Auch heiße Luft darf berechnet werden

Das ist sicher ein großer Tag für Leute, die heiße Luft für teuer Geld verkaufen. Wahrsager und Rechtsanwälte zum Beispiel. Der Bundesgerichtshof hält nämlich die Vertragsfreiheit hoch und gestattet es den Bürgern, auf eigenen Wunsch auch für „objektiv unmögliche Leistungen“ Geld zu zahlen.

Im entschiedenen Fall hatte eine Kartenlegerin („life coach“) mit ihrer Kunst einem Mann in einer Lebenskrise beigestanden und hierfür im Jahr 2008 rund 35.000 Euro erhalten. Für 2009 verlangte sie weitere Zahlungen in Höhe von 6.723,50 €. In den ersten beiden Instanzen hatte die Kartenlegerin keinen Erfolg. Sie verkaufe etwas, was sie nicht liefern könne, befanden die Richter und verneinten das vertraglich vereinbarte Honorar.

Demgegenüber der Bundesgerichtshof:

Die Vertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich – gegen Entgelt – dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen.

„Erkauft“ sich jemand derartige Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist, so würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten zu verneinen.

Nach den Umständen des Falles liegt die Annahme nicht fern, dass die Klägerin nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen konnte, dass die „Tauglichkeit“ der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar ist.

Die Vorinstanzen müssen jetzt allerdings prüfen, ob der Vertrag nicht sittenwidrig war. Dazu der Bundesgerichtshof:

In diesem Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass sich viele Personen, die derartige Verträge schließen, in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Menschen handelt. Daher dürfen in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gestellt werden.