Der Duft des Geldes

Ich erinnere mich zwar nicht mehr an den Namen des Professors. Aber was er Ende der Achtziger in einer Vorlesung gesagt hat, ist mir im Gedächtnis geblieben:

Wenn Sie den Anwaltsberuf anstreben, müssen Sie sich entscheiden. Großkanzlei, da lockt der Duft des Geldes – und der großen, weiten Welt. Oder Sie bleiben bodenständig in einer kleinen Kanzlei, melden Verkehrsunfälle an und machen Scheidungen an ihrem lokalen Amtsgericht.

Beides pries er als heile Welt, in der man sich durchaus wohlfühlen kann. Jedenfalls zum Klima in der freien Wirtschaft, insbesondere in internationalen Konzernen. Ob das heute noch zutrifft, jedenfalls für die „Großbuden“, bezweifle ich. Beinahe täglich gibt es Meldungen, dass sich Megabüros überwerfen. Hier ein Beispiel. Man muss sich nur mal ausmalen, welche Diskussionen, Streitigkeiten und sicherlich auch Intrigen mit solchen Aktionen einhergehen. Das muss ja alles neben der Arbeit bewältigt und (psychologisch) verdaut werden.

Eine erhebliche Grundunzufriedenheit ist jedenfalls unübersehbar. Ich habe einige Studien- und Referendariatskollegen, die heute in Großkanzleien arbeiten. So weit sie ein offenes Wort mit mir sprechen, höre ich daraus allenfalls eine eingeschränkte Begeisterung (aber immerhin).

Auf der einen Seite stimmt wohl nach wie vor das Geld.

Aber die Unsicherheit, insbesondere die Zukunftsangst, ist gewachsen. Vor allem, weil selbst die angestammte Mandanten nicht mehr treu sind. Konzerne, die 40 Jahre alles an eine Kanzlei gegeben haben, holen plötzlich Kostenvoranschläge ein oder erwarten gar „unverbindliche“ Lösungskonzepte für die betreffende Fragestellung. Das sind „non billable hours“ – so was darf also gerne am Wochenende oder im Urlaub erledigt werden.

Ein Studienkollege von mir arbeitet zum Beispiel an einem einzigen Telekommunikations-Mandat. „Wenn das nicht verlängert wird“, lacht er, „kann ich mich mich bei dir bewerben.“ Wofür ich einen so schmalspurig qualifizierten Anwalt einsetzen sollte, verrät er allerdings nicht.

Aber vielleicht könnte ich ja dann wieder Scheidungsmandate annehmen…