Letztlich etwas sehr Rührendes

Die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) hat den Fernsehsender RTL lizenziert. Sie ist gesetzlich deshalb verpflichtet, die Einhaltung gewisser Programmgrundsätze bei RTL zu überprüfen, etwa die Achtung der Menschenwürde.

Gerade diesen Grundsatz sah David L. am 12. September 2010 im RTL-Programm verletzt. Der Sender strahlte um 19.05 Uhr eine Folge von „Schwiegertochter gesucht“ aus. Nach seiner Meinung wurden in der Folge partnersuchende Männer, insbesondere den als „Kratzbild“-Fan bekanntgewordenen Peer, als Volltrottel dargestellt und in einer Art und Weise präsentiert, die insgesamt nicht mehr akzeptabel ist. David L. beschwerte sich deshalb offiziell. Sein Schreiben landete bei der NLM.

Die zuständige Programmreferentin ließ sich mit ihrer Antwort in Namen der NLM etwas Zeit. Das lag womöglich daran, dass sie erkennbar an originellen Formulierungen feilte. Am 14. Dezember 2010 erhielt David L. jedoch eine Antwortmail. Nach deren Lektüre kann man sich durchaus fragen, wie ernst die NLM ihren Job nimmt. Jedenfalls hat man offensichtlich großen Spaß bei der Bearbeitung (und dem Abbügeln) solcher Beschwerden.

Dabei fängt alles vielversprechend an. Die NLM gibt dem verärgerten Zuschauer in weiten Teilen sogar Recht – nur machen kann sie am Ende nichts.

Zur Einleitung erklärt die NLM erst mal ausführlich, was es mit „Schwiegertochter gesucht“ überhaupt auf sich hat. Die Sendung stehe für „Partnervermittlung à la RTL“. Moderatorin Vera Int-Veen versuche für allein stehende Männer das große Liebesglück zu finden. Deren Mütter wünschten sich nicht nur einen glücklich verliebten Sohn, sondern auch, dass dieser endlich zu Hause auszieht.

Dann geht es aber zur Sache:

Nach drei Staffeln jedoch, so scheint es, ist das Reservoir an vorzeigefähigen Junggesellen, die noch zu Hause wohnen, nahezu erschöpft. Die auch als die „Mutter Theresa“ apostrophierte Int-Veen muss also in der aktuellen Staffel arg benachteiligte männliche „Restposten“ an die Frau bringen. Es sind Kandidaten mit vielerlei Marotten, die man sich wohl angewöhnt, wenn man es mit „Mutti“ über die übliche Halbwertzeit eines solchen Arrangements hinaus ausgehalten hat.

Geschmackliche Aspekte dürften, so die NLM, bei der rechtlichen Beurteilung von Medienangeboten aber nun mal keine Rolle spielen. So kommt die Behörde zu folgendem Ergebnis:

In medienrechtlicher Hinsicht ist dabei zu beachten, dass in der Sendung zwar eine gewisse Zurschaustellung von Menschen mit körperlichem und seelischem Handicap nicht von der Hand zu weisen ist, dass aber auf Grund der Dramaturgie und Inszenierung der Sendung keine Lächerlichmachung bzw. Diffamierung der Protagonisten mit denunziatorischer Absicht erkennbar ist. Vielmehr wird – untermalt von romantischer Musik – Peer in seinem unbeholfenen Liebeswerben gezeigt, was letztlich auch etwas sehr Rührendes hat.

Messerscharf folgert die NLM:

Dass die gezeigten männlichen Kandidaten vielleicht etwas beschränkt oder schüchtern wirken heißt ja nicht, dass sie geistig behindert sind. Sie sind auch nicht etwa entmündigt, sondern es ist davon auszugehen, dass sie sehr genau wissen, was sie tun und dass sie die Show als große (und vielleicht einzige) Chance auf eine Beziehung sehen.

David L. war mit Inhalt und Ton der Antwort eher unzufrieden. Ich kann das ein ganz klein bisschen nachvollziehen.

(Bei der NLM habe ich angefragt, ob die Antwort authentisch ist. Diese Frage wurde leider nur indirekt beantwortet. Die zuständige Programmreferentin untersagt mir – ohne Begründung – eine Veröffentlichung.)

Nachtrag 1: Stefan Niggemeier belegt, wo sich die NLM für ihre Antworten inspirieren lässt.

Nachtrag 2: Dirk Fischer, Direktor der NLM, hat mir folgende Stellungnahme übersandt:

„- Die generelle Bewertung der Sendung als medienrechtlich unbedenklich ist richtig.

– Einzelne Formulierungen in dieser offiziellen Antwort sind unpassend.

– Die teilweise wörtliche Übernahme eines Pressetextes ist nicht akzeptabel.

– Die NLM wird den Vorgang überprüfen und angemessen reagieren.“