Korrigiert

Heute erreichte mich die Bitte einer Leserin, einen von ihr abgegebenen Kommentar zu berichtigen. Sie hatte zu schnell auf den Senden-Button gedrückt und einen Tippfehler übersehen. Nur ein Buchstabe war falsch, aber dennoch kann das wurmen. (Die Edit-Funktion mussten wir ja wegen Missbrauchsmöglichkeiten leider schließen.)

Ich habe den Schreibfehler soeben gerne korrigiert.

Aber, so möchte ich anfügen, eines Einschreibens/Rückscheins hätte es für die Bitte doch eher nicht bedurft.

Staat oder Taschenspieler?

Menschenunwürdige Haftbedingungen sind ein Thema – nicht nur in anderen Ländern. Auch in Deutschland klagen Gefangene gegen unzumutbare Verhältnisse. Die Verfahren richten sich meist gegen zu kleine Zellen, Überbelegung und nicht abgetrennte Toiletten bei Mehrfachunterbringung (älterer Bericht im law blog). Viele Gefangene erstreiten sich eine Geldentschädigung. Und der Staat ist sich oft nicht zu schade, alles zu versuchen, damit er den Klägern letztlich doch keinen Cent zahlen muss.

Die Justiz in Bochum ahnte wohl, dass an den Beschwerden eines Gefangenen was dran sein dürfte. Sie wartete gar nicht den Ausgang des Prozesses ab, sondern pfändete gleich die Ansprüche, die der Betroffene gegen den Staat geltend machte. So sollte das Geld von der einen öffentlichen Hand in die andere öffentliche Hand fließen und letztlich zur Tilgung von Verfahrenskosten dienen, die der Gefangene dem Staat noch schuldete.

Der Bundesgerichtshof zeigte der nordrhein-westfälischen Justiz jetzt die rote Karte:

Eine   Zulassung der  Pfändung   eines aus einer menschenunwürdigen       Haftunterbringung       herrührenden       Entschädigungsanspruchs zur Befriedigung offener Verfahrenskosten würde die Funktion der Genugtuung, der Sanktion und der   Prävention   ebenso   ins  Leere   laufen   lassen   wie   die   Zulassung   einer   Aufrechnung. Denn mit dem Zugriff auf die Forderung des Strafgefangenen würden deren nachteilige Wirkungen verblassen. Der Staat würde sich auf diese Weise eine    Befriedigung     der   wirtschaftlich  wertlosen      Forderung     verschaffen und gleichzeitig den mit der Zuerkennung des Entschädigungsanspruchs verfolgten Zweck umgehen.

Als Zweck der Geldentschädigung sehen die Richter nämlich nicht nur die Genugtuung für den Betroffenen an, sondern auch die Prävention. Der Staat solle durch eine spürbare Zahlung künftig vor Menschenrechtsverletzungen abgehalten werden. Diese Abschreckungswirkung geht aber natürlich gegen Null, wenn die Entschädigung einfach mit anderen Forderungen aufgerechnet werden kann.

Das Verhalten der Justiz verstößt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gegen Treu und Glauben. Es ist demgemäß unzulässig.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom vom 05.Mai 2011 – VII ZB 17/10

Gericht: DDoS-Attacken sind strafbar

In letzter Zeit traf es Kreditkartenfirmen, das BKA, die GVU und die spanische Polizei. Ihre Webseiten waren einige Zeit nicht erreichbar, weil “Hacker” DDoS-Attacken gestartet hatten. Dabei werden Server so mit Anfragen überflutet, dass sie die Segel strecken. Bislang war fraglich, ob und wie sich deutsche Organisatoren oder Teilnehmer von DDoS-Attacken strafbar machen. Das Landgericht Düsseldorf hat das jetzt als erstes Gericht bejaht und einen Angeklagten wegen Computersabotage verurteilt.

Der Angeklagte hatte die Webseiten von Firmen lahmgelegt. Dann forderte er Geld, um weitere Probleme dieser Art zu vermeiden. Neben der DDoS-Attacke ein klarer Fall von Erpressung, und um dieses weit schwerere Delikt ging es dem Landgericht Düsseldorf vorrangig. Deshalb enthält die Urteilsbegründung auch keine näheren Ausführungen zu der Frage, ob die Datenangriffe des Angeklagten tatsächlich unter § 303b Strafgesetzbuch fallen. Das Landgericht Düsseldorf sieht dies offensichtlich als unproblematisch an.

Jedoch liegt es nahe, dass auch andere Gerichte DDoS-Angriffe als strafbar betrachten. Abseits von Auslegungsfragen enthält nämlich die Gesetzesbegründung der vor einigen Jahren geänderten Vorschrift ausdrücklich den Hinweis, dass mit ihr auch DDoS-Attacken erfasst sein sollen.

Bislang gab es zu dem Thema nur ein anderes Urteil, auf das sich Hacker immer gern beriefen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte 2006, es galt noch altes Recht, Organisatoren einer Online-Demo auf der Webseite der Lufthansa freigesprochen. Die damaligen Angeklagten hatten dazu aufgerufen, zu einer bestimmten Zeit für zwei Stunden massenweise online bei der Lufthansa vorbei zu schauen. Das Gericht sah diese zeitlich befristete Störung noch als hinnehmbar an.

Allerdings unterscheidet sich der Fall der Online-Demo auch von einer DDoS-Attacke im engeren Sinn. Letztere wird nämlich nicht über die Mausklicks einzelner Besucher gesteuert. Vielmehr wird Software eingesetzt, die quasi maschinengewehrartig Anfragen an den Server richtet. Andererseits können natürlich auch normale “Nutzer” während einer DDoS-Attacke als vermeintliche Angreifer mit ihrer IP-Adresse auffallen, bloß weil sie die Seite besuchen (wollen). Eine andere Möglichkeit: Vielleicht ist der Computer des Betroffenen ebenfalls gehackt und nun Teil eines Botnetzes, das die Rechenpower für den DDoS-Angriff dezentral bereitstellt.

Gerade die unabsichtliche Teilnahme an einer DDoS-Attacke kann juristische Probleme aufwerfen. Denn an sich tun erst einmal alle Computer, die mit Servern Kontakt aufnehmen, ständig genau das, was im Strafgesetzbuch steht. Sie übermitteln Daten. Als Abgrenzungsmerkmal bleibt somit nur die “Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen”. Es kommt also darauf an, ob und was der User mit seiner “Anfrage” bezweckte.

Die Sache liegt demnach nicht anders als beim Hackerparagrafen. Ob es sich um ein strafbares Hackertool oder ein zulässiges Programm handelt, machen die Gerichte im Grenzbereich an der Absicht des Verdächtigen fest. Das ist natürlich hochproblematisch, weil auch Volljuristen Menschen noch nicht in den Kopf schauen können. Fehlurteile sind also programmiert, und zwar in beide Richtungen.

Klar ist nunmehr jedoch: Wer sich an DDoS-Attacken aktiv und wissentlich beteiligt, geht ein strafrechtliches Risiko ein.

Internet-Law zum gleichen Thema

Glücksspielreform: Segeln unter falscher Flagge

Kinderpornografie sollte in Deutschland der Türöffner für Internetsperren sein. Doch das Zugangserschwerungsgesetz erwies sich als so heikel für den Rechtsstaat, dass selbst die CDU nun für seine Abschaffung gestimmt hat. Das hindert andere jedoch nicht daran, weiter an der Einführung von Internetsperren zu arbeiten. So planen derzeit die Ministerpräsidenten der Länder Websperren und damit staatliche Zensur. Dabei geht es ihnen noch nicht mal um Kriminalität. Vielmehr sollen Deutsche keine Möglichkeit mehr haben, online bei ausländischen Lotto- und Wettanbietern zu tippen.

Derzeit liegen die Pläne bei der EU in Brüssel. Wie zu hören ist, werden dort kritische Fragen gestellt. Kein Wunder, denn die gesamten Pläne für eine Reform des Glücksspiels sind nach einem neuen Gutachten verfassungs- und europarechtswidrig.

Der Heidelberger Staatsrechtler Prof. Dr. Bernd Grzeszick hat sich im Auftrag des Londoner Wettanbieters Betfair den Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages angesehen und kommt – auch abseits des die Öffentlichkeit am meisten interessierenden Komplexes der Websperren – zu einem vernichtenden Ergebnis. Nach seiner Auffassung wird der aktuelle Entwurf, dessen Verabschiedung die Ministerpräsidenten diese Woche auf Oktober verschoben haben, vor dem Europäischen Gerichtshof und den deutschen Gerichten scheitern.

Grzeszick zeigt auf, wie unlogisch und in sich widersprüchlich die geplanten Regelungen gestaltet sind. Das allerdings ist kein Missgeschick, sondern einem Dilemma geschuldet. Nach außen müssen die Ministerpräsidenten der Länder so tun, als wollten sie die Deutschen vor den “Gefahren” des Glücksspiels schützen.  In Wirklichkeit ist ihr vorrangiges Ziel aber, die Milliardenerlöse aus Lotto, Toto und staatlichen Spielbanken für ihre Kassen zu erhalten.

Dieses bestehende Monopol lässt sich aber nur verteidigen, wenn die Gefahren des Glücksspiel bis ins Groteske beschworen werden. Der Europäische Gerichtshof hatte nämlich in einem Grundsatzurteil nicht feststellen können, dass in anderen EU-Ländern durch freies Glücksspiel messbare Not und wahrnehmbares Elend entstehen. Er stellte die Deutschen also vor die Wahl: Glücksspielkontrolle ist nur zulässig, wenn das Risiko für die “Volksgesundheit” nicht nur einseitig bei privatem, sondern konsequent auch bei öffentlichem Glücksspiel bejaht wird. Was dann unter anderem die Folge hatte, dass Hartz-IV-Empfänger möglicherweise keine Lottoscheine mehr abgeben dürfen.

Das permanente Segeln unter falscher Flagge bedingt natürlich auch juristische Verrrenkungen, die das neue Gutachten Punkt für Punkt beleuchtet. Für private Sportwetten sieht der Gesetzentwurf etwa lediglich sieben Konzessionen vor. Dagegen ist der Markt für Geldautomaten und Pferdewetten weiter für eine unbeschränkte Zahl privater Anbieter offen. Und das, obwohl gerade die Geldautomaten in Gaststätten und Spielhallen als besonders suchtgefährlich gelten. Ebenso kann wohl auch kaum jemand erklären, wieso ein Fußball- oder Formel 1 – Tipp mehr Suchtpotenzial bietet als eine Pferdewette.

Der Heidelberger Professor kritisiert zahlreiche weitere Punkte. Dazu gehören die staatlichen Pläne, künftig selbst (wieder) Lotto und Spielbankangebote online anzubieten. Das sei gerade kein geeigneter Schritt, um die angeblich so gefährdeten Deutschen vor Glücksspiel zu schützen.

Europarechtlich hält der Gutachter die Pläne für nicht vereinbar mit der garantierten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Auf nationaler Ebene sei die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit nicht nur strapaziert, sondern faktisch außer Kraft gesetzt.

Die geplante weitere Abschottung der Deutschen vom Glücksspiel birgt also auch abseits der geplanten Netzsperren juristische Sprengkraft.

Anzeichen für ein Einlenken der Politik gibt es nicht. Die Ministerpräsidenten, so wird gemunkelt, sollen die Verabschiedung des Glücksspielstaatsvertrages bewusst auf den Oktober verschoben haben. Bis zum Jahresende muss wegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nämlich eine Neuregelung her. Bei einer möglichst späten Verabschiedung wäre der Zeitdruck in den Länderparlamenten, die alle zustimmen müssen, viel größer. Somit dürften die Chancen steigen, dass Kritiker gar nicht erst gehört und das Gesetz einfach durchgewunken wird.

Das komplette Gutachten von Prof. Dr. Bernd Grzeszick (PDF)

Eine höhere Ebene des Wahnsinns

Bei manchen Meldungen zieht es einem wirklich die Schuhe aus. Verbraucherministerin Aigner soll jetzt damit liebäugeln, das deutsche Abmahnwesen auf eine höhere Ebene des Wahnsinns zu katapultieren – ausgerechnet im Interesse des Datenschutzes. Konkret: Werbekunden sollen künftig für Reklame abgemahnt werden können, bloß weil diese auf sozialen Netzwerken oder anderen Internetseiten erscheint, die ihrerseits nicht 100 % mit dem deutschen Datenschutzrecht kompatibel sind.

Gegenüber Christian Stöcker von Spiegel online hat ein Ministeriumssprecher bestätigt, man hoffe auf eine “disziplinierende Wirkung”, indem man die werbetreibende Wirtschaft indirekt für Datenschutzverstöße der Plattformen zur Verantwortung zieht und ihrer Konkurrenz die Möglichkeit zur (kostenpflichtigen) Abmahnung gibt.

Stöcker beschreibt anschaulich die wirtschaftlichen Auswirkungen:

Der Web-Werbemarkt würde sich potentiell in ein Minenfeld für deutsche Werbetreibende verwandeln – denn allzu oft ist nicht sicherzustellen, dass auch alles, was auf einer internationalen Plattform passiert, wirklich deutschen Datenschutzstandards entspricht.

Da nicht anzunehmen ist, dass die Welt am deutschen Wesen genesen wird, wäre also die deutsche Wirtschaft mehrfach gestraft. Onlinewerbung wäre für sie nicht nur im Inland riskant, sondern weltweit. Jedenfalls so lange, wie Facebook & Co. nicht Frau Aigner zu liebe eine abgeschottete Deutschland-Ausgabe eröffnet. Womit natürlich ebenso wenig zu rechnen ist.

Gut möglich, dass so eine Idee deutsche Firmen, die auf Onlinewerbung angewiesen sind oder nicht ohne sie auskommen möchten, komplett aus Deutschland vergrault. Schon allein der Gedanke, für die – ohnehin in vielen Fällen fraglichen – Datenschutzfehler Dritter ohne eigenes Verschulden als Prügelknabe herhalten zu müssen, würde mich als Unternehmer mehr als zornig machen.

Während also Unternehmen abwandern, bliebe uns ein neues Segment auf dem boomenden Abmahnmarkt. Das  offensichtliche finanzielle Potential dürfte Frau Aigner in einschlägigen Kreisen schlagartig viele neue Freunde bescheren. Die sehen auch gerne darüber hinweg, dass die Politik mal wieder nur eigene Hilflosigkeit und ihr Unvermögen auf andere abwälzt.

Der Rest sollte das aber nicht tun und dieser Ministerin die rote Karte zeigen. Es könnte irgendwann nämlich auch um den eigenen Arbeitsplatz gehen. 

Gegen den gläsernen Internetnutzer

In der Diskussion um die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nun einen Gesetzentwurf vorgelegt. Einzelheiten sind zwar noch nicht bekannt, aber offensichtlich rücken die Liberalen von ihrem grundsätzlichen Nein gegen eine flächendeckende Speicherung von Kommunikationsdaten ab.

Ich habe deshalb, wie viele andere auch, einen offenen Brief an die FDP-Bundestagsabgeordneten unterzeichnet mit der Bitte, bei der alten Linie zu bleiben. Kernaussagen des Schreibens:

1. IP-Adressenspeicherung schafft den gläsernen Internetnutzer

2. Strafverfolgung funktioniert auch ohne Vorratsdatenspeicherung

3. IP-Vorratsdatenspeicherung ist schädlich für Deutschland

4. Vorratsdatenspeicherung hilft nicht bei der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs

5. Das Netz braucht keine Verbote, sondern intelligente Regelungsansätze

Der Brief ist hier veröffentlicht.

ebay: Diebstahl rechtfertigt Auktionsabbruch

Vorzeitig abgebrochene Auktionen auf ebay sind ein ständiges Ärgernis. Immer wieder kommt es dann zum Streit darüber, ob der Höchsbietende Käufer geworden ist und die Ware beziehungsweise Schadensersatz verlangen kann. Der Bundesgerichtshof musste jetzt diese Frage jetzt für den Fall klären, dass die Kaufsache dem Anbieter vor Ende der Auktion gestohlen wird.

So war der Ausgangsfall:

Der Beklagte stellte am 23. August 2009 eine gebrauchte Digitalkamera nebst Zubehör bei eBay für sieben Tage zur Auktion ein. Am folgenden Tag beendete er das Angebot vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 70,00 € der Höchstbietende. Er fordert vom Beklagten Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem von ihm behaupteten Verkehrswert (1.142,96 €) der Kamera nebst Zubehör. Der Beklagte beruft sich darauf, die Kamera sei ihm am Nachmittag des 24. August 2009 gestohlen worden.

Entscheidend für den Fall ist, wie man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay auslegt. In § 10 Abs. 1 heißt es:

Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.

Ergänzend wird in den ebay-Hinweisen als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung auch der Verlust des angebotenen Artikels genannt.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der Diebstahl der Ware ein “gesetzlicher” Grund, um von der Auktion zurückzutreten. Diese Formulierung verweise nicht lediglich auf die gesetzlichen Bestimmungen, sondern allgemein auf die gültigen “Spielregeln” für ebay-Auktionen, so weit sie für alle Kunden der Plattform erkennbar seien. In den Hinweisen sei der Verlust ausdrücklich genannt. Unter Verlust sei auch der “Diebstahl” zu verstehen.

Das klingt natürlich nach einem großartigen Schlupfloch für alle Anbieter, die mit dem Verlauf einer Auktion nicht zufrieden sind. Allerdings hat der Kläger im entschiedenen Fall nicht bestritten, dass die Kamera tatsächlich gestohlen wurde. Wer dies in anderen Fällen behauptet, wird den Diebstahl möglicherweise beweisen müssen. Wer noch dazu allzu oft mit dieser Erklärung kommt, wird früher oder später auf jeden Fall Probleme bekommen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Juni 2011 – VIII ZR 305/10

Mann mit Prinzipien

Dem Anwalt des Klägers war ein Lapsus unterlaufen. Er hatte zwar, wie üblich, Zinsen für die Klageforderung geltend gemacht. Aber leider hatte er nicht geschrieben, ab wann er Zinsen möchte. In der mündlichen Verhandlung fragte die Richterin heute:

Und ab wann verlangen Sie Zinsen?

Diese Frage ließ den Kläger, der bislang friedlich neben seinem Anwalt stand, aufschrecken.

Zinsen? Das geht nicht. Das will ich nicht. Das verbietet meine Religion.

Sein Anwalt erklärte ihm, dass Klageforderungen in Deutschland verzinst werden. Bei der Summe, um die es gehe, könne da am Ende ein schöner Batzen zusammen kommen. Doch der Kläger erwies sich als Mann mit Prinzipien. Er werde seine Religion nicht wegen ein paar Euro verraten, sagte er.

Sein Anwalt ließ auftragsgemäß den Antrag auf Zinsen weg. Damit hatte sich die Frage der Richterin erledigt, wenn auch auf überraschende Art und Weise.

kino.to offline

Unseren täglichen Gratisfilm gib uns heute – mit kino.to war das für viele Internetnutzer eines Selbstverständlichkeit. Doch damit scheint vorläufig Schluss zu sein, denn die Seite zeigt seit heute nur noch – Achtung, der Link führt zu kino.to – folgenden Inhalt:

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Startseite von kino.to

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat in einer groß angelegten Aktion die vermuteten Hintermänner von kino.to festnehmen lassen. Insgesamt, berichtet Spiegel online, sollen 13 Personen in Haft genommen worden sein, davon 12 in Deutschland, eine in Spanien. Ein Verdächtiger werde noch mit Haftbefehl gesucht.

Mit kino.to sollen siebenstellige Gewinne erzielt worden sein.

Vom letzten Satz auf der neu designten Startseite von kino.to sollten sich Nutzer der Seite nicht zu sehr verängstigen lassen. Es ist keineswegs ausgemacht, dass das bloße Betrachten von Streams, wie sie kino.to angeboten hat, eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Es fehlt nämlich an der notwendigen Vervielfältigung des Films, da auf dem Rechner des Nutzers keine Kopie gespeichert wird.

Wenn die Polizei also tatsächlich meinen sollte, die einfache Nutzer von kino.to belangen zu können, begäbe sie sich auf ziemlich glattes Parkett.

 

Verpixelungsgebot schwächer als Pressefreiheit

Strafrichter haben nicht die Möglichkeit, die Pressefreiheit zu beschränken. Das ist die Lehre aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs, welcher der Bild-Zeitung einen späten Sieg beschert. Die Zeitung hatte Fotos eines mittlerweile veuurteilten Terrorhelfers aus dem Gerichtssaal unverpixelt abgedruckt – obwohl das Gericht die Aufnahmen nur unter der Bedingung gestattet hatte, dass das Gesicht des Angeklagten bei einer Veröffentlichtung verpixelt wird.

Bild hielt sich nicht hieran. Der mittlerweile zu sieben Jahren Haft Verurteilte klagte und bekam in den ersten beiden Instanzen recht. Der Bundesgerichtshof hatte nun keine Probleme mehr mit den Bildern. Die Richter kommen zu dem Ergebnis, der Terrorprozess sei ein wichtiges Ereignis gewesen. Der Angeklagte habe die Veröffentlichung deshalb hinnehmen müssen.

Auf die “sitzungspolizeiliche” Anordnung des Vorsitzenden geben die Karlsruher Richter nichts. Der Richter habe keine gesetzlichen Möglichkeiten, die Pressefreiheit über das zulässige Maß einzuschränken. Deshalb habe sich Bild nicht an die Anordnung halten müssen.

Dem Angeklagten geben die Richter den nachträglichen Hinweis, er hätte vor der Verhandlung ja sein Gesicht verbergen können. Das hat er vermutlich nicht getan, weil er das Pixelgebot des Gerichts für wirksam hielt.

Immerhin weiß man nun in der Zukunft, woran man in solchen Verfahren ist. Also lieber Baseballcap und einen Schal bereithalten. Viele Verteidiger haben solche Utensilien übrigens stets im Kofferraum…

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs

Richter parkt bequem im Halteverbot

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Alle? Der Düsseldorfer Richter Lutz B. ist schon ein besonderer Mensch. Wenn der 63-jährige aus dem heimischen Wegberg nach Düsseldorf gefahren ist und seinen Arbeitsplatz erreicht hat, parkte er seinen schwarzen Mercedes stundenlang im absoluten Halteverbot – direkt an seinem Arbeitsplatz, dem Oberlandesgericht.

Der Vorsitzende des 3. Strafsenats könnte sein Auto genauso gut auf einen der 77 Stelllpätze in der Tiefgarage des Gerichts bugsieren. So wie es andere Justizbedienste auch machen. Die Dienstparkplätze sind kostenlos.  Doch B., der sich schon einen Namen als „Rasender Richter“ und „Richter Bleifuß“ gemacht hat, nimmt wieder mal ein Sonderrecht in Anspruch. Er hat sich beim Ordnungsamt der Stadtverwaltung Düsseldorf eine Ausnahmegenehmigung besorgt. Sie gilt für die Gegend um das Oberlandesgericht, eine vielbesuchte Zone, in der tagsüber nur schwer Parkplätze zu finden sind. Die Genehmigung liegt hinter der Windschutzscheibe von B.s Wagen. Sie schützt ihn zuverlässig vor teuren Knöllchen, selbst im Halteverbot.

 

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Richterauto im absoluten Halteverbot. (Foto: pbd)

Es ist nicht die erste Vergünstigung, die sich der Senatspräsident in eigener Sache verschafft hat. B. hatte, wie berichtet, per Beschluss einen Autofahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung rechtskräftig freigesprochen. In diesen Beschluss flocht er aber eine Klausel ein, die helfen konnte, seine eigenen Temposünden entfallen zu lassen.  Motto: Ihr Richter bei den unteren Instanzen, beachtet meine Rechtsauffassung gefälligst bei meinen Taten!

Aus dieser Verfehlung zog Anne-José Paulsen seinerzeit die Konsequenzen. Die verärgerte OLG-Präsidenten ließ ihrem Kollegen per Präsidialentscheidung die Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten entziehen.

Da ahnte Paulsen jedoch noch nichts von einem anderen Trick. Vor gut einem halben Jahr sollte sich B. vor dem Amtsgericht Erkelenz verantworten, weil er mal wieder zu schnell gefahren war und deshalb ein einmonatiges Fahrverbot kassierte. Doch der OLG-Senatspräsident verhöhnte den Amtsrichter. Dem ließ er – nach vergeblichen Ausflüchten zur Verlegung des Termins – ein ärztliches Attest zukommen. „Verhandlungsunfähig krank“ sei B., so hieß es. Am Verhandlungstag wurde B. jedoch munter im Düsseldorfer OLG beobachtet.

Überrascht zeigte sich die OLG-Präsidenten auch über die Tatsache, dass ihr Kollege unbehelligt sein Auto im absoluten Halteverbot parkt: „Das wusste ich nicht“, sagt sie und betont: „Es bestehen keine dienstlichen Gründe, Herrn B. eine Ausnahmegenehmigung zum Parken im Halteverbot ‚im Umfeld des OLG’ zu erteilen.”

Warum das Düsseldorfer Ordnungsamt dieses Sonderrecht, mit dem es sonst äußerst zurückhaltend umgeht, ausgerechnet dem Richter genehmigt hat, mochte die Stadtverwaltung Düsseldorf nicht offenbaren. Sie verweigert bislang nähere  Auskunft. Auch B., zu seinen Motiven gefragt, mag sich nicht äußern.

Von der Stadt war lediglich zu erfahren, dass B. die Sondererlaubnis nun zurückgeben wird beziehungsweise dies schon getan hat. (pbd.)

Berliner Richter haben Schwarzfahrer satt

Schwarzfahren – Straftat oder Kavaliersdelikt? Berliner Richter stehen jedenfalls vor einem Berg von Verfahren gegen Schwarzfahrer. Bis zu jeder dritte Prozess gegen Erwachsene soll sich in der Hauptstadt um dieses Delikt drehen, bei Jugendlichen jeder Fünfte. Einige Richter wollen jetzt die Notbremse ziehen. Sie fordern nach einem Bericht des Tagesspiegel, Schwarzfahren nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und Hartz-IV-Empfänger kostenlos fahren zu lassen.

Wäre Schwarzfahren kein Fall mehr für die Strafgerichte, würde das nach Auffassung eines Richters “unglaubliche Kräfte freisetzen”. Derzeit seien viele Ressourcen mit der Verfolgung von Ticketsündern gebunden. Das gilt auch für die Gefängnisse. Schon länger ist bekannt, dass in der Berliner Justizvollzugsanstalt Plötzensee ein Drittel der Gefangenen wegen Schwarzfahrens einsitzt. Das kostet den Steuerzahler laut Tagesspiegel rund 80 Euro pro Tag.

Mutig finde ich den Vergleich des erwähnten Richters, wonach Schwarzfahren auch nichts anderes ist, als wenn ein Autofahrer sein Auto parkt und keinen Parkschein zieht. Jedenfalls führt das zum Kern der Frage, der schon seit jeher diskutiert wird: Wieso sorgt der Staat für “Abschreckung”, bloß damit Verkehrsbetriebe weitgehend auf Eingangskontrollen in den Bahnhöfen oder sonstige effektive Ticketsysteme verzichten können?

Diese offensichtlich gewollte Quersubvention stellt Juristen seit jeher vor Probleme. Der Straftatbestand selbst sah so was nämlich gar nicht vor. Er heißt  “Erschleichen von Leistungen”. Dass heute jeder Fahrgast einfach so in Busse und Bahnen einsteigen und mitfahren kann, passt schon nicht zum Begriff des Erschleichens. Denn dieser hat mit Tricksen, Tarnen und Täuschen zu tun. Generationen von Richtern haben sich damit beholfen, dieses Erfordernis auszuhebeln. Sie gingen und gehen nach meiner Meinung über die Grenze des Wortlauts hinaus, indem sie postulieren, es genüge für ein Erschleichen auch, wenn sich jemand “den Anschein des Ordnungsgemäßen” gebe.

Man müsste sich eigentlich nur darauf besinnen, dem Gesetz die gewollte Bedeutung zuzugestehen. Schwarzfahren wäre dann nur möglich, wenn jemand funktionierende Kontrollen aktiv umgeht. In Zeiten der “Near Field Communication” müssten das ja auch keine Drehkreuze mehr sein.

Der Ball läge dann im Spielfeld der Verkehrsbetriebe. Und die Justiz hätte mehr Zeit, sich um die wirklich wichtigen Fälle zu kümmern.