Server-Sperrungen sind Chefsache

Aus aktuellem Anlass habe ich mit Manuel Schmitt, dem Chef von „manitu“ über die Sorgen und Nöte eines Internetproviders gesprochen.

Wie viele Beschwerden kommen bei manitu rein?

Etwa 3% aller Server-Kunden verursachen Beschwerden, die allerdings automatisiert generiert werden. In diesem Fällen setzt jemand Suchsoftware ein und schreibt Textbausteine an die Abuse-Melde-Adresse bei RIPE & Co.

Rund 1% aller Server-Kunden verursacht „handgeschriebene“ Beschwerden, die bei uns manuell bearbeitet werden müssen.

Wie viele Anfragen kommen von der Polizei?

Von den soeben genannten 1% individueller Schreiben sind etwa ein Viertel von staatlicher Seite (Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte).

Wie ist das Verhältnis von Querualantenpost, doofen Anrufen und ernstzunehmenden Aufforderungen? Gehen die meisten Leute gleich zum Anwalt?

Per Telefon kommt selten was rein. Wenn jemand sich telefonisch beschwert, bitten wir eh immer um eine schriftliche Information. Fax und Mail sind uns am liebsten, das fördert die zeitnahe Erledigung. Querulanten haben wir gefühlt keine. Ich habe extra noch mal die zuständigen Kollegen gefragt. So gut wie alle Anfragen sind sachlich, wenn auch rechtlich mitunter nicht unbedingt richtig.

Anwaltliche Vertretung haben Privatleute nur ganz selten. Firmen beauftragen meist ihre eigene Rechtsabteilung.

Stimmt es, dass die Serverpreise so unter Druck sind, dass man eigentlich gar keine vernünftige Abuse-Abteilung mehr unterhalten kann?

Nein, im Gegenteil. Ich glaube fest, dass gerade vermeintliche Knallerpreise genau die Kunden anzieht, die rechtlich problematisches Material auf ihre Server packen. Also eine klassische Spirale.

Bei einer vernünftigen Kundenstruktur hält sich der Aufwand auch in erträglichen Grenzen. Die meisten Beschwerden lassen sich auf rationaler Ebene abarbeiten, wenn man den Gegner (unseres Kunden) darauf hinweist, dass das erst mal eine Forderung oder ein Wunsch ist und dass dieser Wunsch überzeugend sein muss, wenn er bei unserem Kunden was erreichen will.

Klappt das nicht, dann muss sich der Gegner halt eines Gerichts bedienen. Sollte es tatsächlich einen Grund geben, der eine Sperrung rechtfertigt, wird dies ein Gericht so sehen. Genau hierfür gibt es ja einstweilige Verfügungen. Man kann halt nicht jedem Rechtsstreit aus dem Weg gehen.

Wie reagieren Kunden, wenn man sie über Beschwerden informiert?

Durch die Bank weg sind die meisten Fälle unbeabsichtigt, etwa durch Content Dritter (Foren) oder Hacking. Dann ist der Kunde für jeden Hinweis dankbar, denn erst mal will er ja seiner eigentlichen Arbeit nachgehen.

In jedem Fall hat sich der freundlich-sachliche Ton bewährt, und zwar in alle Richtungen. Meist ist die Sache mit einem kurzem Schriftverkehr vom Tisch.

Steht man als Provider da zwischen den Stühlen?

Wir bei manitu bemühen uns im Regelfall um eine Vermittlerrolle. Im Zweifelsfall stellen wir uns aber auf die Seite des Kunden, wenn es rechtlich irgendwie vertretbar ist. Wir halten intern regelmäßig Schulungen ab, in denen Mitarbeiter auf juristische Feinheiten, gerade bei Formulierungen in Antworten, geeicht werden.

Hausintern gilt auch der Grundsatz, dass wir es uns mit Server-Sperrungen nicht leicht machen. Wenn es mal so weit kommt, ist das auf jeden Fall Chefsache. Dafür halte ich dann den Kopf hin.

Gibt es Kunden, die sich bei Beschwerden tot stellen? Oder sagen, soll sich doch die Rechtsabteilung von manitu drum kümmern?

Eigentlich nicht. Es kommt vor, dass Kunden uns nach einer Einschätzung der Situation fragen. Meist geschieht das in Urheberrechts- und Markenfragen. Wir verweisen dann aber immer auf eine anwaltliche Beratung. Darum muss der Kunde sich dann selbst kümmern.

Der Beschwerdeführer macht Druck, der Kunde ist aber momentan nicht erreichbar…

Wir führen von unseren Kunden nach Möglichkeit mehr als nur eine Festnetznummer, eine Postanschrift und E-Mail-Adresse. Oft genügt auch ein kurzer Anruf auf dem Handy oder eine SMS mit Verweis auf ein halbwegs dringendes Anliegen, damit der Kunde sich zügig meldet.

Ich kann aber ohnehin vom Kunden nicht verlangen, binnen Stunden oder eines Tages eine juristische Situation korrekt einzuschätzen. Er muss die Möglichkeit haben, sich fachlichen Rat einzuholen. Das dauert nun mal.

Sollte es der Beschwerende wirklich eilig haben, muss es (a) einen wirklich triftigen Grund geben, und den wird dann auch ein Gericht erkennen und eine einstweilige Verfügung erlassen, oder er muss (b) halt Geduld beweisen. Sollte es wirklich ein Verstoß gewesen sein, und es ist Zeit ins Land gegangen, muss sich unser Kunde hierfür verantworten.

Ein goldenes Schlusswort, bitte.

Abuse-Handling hat für mich sehr viel zu tun mit „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“.

Hostblogger, das Blog von Manuel Schmitt

Flugverspätung: Klage in Deutschland möglich

Auch außereuropäische Fluglinien müssen in Deutschland Ausgleichszahlungen wegen Flugverspätungen leisten. Sie können darauf auch in Deutschland verklagt werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die Reisenden verlangten von einer amerikanischen Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung von jeweils 600 € nach Artikel 5 und 7 der EU-Fluggastrechteverordnung. Sie hatten einen Flug von Frankfurt am Main in die USA gebucht. Wegen eines Defekts des Flugzeugs wurde der Flug jedoch annulliert; die Kläger konnten erst am nächsten Tag in die USA fliegen.

Das Amtsgericht hat die Klage noch abgewiesen, weil es sich für international unzuständig hielt. Das Berufungsgericht verurteilte die Fluggesellschaft jedoch, an jeden Fluggast 600,00 € nach Artikel 5 und 7 der EU-Fluggastrechteverordnung zu zahlen.

Hiergegen wandte sich die Revision der amerikanischen Fluggesellschaft. Sie hatte damit jedoch keinen Erfolg. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich nach Auffassung der Karlsruher Richter bereits aus den Regeln der deutschen Zivilprozessordnung und anhand des Rechtsgedankens der EU-Fluggastverordnung. Der deutsche Startflughafen sei jedenfalls „Erfüllungsort“. Hier werde die vertragsgemäße Leistung erbracht.

Das Urteil erleichtert zahlreichen Fluggästen die Geltendmachung ihrer Rechte. Nicht nur US-Airlines hatten in der Vergangenheit Zahlungen mit dem Hinweis verweigert, der Kunde könne ja am Firmensitz klagen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2011 – X ZR 71/10

Der Kunde geht nicht ans Telefon

Die Seite JuraBlogs.com ist wieder online. Der Provider hatte sie gestern abgeschaltet (siehe den vorigen Eintrag).

Nun ist Näheres bekannt: Die Lorraine Media GmbH, eine Modelagentur mit diskussionswürdigem Geschäftsmodell, hatte sich an Kommentaren gestört, die direkt auf JuraBlogs abgegeben worden waren. Die Beschwerde ging an die Firma Hetzner, den technischen Provider von JuraBlogs. Dort soll, so eine Darstellung der Firma Hetzner im hauseigenen Forum, ein Mitarbeiter versucht haben, die Betreiber von JuraBlogs telefonisch zu erreichen. Das sei aber nicht möglich gewesen, angeblich weil die hinterlegten Kontaktdaten nicht stimmten.

Darauf habe sich der Mitarbeiter entschieden, den gesamten Server vom Netz zu nehmen, um, jetzt kommt’s wirklich dicke, “ eine Reaktion des Betreibers zu erhalten“. Wenn diese Darstellung stimmt, schaltete Hetzner den JuraBlogs-Server nicht in erster Linie ab, um sich dem „Druck“ irgendeines Anspruchsstellers zu beugen, sondern um den eigenen Kunden dazu zu bringen, sich bei Hetzner zu melden.

Dementsprechend ist der Server dann heute morgen auch anstandslos wieder hochgefahren worden, nachdem die Betreiber von JuraBlogs Hetzner noch am Vorabend kontaktiert haben. JuraBlogs hat jetzt Gelegenheit, die Sache mit der Lorraine GmbH juristisch zu klären – wenn denn hierzu Bedarf besteht.

Für mich persönlich klingt das alles offen gesagt noch viel schlimmer, als es zunächst den Anschein hatte.

Beanstandet wurden Inhalte, die Dritte auf JuraBlogs hinterlegt haben. Ein klassischer Fall der Forenhaftung. Der Anbieter, also JuraBlogs, haftet für diese Kommentare frühestens, nachdem diese beanstandet wurden. Dabei muss JuraBlogs zügig reagieren, wobei zügig eine angemessene Prüfungsfrist einschließt.

Provider Hetzner ist als technischer Dienstleister da erst mal außen vor. Der Anbieter haftet grundsätzlich nicht für Inhalte, die Kunden einstellen. Eine Störerhaftung kommt für den Provider normalerweise nur bei offensichtlich strafbaren Inhalten (z.B. Kinderpornografie) in Betracht – nachdem er auf diese hingewiesen wurde. Bei zivilrechtlichen Ansprüchen ist erst mal der Anbieter selbst in der Pflicht, und auf diesen darf der Provider verweisen.

Von dicker Luft für Hetzner kann also zunächst mal keine Rede sein.

Aber es geht ja offenkundig gar nicht darum, dass Hetzner große Sorge wegen des „Hinweises“ hatte. Vielmehr sollte mit der Abschaltung eine Rückmeldung des Kunden erzwungen werden, nachdem dieser nicht sofort telefonisch kontaktiert werden konnte.

Dieses Vorgehen könnte man ja noch, wenn auch unter größten Mühen, nachvollziehen, wenn JuraBlogs eine Internetleiche wäre. Ein Blick auf die Seite hätte jedoch genügt, um dem Support-Mitarbeiter klar zu machen, dass es sich mit Sicherheit nicht um ein verwaistes Angebot handelt, für das jemand sich quasi nur aus Versehen monatliche Serverkosten vom Konto abbuchen lässt.

Dementsprechend ist es natürlich schon sehr zu kurz gesprungen, einfach eine Internetseite abzustellen, weil der Kunde gerade nicht ans Telefon geht.

Am Rande: Ausweislich seines Twitter-Accounts arbeitet JuraBlogs-Mastermind Matthias Klappenbach übrigens derzeit in San Francisco. Vielleicht hatte er einfach keine Lust, morgens um vier ans Handy zu gehen.

Nachtrag 1: Laut Matthias Klappenbach räumt Hetzner Versäumnisse ein. Er zitiert aus einer Stellungnahme des Unternehmens:

„Leider wurde der übliche interne Ablauf der Abuse-Bearbeitung in diesem Fall nicht fehlerfrei eingehalten. Durch unglückliche Umstände wurde die Abuse-Meldung erst am gleichen Tag des Fristablaufes des Beschwerdeführers bearbeitet. Aufgrund der
Dringlichkeit wurde deshalb versucht, den Vertragspartner ausschließlich per Telefon zu erreichen und nicht, wie üblich, die Kontaktaufnahme per E-Mail.

Trotz bewährter Abuse-Policies sind Fehler nicht völlig auszuschließen. Wir werden jedoch versuchen, die Abläufe weiter zu optimieren. Gleichzeitig möchten wir alle Kunden bitten, ihre Kontaktdaten auf Richtigkeit zu überprüfen.“

Das Schreiben der Modelagentur ging laut Klappenbach bei Hetzner am 13.01. ein – bearbeitet wurde es wohl erst kurz vor Verstreichen der Frist am 18.01.

Vor diesem Hintergrund wäre es vielleicht auch eine Idee gewesen, nicht den Ausknopf für JuraBlogs zu drücken, sondern bei den Anwälten der Modelagentur um eine Fristverlängerung zu bitten.

Nachtrag 2: Matthias Klappenbach schildert den Vorgang auf JuraBlogs

Weitere Beiträge zum Thema:

Anwaltskanzlei Ferner

RechtZwoNull.de

Ohne Warnung offline

JuraBlogs.com ist eine klasse Seite. Ich habe den Aggregator neulich bei DRadio Wissen wärmstens empfohlen. Und zwar allen, die bei juristischen Blogs auf dem laufenden bleiben wollen. JuraBlogs gehört auch seit jeher zu meinen Anlaufstationen. Das Angebot ist so übersichtlich und umfassend, dass ich juristische Blogs gar nicht in meinem Reader habe.

Wohlgemerkt: Wir reden hier also über die gebündelten Inhalte der Paragrafen-Blogger. Nichts Porno, Volksverhetzung oder so.

Heute war JuraBlogs nicht erreichbar. Nun gibt es auch eine Erklärung dafür. Betreiber Matthias Klappenbach twittert:

JuraBlogs.com wurde durch Hetzner.de auf Grund einer Beschwerde über Inhalte ohne Ankündigung gesperrt. Habe noch keine Details.

Gesperrt. Aufgrund einer Beschwerde. Über Inhalte. Ohne Ankündigung. Provider, die sich so was schon bei einem topseriösen Angebot rausnehmen, sollen in der Hölle gefrieren.

Der Gläubiger darf, er muss aber nicht

Die umstrittene Firma Euroweb hat eines der beliebtesten deutschen Blogs gekapert. Nerdcore.de ist seit heute vom Netz. Zu sehen ist lediglich noch ein Standbild der Firma Euroweb. Dort heißt es:

Nachdem die Kosten eines gegen Euroweb verlorenen Prozesses durch den Kostenschuldner nicht innerhalb angemessener Frist erstattet wurden, hat Euroweb statt der Kosten nunmehr die Domain nerdcore rechtmäßig im Rahmen der Zwangsvollstreckung übertragen bekommen.

Laut FAZ hat der Betreiber von Nerdcore eine einstweilige Verfügung von Euroweb kassiert, sich aber nicht weiter darum gekümmert. Das Gericht dürfte dann die Kosten des Verfahrens festgesetzt haben. Aus diesem Kostenbeschluss wird Euroweb nun vorgegangen sein.

Das Verhalten von Euroweb ist legal. Ein Kostenbeschluss ist ein durchsetzungsfähiger Titel. Mit diesem kann die siegreiche Prozesspartei den Gerichtsvollzieher in Marsch setzen, aber auch pfänden. Üblicherweise wird dann geschaut, ob der Schuldner zu Hause verwertbare Vermögensgegenstände hat. Oder das Konto des Betroffenen wird dichtgemacht.

Die Pfändung einer Domain ist ein, jedenfalls im Grundatz, ebenso zulässiger Weg. Aber er ist gleichzeitig auch fragwürdig. Euroweb hätte sich zumindest überlegen können, ob man mit weniger einschneidenden Maßnahmen nicht auch zum Ziel kommt. Ich weiß nicht, ob die Firma einen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher oder die Kontopfändung versucht hat. Wahrscheinlich hätte ja auch das gereicht, um dem Blogbetreiber von Nerdcore zur Zahlung (oder zu Rechtsmitteln) zu bewegen.

Aber es steht natürlich jedem Gläubiger frei, bei der Zwangsvollstreckung zu den Mitteln seiner Wahl zu greifen. Wenn er es dabei überzieht, darf er sich über Kritik allerdings nicht wundern. In diesem Zusammenhang finde ich auch merkwürdig, dass die Firma Euroweb auf Nerdcore nun folgendes ankündigt:

In Kürze werden wir die Rechte an der Domain bei Ebay für einen gemeinnützigen Zweck versteigern.

Normalerweise soll mit der Verwertung des Pfands die Verbindlichkeit des Schuldners getilgt werden. Wenn Euroweb jetzt das Geld nicht mal für sich behalten will, ist das natürlich ehrenhaft. Es zeigt aber auch, dass die Firma mit der Abschaltung eines der beliebtesten und meistbesuchten Blogs vielleicht doch etwas übers Ziel hinausgeschossen ist.

Nachtrag: In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung klingt es so, als sei Euroweb tatsächlich der Meinung, den gesamten Erlös eines eventuellen Verkaufs von Nerdcore.de behalten (und spenden) zu dürfen. Das bezweifle ich. Alles vom Erlös, das über die Schulden hinausgeht, steht normalerweise dem früheren Domain-Inhaber zu.

Außerdem besteht für eine Verwertung der Domain ab dem Augenblick kein Grund mehr, in dem die Forderung und alle Vollstreckungskosten beglichen sind. Dann müsste die Domain zurückgegeben werden.

Brautgeld ist sittenwidrig

Ein von der Familie des Bräutigams an den Vater der Braut gezahltes „Brautgeld“ kann nicht zurückgefordert werden. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Die Beteiligten sind Angehörige des yezidischen Glaubens. Die Kläger, der Bruder und die Schwägerin des Bräutigams, zahlten an den Vater der Braut vor der Eheschließung 8.000 Euro. Noch vor Ablauf eines Jahres nach Eheschließung mit der damals 19-jährigen, verließ die Tochter des Beklagten ihren Ehemann, der sie in der Ehe vergewaltigt hatte.

Das sogenannte „Brautgeld“ verlangten die Kläger nunmehr mit der Behauptung zurück, es habe entsprechend des yezidischen Glaubens eine Abrede gegeben, nach der das Geld als Voraussetzung für die Ehe gezahlt und zurückgewährt werde, wenn die Eheleute weniger als ein Jahr zusammenleben.

Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm erteilte dem eine Absage. Die Richter hielten deutsches Recht für anwendbar und befanden, die angebliche Abrede sei jedenfalls sittenwidrig und damit nichtig. Die Brautgeldabrede verletze nämlich die Freiheit der Eheschließung und die Menschenwürde.

Beiden Seiten falle ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last. Das führe aber dazu, dass sich die Verwandten des Bräutigams nicht darauf berufen könnten, der Vater der Braut sei „ungerechtfertigt bereichert“. Die Hammer Richter entnehmen dem Gesetz nämlich, dass ein Anreiz für derartige Brautpreisabreden vermieden werden soll. Das werde am besten erreicht, wenn das Brautgeld auf eigenes Risiko gezahlt werde.

OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2011, Aktenzeichen I-18 U 88/10

Kein Mini-Fahrverbot

Erkennbar gut gemeint hat es das Amtsgericht Wuppertal, obwohl es einen Rechtsanwalt mit einem Fahrverbot belegte. Das Fahrverbot fiel mit einem „halben Monat“ nämlich erfreulich kurz aus.

Damit war das Fahrverbot aber auch rechtswidrig. Denn das Gesetz kennt nur ein Fahrverbot von einem bis drei Monate. Weil die gesetzliche Mindestdauer unterschritten war, hob das Oberlandesgericht Düsseldorf die Entscheidung jetzt auf.

Dabei hatte das Amtsgericht gar nicht ungeschickt argumentiert: Wenn die Möglichkeit bestehe, von einem Fahrverbot abzusehen, müsse es auch möglich sein, die gesetzliche Mindestfrist zu unterschreiten. Dies fand vor den Richtern am Oberlandesgericht keine Gnade. Für sie ist der Wortlaut des Gesetzes eindeutig und bindend.

Nun muss ein anderer Amtsrichter neu entscheiden.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2010 – IV-3 RBs 210/10

GVU kämpft mit Trittbrettfahrern

Mit unliebsamen Trittbrettfahrern hat derzeit die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) zu tun, die im Auftrag der Musik- und Filmindustrie „Raubkopierer“ verfolgt.

Unbekannte, die nichts mit der GVU zu tun haben, hacken Festplatten von Internetnutzern und löschen dort Dateien. Dabei hinterlassen sie eine eine Readme-Datei, nach der die GVU über das Kontaktformular ihrer Webseite auf illegale Inhalte hingewiesen wurde. Die GVU habe daraufhin das System gescannt und diese Inhalte „sichergestellt“.

Die GVU distanziert sich ausdrücklich von solchen Methoden. Sie empfiehlt Betroffenen, Strafanzeige zu erstatten.

Winterdings

Auch bei Winterwetter empfiehlt es sich nicht unbedingt, mit bedecktem Kopf eine Bank aufzusuchen. Man könnte schnell in den Verdacht geraten, Böses im Schilde zu führen. Gegen einen Mann wird jetzt in Salzburg genau aus diesem Grund wegen versuchten Banküberfalls ermittelt. Die Polizeidirektion Salzburg berichtet den Sachverhalt wie folgt:

Ein bis nun unbekannter Täter betrat am 14.1.2011, gegen 14.05 Uhr, maskiert eine Bank in der Stadt Salzburg. Der unbekannte Täter ging zielstrebig zum einzigen Kundenschalter, welcher sich gegenüber der Eingangstür befindet. Da der Schalter nicht besetzt war, entfernte er sich ohne Raubbeute und ohne etwas gesprochen zu haben wieder aus der Bank.

Dazu hat sie auch schöne Fahndungsbilder herausgegeben. Das erste zeigt den Übeltäter, wie er „vermummt“ am Schalter steht.

Das zweite Bild zeigt den Mann, wie er die Bank verlässt.

Wieso der mutmaßliche Bankräuber sich wegen der Kameras erst vermummt, dann aber schon beim Herausgehen aus der Bank blank zieht, könnte einem schon zu denken geben.

Nicht, dass der Mann gar kein Täter war. Sondern sich nur etwas ungeschickt verhalten hat, wegen diesem Winterdings.

Übergriffigkeiten

Wer eine ihm nur flüchtig bekannte Frau fragt, ob sie mit Sex gegen Bezahlung einverstanden ist, begeht eine Beleidigung. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden.

Der Angeklagte hatte einer 18-Jährigen, die er nicht näher kannte, bei zwei Gelegenheiten Geld gegen Sex geboten. Hierdurch habe er, so das Gericht, die Einschätzung kundgetan, die Frau sei käuflich wie eine Prostituierte. Das verletze die Betroffene in ihrer Ehre, denn es handele sich um eine „herabsetzende“ Äußerung.

Interessant ist die Entscheidung deswegen, weil die gleichen Richter im letzten Jahr eine Beleidigung verneint hatten, wenn ein Mann eine Jugendliche gegen ihren Willen im Halsbereich küsst und sie an Hals und Ohren leckt.

Zu diesem vermeintlichen Widerspruch merkt das Oberlandesgericht Oldenburg an, der Beleidigungsparagraf schütze nicht vor „Übergriffigkeiten oder Belästigungen, … so grob und abstoßend sie auch sein mögen“. Sexuell motivierte Zudringlichkeiten seien nämlich keine Ehrverletzung in Form der Herabsetzung, Geringschätzung oder Missachtung.

Im Gegenzug könnte man fragen, wieso die Frage nach käuflicher Liebe denn eine Ehrverletzung mit sich bringen muss. Hier kommt es doch eigentlich auch auf die Umstände an, zum Beispiel den Ton, in dem die Frage gestellt wird. Nachdem Prostitution nicht mehr per se sittenwidrig ist, müsste das moralische Schutzschild vielleicht nicht ganz so hoch gezogen werden.

Link zum Beschluss des OLG Oldenburg

Hamburgs oberster Datenschützer geht offline

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Johannes Caspar hat seine Internetseite heute abgeschaltet. Das teilt er selbst mit. Auslöser war ein Artikel des Rechtsanwalts Thomas Stadler. Darin wies Stadler dem Hamburger Datenschutzbeauftragten nach, dass Caspar auf seiner eigenen Seite möglicherweise unzulässige Trackingsoftware verwendet – nämlich das Tracking-Tool der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW).

Das Tracking-Tool hält etwa die IP-Adressen aller Besucher vollständig fest und übermittelt sie an die IVW. Unstreitig ist jedenfalls, dass die IVW die IP-Adressen mindestens kurzzeitig verwertet. Sie ist selbst der Meinung ist, ihr Angebot müsse erst noch dem geltenden Datenschutz angepasst werden (siehe Kommentar 19 zu Thomas Stadlers Beitrag).

Nach Professor Caspars Datenhunger hätte sicher kein Hahn sonderlich laut gekräht, wäre er nicht erst vor Tagen als besonders aggressiver Google-Gegner aufgefallen. Der Software Google Analytics, die ebenfalls Konfigurationen zulässt, bei denen IP-Adressen und andere sensible Nutzerdaten gespeichert und verarbeitet werden, attestierte der Datenschutzbeauftragte öffentlichkeitswirksam große Gefährlichkeit. Er schimpfte nicht nur auf Google und brach reichlich pathetisch die „Verhandlungen“ mit dem US-Unternehmen ab. Nein, Caspar drohte auch deutschen Nutzern von Analytics, das auch unter Privatleuten sehr beliebt ist, Bußgelder an (Bericht der FAZ).

Richtig peinlich wurde es dann gestern, als sich Caspar in Thomas Stadlers Blog zu Wort meldete. Er räumte ein, dass auch das IVW-Tool aus seiner Sicht zu viele Daten speichert, redete sich aber damit heraus, dass seine Seite von der Stadt Hamburg gehostet wird. Deshalb habe er keinen Einfluss auf die verwendete Analyse-Software, wenngleich schon seit längerem mit IVW gesprochen werde.

Stadler erwiderte darauf, was Caspar eigentlich selbst wissen sollte:

Als Diensteanbieter und damit auch datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle berufen Sie sich auf die Verantwortung eines Vordienstleisters. Einem Unternehmen, das Ihrer Behörde gegenüber so argumentiert, würden Sie das wohl kaum durchgehen lassen.

Immerhin kann Caspar jetzt ja den Musterprozess gegen die Stadt Hamburg führen. Übrigens böten sich auch viele andere deutsche Behörden, darunter auch Berliner Ministerien, als geeignete Gegner an. In großer Zahl speichern sie auf eine Art und Weise Nutzerdaten, die der Hamburger Datenschutzbeauftragte für unzulässig hält.

Auch heiße Luft darf berechnet werden

Das ist sicher ein großer Tag für Leute, die heiße Luft für teuer Geld verkaufen. Wahrsager und Rechtsanwälte zum Beispiel. Der Bundesgerichtshof hält nämlich die Vertragsfreiheit hoch und gestattet es den Bürgern, auf eigenen Wunsch auch für „objektiv unmögliche Leistungen“ Geld zu zahlen.

Im entschiedenen Fall hatte eine Kartenlegerin („life coach“) mit ihrer Kunst einem Mann in einer Lebenskrise beigestanden und hierfür im Jahr 2008 rund 35.000 Euro erhalten. Für 2009 verlangte sie weitere Zahlungen in Höhe von 6.723,50 €. In den ersten beiden Instanzen hatte die Kartenlegerin keinen Erfolg. Sie verkaufe etwas, was sie nicht liefern könne, befanden die Richter und verneinten das vertraglich vereinbarte Honorar.

Demgegenüber der Bundesgerichtshof:

Die Vertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich – gegen Entgelt – dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen.

„Erkauft“ sich jemand derartige Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist, so würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten zu verneinen.

Nach den Umständen des Falles liegt die Annahme nicht fern, dass die Klägerin nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen konnte, dass die „Tauglichkeit“ der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar ist.

Die Vorinstanzen müssen jetzt allerdings prüfen, ob der Vertrag nicht sittenwidrig war. Dazu der Bundesgerichtshof:

In diesem Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass sich viele Personen, die derartige Verträge schließen, in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Menschen handelt. Daher dürfen in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gestellt werden.