Was beim Notar so rumhängt

Im Journalismus beobachte ich zunehmend ein Stille-Post-Syndrom. Da immer schneller und immer billiger produziert wird, schreibt einer vom anderen ab, auf die Quelle schaut kaum noch einer. Sollte irgendjemand in der Kette einen Fehler gemacht haben, wird daraus irgendwann eine fast unkorrigierbare Legende.

Ein schönes Beispiel dafür ist die zu Ausbildungsbeginn im September immer wieder gerne geschriebene Behauptung, Auszubildende hätten gar keinen Schutz bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente, weil man dafür erst mal fünf Jahre Wartezeit hinter sich bringen muss. Das ist Unfug, wird aber nicht nur von Journalisten, sondern auch von den Werbetextern der Versicherungswirtschaft jedes Jahr erneut verbreitet.

Ein anderes Beispiel aus dieser Woche: Einem Praktikanten hatte ich einen Text als Themenidee geschickt: Worauf man beim Grundstückskauf achten muss. Gefunden hatte ich den Text in dem Immobilienportal eines honorigen Verlages. Er basierte auf einer Pressemitteilung des „Bauherrenschutzbundes“. In dem Artikel hieß es unter anderem:

Bevor der Vertrag für den Grundstückskauf beim Beurkundungstermin vom Notar unterzeichnet wird, muss er mindestens zwei Wochen lang ausgehängt werden. Das schreibt das Beurkundungsgesetz vor.

Der Praktikant hat das moderne Medienwesen schon adapiert und machte, ohne einen Blick ins Beurkundungsgesetz zu werfen, daraus:

Das Beurkundungsgesetz besagt, dass der Grundstückskaufvertrag vor der Unterzeichnung beim Notar vierzehn Tage lang auszuhängen ist.

Beinahe hätte ich den Praktikanten-Text mit dieser Passage so durchgewunken. Aber dann fragte ich mich: Wo ist eigentlich der Schaukasten beim Notar? Muss der Käufer wirklich daran vorbeilaufen, um den Vertragsentwurf zu sehen?

Ein Blick ins Gesetz hilft meistens weiter. Paragraph 17, Absatz 2 a des Beurkundungsgesetzes regelt, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhalten soll, „sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen“. Das geschieht „im Regelfall dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird“.

Von Aushängen ist da nicht die Rede – es dürfte auch eine schlichte Mail reichen.
Aber wie ist denn das mit dem Aushang entstanden? Ein Blick in die Original-Pressemitteilung:

Entsprechend dem Beurkundungsgesetz muss der Entwurf des notariellen Kaufvertrages mindestens zwei Wochen vor dem Beurkundungstermin ausgehändigt werden.

Aushändigen und Aushängen – klingt ja auch wirklich ähnlich.