Vernunftunbegabt

Ich habe die alten Akten rausgekramt, weil ich es zuerst selbst nicht glauben wollte. Aber es stimmt: Mein Mandant mindert seit zwölf Jahren seine Wohnungsmiete um 20 Prozent. Mit gutem Grund. Aber das wollte der Vermieter nicht einsehen. Zumindest anfangs. Da hagelte es Mahnungen und „Kontoauszüge“, in die ein dickes Minus eingetragen war.

Im Jahr 2003 kam sogar ein Mahnbescheid über die Mietrückstände. Das waren damals schon 14.000 Euro. Im Verfahren stellte sich schnell heraus, das Gericht hält die Mängel für nachvollziehbar. Aber nicht nur das. Der Vermieter habe seine Ansprüche auch verwirkt, weil er mit dem Prozess jahrelang gewartet habe.

Sieben Jahre war nun Ruhe. Bis es eine Mieterhöhung gab. Gegen die Erhöhung war als solches nichts zu sagen. Allerdings hebt die Erhöhung – natürlich – nicht die Minderung auf. Das würden allenfalls Handwerker schaffen, welche die Wohnung mal in Ordnung bringen. Mein Mandant zog also konsequent weiter 20 Prozent ab, nun aber von der erhöhten Miete.

Jetzt kommen sie wieder, die Mahnungen und Kontoauszüge. Wie will der Vermieter einem Gericht denn nach nun zwölf Jahren erklären, dass die Minderung nicht gerechtfertigt ist? Wenn er schon nach fünf Jahren aus formalen Gründen Schiffbruch erlitt?

Wahrscheinlich ein Fehler, diesen Vermieter für vernunftbegabt zu halten. Es handelt sich übrigens um den Staat.