Der Rotz, der unser Leben lebenswert macht

Das nenne ich mal einen Rundumschlag:

Was ja am Ende, glaubt mensch an die Macht von Sprache, Texten und Diskursen u.a. dazu führt, dass Wichser wie Strauss-Kahn trotz relativ eindeutiger Beweislage wohl am Ende freigesprochen werden. Begründet wird das dann gern mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip, der Aufklärung und all dem Rotz, der von weißen europäischen Männern in mächtigen Positionen erfunden wurde, um ihren Besitzstand zu wahren und universale Menschenrechte für ihren eigenen Vorteil zu instrumentalisieren.

Diese pointierte Meinung über gewisse Prinzipien unseres Zusammenlebens steht auf dem Blog “Medienelite”. Er stammt aus der Feder von Nadine Lantzsch. Laut ihrer Vita ist sie gelernte Journalistin und war bisher unter anderem beim Tagesspiegel tätig. Also jetzt nicht unbedingt eine Stimme, die man einfach so einfach in den Kreis “durchgeknallt” ziehen kann.

Ob sich Nadine Lantzsch schon mal gefragt hat, was die Alternative zum Rechtsstaat ist? Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur Regeln für seine Bürger erlässt und diese durchsetzt. Nein, er akzeptiert die Spielregeln auch selbst. Damit gibt er den Menschen zwar kein Glückversprechen, aber ein Anrecht auf ein faires Verfahren.

Der Gegensatz zum Rechtsstaat ist der Willkürstaat. Im Willkürstaat gibt es möglicherweise auch Regeln. Diese werden aber von denen, die das Sagen haben, außer Kraft gesetzt. Und zwar immer dann, wenn ihnen die Regeln gerade mal nicht in den Kram passen. Zum Beispiel dann, wenn sich das erhoffte Ergebnis nicht erreichen lässt.

Das ist es wohl, was die Autorin jedenfalls bei möglichen Sexualstraftaten für notwendig hält. Wenn ein Schuldspruch opportun erscheint, wird er eben herbeigeführt. Hauptsache, die materielle Gerechtigkeit siegt – auch wenn es nur wiederum eine Interessengruppe ist, die definiert, was gerecht zu sein hat. Hier wäre diese Interessengruppe wohl all jene von mächtigen weißen europäischen Männern in mächtigen Positionen sexuell ausgebeuteten Frauen – sofern ich Nadine Lantzsch in diesem Punkt richtig verstehe.

Damit verabschiedeten wir uns gesamtgesellschaftlich ins frühe Mittelalter oder noch dunklere Zeiten. Passenderweise wären dann ja auch die von der Autorin erwähnten universalen Menschenrechte obsolet. Dass sexuelle Gewalt gegen Frauen in diesem neuen Kosmos ein geringeres Problem wäre – diesen Beweis bleibt uns Nadine Lantzsch trotz ihrer vielen Worte allerdings schuldig.

Geschichte und Gegenwart belegen im übrigen das Gegenteil.

Nachtrag 1: Die Autorin nimmt Stellung

Nachtrag 2: Andreas Zielcke schreibt in der SZ zum Thema