Literatur-Wunderkind soll abgeschrieben haben / „Mit der Sharing-Kultur des Internets aufgewachsen“

„Vodafone is fed up of dirty homo’s and going after beaver“

Pistol statt „Bristol“

„Tilgungsverordnung“ sorgt für weiße Weste

Ein Staatsanwalt der Paderborner Staatsanwaltschaft ist, wie berichtet, befördert worden, obwohl auf seinen privaten und dienstlichen Computern vor neun Jahren kinderpornografisches Material gefunden worden war. Die pikante Personalie hat das Justizministerium auf Anfrage bestätigt, spricht aber von einem „Routinevorgang“.

Seinerzeit gab es gegen den Beamten keine öffentliche Gerichtsverhandlung – das Ermittlungsverfahren war von der Detmolder Staatsanwaltschaft sang- und klanglos eingestellt worden. Der Beamte musste eine Geldauflage in Höhe von 6.000 Euro zahlen. Als er sich im vorigen Jahr auf die Stelle eines Gruppenleiters bewarb, hatte er bereits seit 2005 per „Tilgungsverordnung“ dienstrechtlich wieder eine weiße Weste und bekam von seinem Vorgesetzten eine sehr gute Beurteilung.

Nachdem der Generalstaatsanwalt in Hamm auch noch die Beförderung empfahl, entschied diese abschließend per Federstrich Jan Söffing (FDP), Staatssekretär des Justizministeriums. Dessen Sprecher Ulrich Hermanski erklärt: „Die Personalakte enthielt keinerlei Hinweise auf den Sachverhalt.“

Die mögliche Straftat oder ein Hinweis auf das Ermittlungsverfahren habe sich „aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften“ zur Zeit der Beförderung in der Akte „nicht wiederfinden dürfen“. Weil das Disziplinarverfahren im Herbst 2002 abgeschlossen war, musste es, so die Auffassung des Ministeriums, aufgrund der internen Vorschriften drei Jahre später „getilgt“ sein.

Es sei, so Hermanski, weder möglich gewesen, die Beförderung zu versagen, sie sei auch nicht mehr rückgängig zu machen. Dennoch hat die Ernennung ein parlamentarisches Nachspiel. Die Landtagsabgeordnete Monika Düker (Grüne) will mit einer Anfrage von der Landesregierung wissen, wie die den Sachverhalt bewertet. (pbd)

Steuer-CD: Anzeige gegen Ermittler

Der Münchner Rechtsanwalt Günter Frhr. v. Gravenreuth hat Mitarbeiter der Wuppertaler Steuerfahdnung und alle, die für den Ankauf der Steuer-Sünder verantwortlich sind, Strafanzeige bei der Wuppertaler Staatsanwaltschaft erstattet. Hier seine Begründung:

Der Kauf der sogenannten „Steuer-CD“ mit gestohlenen Bankdaten umfasst ca. 1.500 Datensätzen aus der Schweiz. Die Übergabe soll in Frankreich erfolgen. Vier Steuerfahnder aus Wuppertal seien zu einem Geheimtreffen mit dem Informanten unterwegs, berichtet der „Focus“ unter Berufung auf Ermittlerkreise. Dem Datendieb sei an einem Treffen im Ausland gelegen, weil er in Deutschland mit einer Verhaftung rechnen müßte und die CD beschlagnahmt werden könnte.

1.500 Datensätze sind ein urheberrechtlich geschützten Datenbank (§§ 2, 87a UrhG). Spätestens das Auslesen dieser CD auf einem Computer stellt eine Vervielfältigungshandlung dar (§§ 16, 106 UrhG). Die Beschuldigten haben keine Rechte an dieser Datenbank. Angesichts des Kaufpreises von über 2 Mio. € ist von einer gewerblichen Verletzungshandlung auszugehen, so es keines Strafantrags des Rechteinhabers bedarf (§ 109 UrhG). Die Beschuldigten haben daher eine Raubkopie einer urheberrechtlich geschützten Datenbank erworben, bzw. an deren Erwerb mitgewirkt und diese vervielfältigt.

Sollte kein Auslesen dieser CD auf einem Computer erfolgen, diese Datensätze also nicht ausgewertet werden, so liegt für eine „nicht benutzbare“ CD kein Gegenwert von über 2 Mio. € vor. Mit dieser Zahlung wäre dann der Tatbestand der Untreue erfüllt.

Der Sachverhalt ergibt zumindest einen Anfangsverdacht i. S. v. § 152 II StPO für eine Vergeben gem. §§2, 87a; 16, 17; 106, 108a UrhG bzw. § 266 StGB.

Natürlich müssen (und sollen) die Finanzämter jedem Hinweis auf Steuerhinterziehung nachgehen. Dies ergibt aber kein Recht zu einer Urheberrechtsverletzung. Urheberrechte unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Von einer Einwilligung der Banken ist ja nicht auszugehen.

Nachtrag: Rechtsanwalt Thomas Stadler zu der Strafanzeige

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Beredt knapp

Der Fachanwalt für Strafrecht gegen einen betagten Rechtsanwalt, der schon vor seiner Advokatenkarriere als Richter am Oberlandesgericht durchs Paragrafen-Stahlbad gegangen ist. Es wurde von Anfang an mit harten Bandagen gefochten und auch etwas agitiert, wie schon in diesem Beitrag angemerkt. (Die Kommentare zum Eintrag sind, wie immer, auch lesenswert.)

Selbst eine begleitende Strafanzeige gegen meinen Mandanten, übrigens ebenfalls Anwalt, hat dem forschen Ex-Richter nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Das Ermittlungsverfahren hat der Staatsanwalt kurzerhand mangels Tatverdachts eingestellt. Und jetzt weist das Amtsgericht auch noch die Klage auf Zahlung eines stattlichen Betrages ab. Die Urteilsbegründung aus der Hand des Amtsrichters fällt beredt knapp und pointiert aus.

Ich wage die Prognose, dass die Berufungsbegründung aus der Feder des Kollegen einen weiteren Blogeintrag wert sein wird.

Keine Halterhaftung für Internetzugänge

Filesharing urheberrechtlich geschützter Werke führt zu zivilrechtlichem Ärger. Die Rechteinhaber lassen Tauschbörsen überwachen. Sie mahnen ab und verlangen Schadensersatz. Ihre Schreiben sind regelmäßig an den Anschlussinhaber gerichtet, obgleich damit natürlich keineswegs feststeht, dass der Anschlussinhaber auch tatsächlich selbst in der Tauschbörse war.

Im zivilrechtlichen Bereich wird dann mit der Krücke der Störerhaftung gearbeitet und eine Halterhaftung für Internetanschlüsse konstruiert. Der Anschlussinhaber soll haften, weil er mit dem Internetanschluss (WLAN) eine Art Gefahrenquelle geschaffen und diese nicht ausreichend überwacht hat. Ob das juristisch durchgeht, ist eine Frage des Einzelfalls…

Im Strafrecht gibt es die Störerhaftung allerdings nicht. Deshalb ist hier die Ausgangssituation für den beschuldigten Anschlussinhaber wesentlich besser. Ihm muss nachgewiesen werden, dass tatsächlich er der Sünder ist – und nicht Partner, Kinder, Besucher oder gar ungebetene Mitbenutzer des Drahtlosnetzwerks.

Hierauf weist in einer aktuellen Entscheidung auch das Amtsgericht Mainz hin. Es sprach einen mutmaßlichen Tauschbörsennutzer frei, weil offen blieb, ob er oder ein Familienangehöriger illegal Material in einer Tauschbörse angeboten hat.

Interessant ist im entschiedenen Fall, dass der Zugang zum mutmaßlich benutzten Computer durch ein Passwort oder eine Verschlüsselung geschützt war, die nicht geknackt werden konnte. Das Amtsgericht Mainz sieht diesen Umstand, juristisch korrekt, als „neutral“ an und dreht dem Beschuldigten aus dem Verschweigen des Passworts keinen Strick. Vielmehr kommt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ zum Zuge.

AG Mainz, Urteil vom 24.9.2009 – 2050 Js 16878/07.408ECs (Näheres auch hier)

Staatsanwalt macht Karriere – trotz Kinderpornos

Im Jahr 2002 fiel ein Staatsanwalt in Paderborn unangenehm auf. Auf seinen dienstlichen und privaten Computern wurden Kinderpornos gefunden. Das Verfahren wurde eingestellt – gegen Zahlung einer Geldauflage von 6.000,00 €. Das war damals schon ein sehr mildes Ergebnis. Und es ist nichts im Vergleich zu dem, was Kinderpornobesitzern heute blüht. Vor kurzem habe ich vor einem ländlichen Gericht zum Beispiel hart darum kämpfen müssen, dass ein Mandant in einem ähnlichen Fall überhaupt noch Bewährung erhielt. Das Gericht wollte ihn, den ansonsten unvorbelasteten Normalbürger mit Job, Wohnung und intakter Familie, am liebsten ins Gefängnis schicken.

Nun, sollte man denken, dürfte ausgerechnet ein Staatsanwalt mit einer solchen Vorgeschichte keine nennenswerten Karrierechancen mehr haben. Aber nicht in NRW, nicht in Paderborn. Der Staatsanwalt bewarb sich, wie die Neue Westfälische berichtet, letztes Jahr auf eine Stelle als Gruppenleiter – und erhielt den Zuschlag.

Sein Vorgesetzter, so heißt es, habe ihm eine sehr gute Beurteilung geschrieben. Aus der Personalakte seien alle Hinweise auf die Angelegenheit schon 2005 entfernt worden. Exakt nach den Vorgaben der „Tilgungsverordnung“, heißt es im für die Beförderung letztlich verantwortlichen Justizministerium. Von daher sei alles korrekt gelaufen. Dem Staatsanwalt habe sein damaliges Fehlverhalten gar nicht mehr zur Last gelegt werden dürfen. Ganz ahnungslos sollte die Beförderungskommission aber nicht gewesen sein. Immerhin hatte die örtliche Zeitung das Thema schon vor der Personalentscheidung aufgegriffen und im Ministerium nachgefragt.

Nur innerhalb der Staatsanwaltschaft soll es rumoren, berichtet die Neue Westfälische:

Viele Staatsanwälte finden es kaum erträglich, wenn einer ihrer Kollegen sich einer solchen Tat schuldig macht. Sie sind empört darüber, dass dieser Mann später sogar noch Karriere macht und in die mittlere Leitungsebene befördert wird.

Nachtrag: Der Fall beschäftigt jetzt auch den Landtag

Von Razzien und Osterhasen

Bei einer groß angelegten bundesweiten Aktion haben das Bundeskriminalamt und örtliche Polizeibehörden auch in 12 nordrhein-westfälischen Städten Bordelle und ähnliche Betriebe durchsucht. Ziel des BKA war es, Opfer von Menschenhandel aus Westafrika zu identifizieren und Hinweise auf Menschenhändler zu bekommen.

In Essen wurden unter 100 Frauen eine Nigerianerin des illegalen Aufenthalts verdächtigt, ihre Papiere waren aber in Ordnung. In Aachen wurden 9 Frauen aus Westafrika festgenommen, in Dortmund 5, im Krefelder Eros-Center 3. Nach der Anwerbung im Heimatland, so erklärte BKA-Präsident Jörg Ziercke, werden die Opfer in die Bundesrepublik eingeschleust, mit geeigneten Personaldokumenten versorgt und an Prostitutionsbetriebe vermittelt.

Die bisherigen Ermittlungen, so heißt es, lassen ein bundesweites Netz von westafrikanischen Zuhältern, eingeschleusten Prostituierten, Geldwäschern, Passverleihern, Dokumentenfälschern und Schleusern vermuten, das sich bis in das europäische Ausland erstreckt.

„Menschenhandel ist ein Kriminalitätsphänomen“, erläuterte Ziercke, „bei dem die Täter ein Abhängigkeitsverhältnis ausnutzen und ihre Opfer durch physische und psychische Gewalt gefügig machen. Viele der Opfer scheuen den Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden, so dass zahlreiche Straftaten im Verborgenen bleiben.“ Eine professionelle Opferbetreuung und die enge Zusammenarbeit mit Fachberatungsstellen seien von zentraler Bedeutung. (pbd)

Kommentar

Hurra, wir haben einige schwarze Frauen verhaftet!

Solche Erfolgsmeldungen lassen mich erschaudern.

Sicher, das Problem des Menschenhandels existiert. Es kann keinen Zweifel geben, dass ein guter Teil der bei uns tätigen Prostituierten afrikanischer Herkunft Reise- und Schlepperkosten abzahlen muss. Einher geht meist ein zumindest fragwürdiger ausländerrechtlicher Status.

Aber glaubt das Bundeskriminalamt ernsthaft, dass es mit Riesen-Razzien gegenüber den schwächsten Gliedern in der Kette das Problem auch nur ansatzweise löst? Die verhafteten Frauen wissen nichts Verwertbares über die Hintermänner und, das ist gerade bei afrikanischen Schleuserringen unübersehbar, die mächtigen Hinterfrauen.

Die Prostituierten haben ein, zwei Handynummern. Eine vom Anwalt, der ihnen gegenüber dem Ausländeramt hilft. Aber im übrigen auch nichts weiß. Unter der anderen Telefonnummer melden sich kleine Lichter wie die Frauen selbst, oft Sozialhilfeempfänger, Arbeiter mit Familie, die sich pro Monat 100 Euro dazu verdienen, indem sie sporadisch Nachrichten weitergeben. Oder auch mal Geld mit Western Union nach Afrika senden. Drahtzieher und Absahner, in Mafiakreisen wären das die Capos und Captains, sind noch durch mindestens ein, zwei weitere „Firewalls“ vom eigentlichen Geschehen abgeschottet. Von den großen Bossen wollen wir mal gar nicht reden. Obwohl man vielleicht öfter mit ihnen redet oder sie im Fernsehen sieht, als man sich das vorstellen kann.

Mit der neuen Razzia wird dasselbe Trauerspiel aufgeführt wie bei der Drogenkriminalität. Der kleine Junkie und Gelegenheitsdealer wird von der massierten Ordnungsmacht am Hauptbahnhof drei-, vier Mal im Monat festgenommen, es wird eine Akte angelegt und Manpower ohne Ende investiert – für bequeme Schreibtischarbeit. Am Ende stehen Einstellung, Bewährungsstrafe, die Therapie. Selbst die gelegentlich hochgejubelten großen Drogenfunde beruhen nur auf zufälligen Tipps, weniger auf systematischer Fahndungsarbeit. Aber auch die Kuriere halten nur den Kopf für die da oben hin.

Kann sich jemand an eine Erfolgsmeldung erinnern, dass das BKA oder eine sonstige Polizeibehörde Personen festgenommen hat, die solche kriminellen Strukturen beherrschen und sich die Taschen mit den Profiten vollstopfen? Gibt es nachvollziehbare Hinweise darauf, dass durch echte kriminalistische Arbeit tiefer gegraben wird als bis zur ersten Humusschicht?

Nein, denn richtige Polizeiarbeit ist aufwendig, teuer und sie erfordert einen Einsatz, der über das einmalige um Fünf-Uhr-Aufstehen für Haus- und Wohnungsdurchsuchungen bei den niederen Chargen hinausgeht. Richtige Polizeiarbeit würde insbesondere verdeckte Operationen im großen Stil bedeuten. Leider etwas, worüber sich nicht binnen 24 Stunden in Pressemeldungen strunzen lässt.

Wer dem BKA-Präsidenten glaubt, dass die Festnahme afrikanischer Prostituierter ein nennenswerter Schlag gegen den Menschenhandel ist, freut sich auch auf den Osterhasen.

U.V.