Fall abgeschlossen

Besser mal jemand fragen, der sich damit auskennt. Eine Regel, die durchaus auch für Polizeibeamte gelten kann.

Sicherlich ist es ein großer und erwähnenswerter Erfolg, wenn die Polizei in Kelsterbach der Jugendkriminalität Einhalt gebietet. Und zwei sechs- und achtjährigen Schülerinnen das Geständnis entlockt, mit Steinen und Stöcken auf drei Motorhauben “gemalt” zu haben. Hervorragend auch der Fahndungsansatz, in der “nahegelegenen Schule” zu forschen, um die Übeltäterinnen zu ermitteln.

Weniger nachvollziehbar ist allerdings, dass die Polizei in ihrer Pressemitteilung die Mädchen für “verantwortlich” erklärt. Gut, das mag vielleicht nicht juristisch gemeint sein. Gepflegte Unkenntnis im Zivilrecht beweist die Polizei allerdings mit der gönnerhaften Bemerkung, die sie ans Ende ihrer Erfolgsmeldung setzt:

Für die Polizei sind die Fälle damit abgeschlossen, auf die Eltern der Mädchen kommt eine Schadensersatzforderung in Höhe von rund 800 Euro zu.

Forderungen erheben ist nicht verboten. Aber tatsächlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Eltern was bezahlen müssen. Die Töchter selbst sind noch zu jung, um direkt für den Schaden herangezogen werden zu können. Erst ab dem siebten Lebensjahr kommt eine Schadensersatzpflicht überhaupt in Betracht. Bei dem älteren Mädchen kommt es darauf an, ob sie schon die erforderliche Einsichtsfähigkeit hat. Bei Achtjährigen ist das normalerweise nicht der Fall.

Was die Eltern selbst angeht, hat die Polizei vielleicht den Satz vor Augen gehabt, ohne den kein Baustellenschild auskommt: “Eltern haften für ihre Kinder.” Aber das tun sie gerade nicht. Eltern können für Delikte des Nachwuchses nur herangezogen werden, wenn sie ihre eigene Aufsichtspflicht verletzt haben.

Sollten die Kinder noch Unterricht gehabt haben oder auf dem Nachhauseweg gewesen sein (ohne im letzteren Fall schon vorher Autos zerkratzt zu haben), wäre schon Schluss mit einer Verantwortung der Eltern. Denn die Aufsichtspflicht liegt dann bei der Schule oder besteht nicht.

Ansonsten kommt es darauf an, ob die Eltern in der konkreten Situation verpflichtet waren, ihre Kinder ständig im Auge zu behalten. Gerichte halten das bei Sechs- bis Achtjährigen jedenfalls nicht für durchgehend erforderlich. Wäre ja auch traurig, wenn Kinder in diesem Alter nicht mal draußen spielen dürften.