Gemeinschädliche Delikte

Ein Polizeibeamter ordnet die erkennungsdienstliche Behandlung (Fotos, Fingerabdrücke) meines Mandanten an, weil in dessen Wohnung ein paar Gramm weißes Pulver gefunden wurde (die Analyse, um was es sich handelt, steht noch aus). Begründung für die Maßnahme:

Das Interesse der Allgemeinheit an umgehender Aufklärung gemeinschädlicher Delikte ist regelmäßig höher zu bewerten als die Grundrechtseingriffe durch Anfertigen und Aufbewahren des erkennungsdienstlichen Materials. … Die personenbezogenen Daten sind ausschließlich zum polizeiinternen Gebrauch bestimmt.

Letzteres ist schon mal falsch. Die Daten fließen bei Bedarf in Ermittlungsakten ein und werden dann bei der Staatsanwaltschaft und Gerichten genutzt. Die Justiz ist aber nicht die Polizei. Im Wege der Akteneinsicht können überdies Geschädigte an die Informationen kommen.

Außerdem können Daten an normale Ordnungsbehörden übermittelt werden, wenn diese in Bußgeldsachen tätig sind. Im Rahmen der Rechtshilfe dürfen die Daten auch ausländischen Behörden zur Verfügung gestellt werden. Letztlich gibt es in begrenztem Umfang die Möglichkeit, personenbezogene Daten für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen.

So viel zu “ausschließlich polizeintern”. 

Der erste Satz der Begründung klingt sehr danach, als wäre es am sinnvollsten, wenn direkt jedermanns Fotos und Fingerabdrücke in den Polizeicomputer wandern. Vielleicht sollte das gleich mal jemand auf die Agenda setzen.   

NRW beobachtet Rockergruppen höchst sorgsam

Die Schnittstelle im Kampf der kriminellen Rockerbanden in Nordrhein-Westfalen ist Duisburg. Die Bandidos beanspruchen einen Großteils des Ruhrgebiets für sich, die Hells Angels betrachten das Rheinland als ihr Gebiet. In diesem oft brutalen Gefecht, so weiß die Polizei, geht es um „territoriale Ansprüche“ speziell im Raum Duisburg.

Dort sind zunächst „einzelne Mitglieder“ beider Motorradgruppen durch Gewalt- und Waffendelikte aufgefallen. Inzwischen soll durch Angehörige der Bandidos, die auch im benachbarten Mülheim und Oberhausen bis nach Essen ihre Clubhäuser haben, der Handel mit Rauschgift dazu gekommen sein.

Das ergibt sich aus einer Antwort des Innenministers Ralf Jäger (SPD) auf eine Kleine Anfrage des Düsseldorfer CDU-Landtagsabgeordneten Olaf Lehne. Der bekam jetzt zu lesen, dass es von deutschlandweit 51 Ortsgruppen („Charter“) der Hells Angels neun in Nordrhein-Westfalen gibt. Von den 71 deutschen Verbänden („Chapter“) der Bandidos sind es in NRW momentan 25.

Sie alle stehen laut Innenministerium „durch einen umfassenden Nachrichtenaustausch“ aller Behörden unter Beobachtung der Polizei. Speziell dazu ist beim Landeskriminalamt das „Projekt 124“ geschaffen worden, das angeblich auf nationaler wie auf internationaler Ebene jeweils neue Informationen gewährleistet.

Daraus wird erstmals deutlich, dass aus den Reihen der etwa 250 Hells Angels-„Vollmitglieder“ und den 400 festen Angehörigen der Bandidos auch „Leitungsfunktionen“ ausgerechnet in Sicherheitsfirmen besetzt werden. Einen Zusammenhang zwischen solchen Chefpositionen einerseits und andererseits von Straftaten der Sicherheitsleute gibt es nach Angaben der Landesregierung aber bislang nicht.

Außerdem wird eine weitere Verquickung klar: Die Angehörigen der Rockerbanden beschäftigen sich laut Antwort Jägers „in unterschiedlichsten Funktionen“ an legalen Betrieben. Dazu gehört das Bewachungsgewerbe, das Management von Veranstaltungen, selbst die Verwaltung von Grundstücken und anderen Immobilien. An Gaststätten sind Bandidos und Hells Angels ebenso beteiligt wie am Motorradhandel, Videotheken und dem Computerservice.

Den Behörden sind offenbar per Gesetz die Hände gebunden: Sie dürfen alle diese Beteiligungen nicht einmal dem Landesparlament nennen.

Sorgen machen den Ermittlern auch Neugründungen beider Banden mit „neuen Gebietsansprüchen“. Ob die Bandidos und die Hells Angels sich womöglich inzwischen verbindlich ihre Betätigungsfelder, besondere kriminelle Aktivitäten oder eben Bezirke aufgeteilt haben? Dazu liegen, so heißt es in dem achtseitigen Papier, „der Polizei bislang keine Erkenntnisse vor“. (pbd)

Falsch, aber doch richtig

Wegen einer Bewährungsstrafe hatte mein Mandant seinen Arbeitsplatz verloren. Er war entsprechend froh, dass er nach längerer Suche wieder einen Job in Aussicht hatte. Zumal er von Anfang an ehrlich zum neuen Arbeitgeber war und die Vorstrafe nicht verschwieg.

Die Personalabteilung bei der neuen Firma wollte natürlich Näheres wissen. Immerhin konnte mein Mandant damit punkten, dass er nicht mal Bewährungsauflagen erhalten hatte. Selbst ein Bewährungshelfer war ihm nicht zur Seite gestellt worden.

Auf ein Führungszeugnis verzichtete der neue Arbeitgeber freilich nicht. Mein Mandant forderte das Führungszeugnis frohgemut an und staunte nicht schlecht. In dem Dokument stand nach einer korrekten Auflistung seiner Taten:

Bewährungshelfer bestellt.

Mein Mandant schrieb darauf hin ans Bundesamt der Justiz in Bonn, wo das Bundeszentralregister geführt wird. Er bat höflich um Berichtigung und um Übersendung eines korrekten Führungszeugnisses. Für das erste Zeugnis, mit der jetzt nichts anfangen konnte, hatte er ja immerhin die offizielle Gebühr von 13 Euro berappt.

Doch statt eines berichtigten Führungszeugnisses erhielt mein Mandant einen Brief. Darin heißt es:

Nach Rückfrage bei der Staatsanwaltschaft B. wurde der Vermerk “Bewährungshelfer bestellt” aus dem Datensatz entfernt.

Das Führungszeugnis, darauf legt die Behörde wert, sei aber auch in der früheren Fassung völlig korrekt gewesen:

Das das Bundesamt für Justiz … lediglich eine Registerbehörde ist und für die Richtigkeit der Mitteilungen die jeweiligen Stellen verantwortlich sind, war das Führungszeugnis vom 17. Januar 2012 nach dem Inhalt des Registers richtig mitgeteilt.

Gut zu wissen, aber nun kommt das Amt zum eigentlichen Kern der Sache. Das berichtigte Zeugnis könne nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden, denn es sei – zusammengefasst – zwar falsch, aber irgendwie trotzdem richtig gewesen sei. Siehe oben.

Deshalb verweist das Bundesamt für Justiz meinen Mandanten nun darauf, beim Meldeamt seiner Stadt ein neues Führungszeugnis zu beantragen. Selbstverständlich müsse er dann auch wieder die Gebühr von 13 Euro bezahlen.

Vielleicht könnte sich mein Mandant das Geld von der Staatsanwaltschaft B. wiederholen. Allerdings hat er gar keine Lust, sich jetzt auch noch deren Ausreden zu Gemüte zu führen.

Strafrichter müssen Sozialrecht können

Ein Strafrichter darf sich nicht einfach darauf verlassen, dass die Bescheide der Agentur für Arbeit richtig sind. Vielmehr muss er nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm selbst ausrechnen, ob ein Angeklagter wirklich zu Unrecht Unterstützung bezogen hat und wie hoch der Schaden ist.

Das Amtsgericht Gelsenkirchen hatte einen Angeklagten zu vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Dieser habe pflichtwidrig eine neue Arbeitsstelle nicht angezeigt und so 1.188,88 Euro Arbeitslosengeld bezogen, die ihm nicht zustanden. Die Urteilsbegründung bezog sich lediglich darauf, die Agentur für Arbeit habe diese Schadenssume in einem Bescheid festgestellt, gegen den der Angeklagte keine Rechtsmittel eingelegt hatte.  

Damit hat es sich der Gelsenkirchener Richter zu einfach gemacht, finden dessen Kollegen am Oberlandesgericht:

Wird einem Angeklagten vorgeworfen, staatliche Sozialleistungen betrügerisch erlangt zu haben, müssen die tatrichterlichen Entscheidungsgründe in nachvollziehbarer Weise zu erkennen geben, dass und inwieweit auf die angeblich zu Unrecht bezogenen Beträge nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen tatsächlich kein Anspruch bestand. … Eine Verurteilung nach § 263 StGB wegen betrügerisch erlangter öffentlicher Leistungen setzt regelmäßig voraus, dass der Tatrichter selbst nach den Grundsätzen der für die Leistungsbewilligung geltenden Vorschriften geprüft  hat, ob und inwieweit tatsächlich kein Anspruch auf die beantragten Leistungen bestand.

Das Urteil des Amtsgerichts genügte diesen, aber auch weiteren Ansprüchen nicht. Deshalb muss die Sache nun neu verhandelt werden.

Wer schon mal mit der Arbeitsagentur zu tun hatte, weiß: Selbst die geschulten Sachbearbeiter sind mit der Materie meist überfordert. Schwer vorstellbar, dass ein Strafrichter es tatsächlich schafft, für sich eine Schneise durch den Paragrafen- und Richtliniendschungel der Arbeitsförderung zu schlagen. Aber so sind nun halt die Vorgaben, an die sich künftig Richter zumindest im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm zu halten haben.

Interessant wird es natürlich, wenn vom Amtsgericht angestellte Berechnungen wiederum beim Oberlandesgericht zur Überprüfung landen. Dann müssen die Richter am Oberlandesgericht selbst den Bleistift spitzen und sich als Pseudoarbeitsberater bewähren. Nicht dass sie am Ende die eigenen Hürden reißen…

Beschluss / via

Hübsch verpackt

Ich begrüße es grundsätzlich sehr, wenn Ermittlungsbehörden nicht kartonweise Akten übersenden. Sondern schlanke CDs oder DVDs. Das machte jetzt auch eine Staatsanwaltschaft. Ich bekam eine CD. Diese hatte eine Polizeidienststelle im Auftrag der Staatsanwaltschaft gebrannt. 

Dass es sich um die Ermittlungsakte in einer Strafsache handelt, kann ich allerdings nur der Beschriftung entnehmen: “Akteneinsicht – 02_12”. Mit dem Lesen der Daten hat mein Computer nämlich Probleme. Warum, lässt sich schon der Ansicht des Datenträgers im Explorer entnehmen:

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Die Akten, so mutmaße ich mangels irgendeines Hinweises, sind anscheinend in ein spezielles Aktenverwaltungsprogramm verpackt. Davon gibt es, so habe ich dank Google gerade festgestellt, zwar eine Testversion. Aber für die muss ich meine Personalien angeben und zwei Bestätigungslinks anfordern. Erst dann darf ich die Software runterladen.

Einigen Testberichten habe ich außerdem entnommen, dass die Software einen ziemlich aufgeblähten Funktionsumfang hat. Es dürfte also auch noch eine gehörige Einarbeitungszeit draufgehen, bis ich das Programm bedienen kann.

Das nächste Problem wäre dann wahrscheinlich, wie sich die Daten in ein gängiges Format exportieren lassen. Immerhin will ich sie ja auch auf Notebook, Netbook und Tablet lesen können. Und das möglichst, ohne überall dieses Elo Office zu installieren. (Wobei es eine Android-Version für mein Samsung Galaxy Tab 10.1 anscheinend gar nicht gibt.)

Das Ganze würde dann auch nur so lange helfen, bis mir die nächste Behörde eine Akte schickt, die wiederum in einer anderen Software gepackt ist. Das Spiel ginge dann von vorne los.

Ich werde deshalb mal höflich fragen, ob ich die üblichen PDFs erhalten kann. Das würde vieles einfacher machen.

Behörde lässt aus Autos die Luft raus

Rabiat geht der Odenwaldkreis künftig gegen hartnäckige Schuldner vor. Wer Gewerbesteuer, Grundbesitzabgaben, Rundfunkgebühren oder andere Verwaltungsgebühren sowie Verwarnungs- und Bußgelder schuldig ist, muss seit Anfang März damit rechnen, einen „Ventilwächter“ an seinem Auto vorzufinden.

Der Ventilwächter ist eine pneumatische Wegfahrsperre, die auf die Reifenventile gesetzt wird und so der Sicherstellung des gepfändeten Fahrzeugs dient. Wird das Auto trotzdem bewegt, aktiviert sich der Ventilwächter und lässt die Luft aus dem Reifen. Je nach Geschwindigkeit ist der Reifen nach 200 bis maximal 500 Metern leer.

Damit der Plattfuß den Fahrer nicht unvorbereitet trifft, werden selbstklebende gelbe Warnzettel sowie ein rotes Pfandsiegel an Seiten- und Frontscheibe angebracht. Die Zettel weisen auf die Pfändung hin. Außerdem wird der Schuldner persönlich oder per Post darüber informiert, dass sein Auto zumindest vorläufig dem Odenwaldkreis gehört. Wer das Fahrzeug trotzdem bewegt, macht sich möglicherweise des Siegelbruchs strafbar.

Innerhalb von drei Tagen nach Installation der Ventilwächter muss sich der Eigentümer des Fahrzeugs beim zuständigen Kreisausschuss melden, sonst wird der Wagen kostenpflichtig abgeschleppt und später versteigert.

Nach Angaben der Kreisverwaltung sollen die Ventilwächter nur bei Schuldnern eingesetzt werden, die sich ihrer Zahlungspflicht besonders hartnäckig und wiederholt entziehen. Bisher hatte der Odenwaldkreis keine Autos gepfändet. Das soll sich mit den Ventilwächtern nun ändern.

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Warnzettel der Behörde: Wegfahrsperre wider Willen

(Danke an Stefan R. für den Hinweis)

Billige Abmahnungen, nicht nur für “Raubkopierer”

Schon vor Monaten kündigte die Justizministerin an, sie wolle etwas gegen den Abmahnwahn tun. Nun erklärt sie ihre Idee: Mit einem niedrigen Einheitsstreitwert will sie die erste Abmahnung billiger als 100 Euro machen. Die schon bisher existierende Deckelung im Urheberrechtsbereich hält Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für gescheitert.

Brisant an der Ankündigung dürfte sein, dass sie sich nicht nur auf das Urheberrecht bezieht. Leutheusser-Schnarrenberger kündigt im Gespräch mit dem Handelsblatt die Billigabmahnung jedenfalls auch für das “Wettbewerbsrecht” an. Wenn sie das wirklich ernst meint, wäre der Einheitsstreitwert jedenfalls weit mehr als eine Korrektur der missglückten 100-Euro-Grenze, die bislang nur für “Raubkopierer” gilt.

Das Wettbewerbsrecht umfasst ein weit größeres Spektrum, in dem heute munter abgemahnt wird. Normalerweise fangen die Preise für Abmahnungen in diesem Bereich bei 500 Euro an, pendeln im Durchschnitt zwischen 1.000 und 2.000 Euro, können aber durchaus auch bis in den fünfstelligen Bereich gehen. Würde hier tatsächlich ein Einheitsstreitwert die Kostenerstattung auf unter 100 Euro drücken, entfiele auch für wirtschaftsrechtlich orientierte Abmahnkanzleien eine ziemlich wichtige Ertragssäule.

Wir würden uns dann der Situation nähern, wie sie seit jeher in anderen Ländern gilt. Dort gilt nämlich auch im juristischen Bereich der Grundsatz, dass derjenige die Musik bezahlt, der sie bestellt. Das wäre sicher auch ein Schritt, um die Abmahnflut einzuschränken. Abmahner müssten sich dann nämlich überlegen, ob ihnen der Rechtsverstoß ihres Gegners wirklich so wichtig ist, dass sie auf eigene Kosten einen Anwalt in Stellung bringen.

Bei der Gelegenheit müsste man dann auch mal darüber nachdenken, ob ähnliches nicht auch für Klagen vor Gericht gelten soll. Jedenfalls wäre niemandem geholfen, wenn Abmahnungen künftig einfach nicht mehr ausgesprochen werden, sondern der Verletzte direkt vor Gericht zieht. Dort gilt derzeit nämlich nach wie vor das Prinzip, dass der Verlierer alle Kosten zahlt.

Kino inspiriert

Am Tatort eines Einbruchs in Wanne-Eickel überlegten Beamte sicher schon, wo sie diese Szene bereits gesehen hatten. Spätestens beim Pressesprecher der Bochumer Polizei machte es Klick. "Bang Boom Bang" heißt der Film, in den man sich versetzt fühlen konnte. In dem Streifen trennt sich ein Tresordieb bei der Arbeit einen Finger ab. Und genau dieses Bild bot sich den Einsatzkräften, die zu einem Bekleidungsgeschäft in Wanne-Eickel gerufen wurden.

Einbrecher hatten ein rückwärtiges Fenster aufgehebelt und waren ins Ladenbüro gestiegen. Dort hatten sie es auf einen schweren Tresor (1 m x 1 m) abgesehen. Der Abtransport durchs Fenster gestaltete sich aber schwierig. Bei der Aktion dürfte sich einer der Täter eine Fingerkuppe abgerissen haben. Die Fingerkuppe fanden die Polizisten am Tatort. Der Tresor war übrigens auch noch da.

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Der Tresor.

Die zuständige Bochumer Polizei sucht jetzt Zeugen. Womöglich ist sie bei ihrer Fahndung doch etwas zu sehr vom Krimikonsum berauscht. In ihrer Pressemeldung wendet sich die Polizei nämlich ausdrücklich auch an Ärzte, die jemanden mit so einer Fingerverletzung behandelt haben. Die Mediziner sollen sich beim Bochumer Polizeipräsidium als Zeugen melden. In Kinofilmen gilt die ärztliche Schweigepflicht vielleicht nicht. In Wanne-Eickel schon.

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Die Fingerkuppe. (Fotos: Polizei Bochum)

Nachtrag: Die Polizei hat den Verdächtigen anhand der Fingerkuppe identifiziert

Gericht: Hausverbote müssen nicht begründet werden

Hotels, Restaurants und Geschäfte dürfen Hausverbote erteilen, wenn ihnen die politische Überzeugung eines Kunden nicht gefällt. Der Bundesgerichtshof hat dies im Falle eines früheren NPD-Vorsitzenden entschieden. Der Politiker hatte einen Wellness-Urlaub gebucht, dann aber wegen seiner politischen Ansichten im Hotel Hausverbot erhalten.

Mit der Entscheidung stärkt der Bundesgerichtshof das Hausrecht von Geschäftsleuten mit Publikumsverkehr. Das Gericht betont nämlich, grundsätzlich dürfe jedermann frei entscheiden, wie er sein Hausrecht ausübt. Dementsprechend seien auch Hausverbote erlaubt. So ein Hausverbot muss nach Auffassung des Bundesgerichtshofs noch nicht einmal begründet werden. Dies bedeutet, dass ein Abgewiesener noch nicht einmal Auskunft verlangen kann, warum er keinen Zutritt erhält.

Allerdings geht das Hausrecht nach Auffassung der Richter nicht so weit, dass es bereits vertraglich begründete Ansprüche aushebelt. Insoweit erzielte der Politiker einen Teilerfolg. Das Hotel hatte ihm die Buchung bereits bestätigt. Hierdurch habe der Betroffene einen Anspruch auf seinen gebuchten Wellnessurlaub gehabt. Im Falle eines vertraglichen Anspruchs komme ein Hausverbot nur noch in Betracht, wenn sich der politisch missliebige Kunde dann tatsächlich daneben benimmt.

Der Bundesgerichtshof verweist ausdrücklich darauf, dass die politische Anschauung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht aufgeführt wird. Das AGG regelt Diskriminierungsverbote im Privatrecht, also zum Beispiel am Arbeitsplatz, für Bestellungen, den Zutritt zu Bus und Bahn sowie Kaufhäusern und Diskotheken. Der Gesetzgeber habe sich bewusst entschieden, die politische Überzeugung nicht aufzunehmen. Deshalb müsse es der Kläger hinnehmen, dass er benachteiligt wird. Das Hausverbot betreffe auch nur seine Freizeitgestaltung, so dass er nicht übermäßig belastet sei.

Die Entscheidung des Gerichts wirkt sich aber auch auf Hausverbote aus anderen Gründen auf. Offenbar meint der Bundesgerichtshof, nur die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Gründe sprächen gegen ein Hausverbot. Diese Gründe sind Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass alle Hausverbote, die nicht auf diese gesetzlichen Diskrimierungstatbeständen beruhen, zulässig sind.

Wenn das Verbot dann grundsätzlich noch nicht einmal begründet werden muss, wird es künftig sicher nicht einfacher, sich gegen echte Diskriminierung zu wehren.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. März 2012, Aktenzeichen V ZR 115/11

Keine Online-Werbung mit Ex-Angestellten

Arbeitgeber schmücken sich mitunter gern mit ihren (hochqualifizierten) Angestellten. Zum Beispiel auf der firmeneigenen Homepage. Was passiert aber, wenn der Arbeitnehmer ausscheidet? Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts müssen dann nicht nur Name und Foto des Mitarbeiters von der Homepage gelöscht werden. Auch die Erwähnung in einem “News Blog” der Firma, in dem die Neuanstellung vermeldet werde, ist zu entfernen.

Geklagt hatte eine Rechtsanwältin, die für drei Monate in einer Anwalts- und Steuersozietät tätig war. Mit ihrem Einverständnis wurde sie mit Arbeitsbeginn auf der Homepage vorgestellt. Außerdem meldete die Sozietät den personellen Neuzugang in ihrem News Blog. Nach ihrem Ausscheiden verlangte die Anwältin, dass alle Daten gelöscht werden. Die Arbeitgeber entfernten aber nur den Eintrag auf der Webseite, jedoch nicht im News Blog.

Auch diese Veröffentlichung greift nach Auffassung der Arbeitsrichter unzulässig in das Persönlichkeitsrecht der Anwältin ein. Das im News Blog veröffentlichte Profil habe werbenden Charakter. Bewusst würden durch Foto und Text die individuelle Persönlichkeit und die berufliche Qualifikation der Klägerin herausgestellt. Es entstehe der unzutreffende Eindruck, die Anwältin arbeite nach wie vor in der Sozietät. Dies führe unmittelbar zu Wettbewerbsnachteilen der Anwältin in ihrer Position als Rechtsanwältin.

Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte damit eine einstweilige Verfügung gegen die Sozietät.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2012, Aktenzeichen 19 Sa Ga 1480/11

Auch chinesische Anwälte sind bockig

Besuchergruppen im Gerichtssaal sind normalerweise ein Grauen für Verteidiger. Meist handelt es sich um Schulklassen. Man darf schon sagen, dass nicht wenige Richter und Staatsanwälte bei jugendlichen Zuschauern innerlich wie äußerlich Haltung annehmen und einen verschärften Kurs fahren. Schließlich soll die junge Generation ja nicht den Eindruck kriegen, dass die Justiz Angeklagte nur im Weichspülgang behandelt.

Heute blieb es am Amtsgericht jedoch nicht dabei, dass eine größere Schulklasse im Zuschauerraum Platz nahm. Nein, kurzfristig stellte sich dann auch noch heraus, dass uns eine rund 25-köpfige Delegation aus China beehren würde. Und zwar nicht irgendwer, sondern allesamt Richter aus dem Reich der Mitte. Die Juristen schauen sich gerade auf offizielle Einladung hin in der nordrhein-westfälischen Justiz um und sollen auch einen Eindruck bekommen, wie Strafverfahren in Deutschland ablaufen.

Wir mussten sogar in einen größeren Saal umziehen. Selbst dort war der Zuschauerraum vollgepackt, als die Verhandlung begann. Die Gäste aus China saßen freundlich und aufmerksam in den ersten drei Reihen, die Schüler dahinter.

Anfänglich gab es einige Scharmützel zwischen dem Richter und mir, die allerdings nur die Schüler belustigten. Das wollte ich dann doch mal hinterfragen. Ich nutzte eine Verhandlungspause und kam mit zweien der Juristen ins Gespräch. Englisch ging, deutsch sprachen die beiden aber nicht, ich wiederum kein Chinesisch. Auch die anderen Mitglieder der Delegation sprechen nicht deutsch, wie mir die beiden verrieten.

Auch in China seien Anwälte mitunter bockig, lachte einer der Gesprächspartner. Ich hätte das Thema natürlich gern vertieft, aber leider mussten wir zurück in den Gerichtssaal.

Zwischen Tür und Angel drückte ich den Gästen noch meine Hochachtung aus, dass sie trotz der Sprachprobleme so aufmerksam lauschten. Dabei erwähnte ich auch, dass das Gericht leider nur in deutscher Sprache verhandeln darf, weil unser Gesetz das so vorschreibt. Ich weiß nicht, ob es den Richtern schon vorher klar war, dass wir nicht auf mal Englisch hätten switchen können, selbst wenn das jemand im Gerichtssaal erwogen hätte.  

Interessant war, dass der Delegationsleiter dem Richter ein Gastgeschenk ins Beratungszimmer brachte. Der Staatsanwalt und ich dachten im gleichen Augenblick natürlich an die Causa Wulff. Ein kleines gemeinsames juristisches Brainstorming ergab, dass die Gefahr einer Vorteilsgewährung schon wegen der räumlichen Distanz wohl eher gering sein dürfte.

Es sei denn natürlich, ein Delegationsmitglied schlägt in der sicher kargen Freizeit während der Dienstreise so über die Stränge, dass es ein Fall für eben diesen Strafrichter wird. Aber so viel präventives Denken wollten wir dem Delegationsleiter nicht unterstellen. Außerdem wird der deutsche Dienstherr das Gastgeschenk ohnehin genehmigt haben.

Die Richter hielten übrigens noch gut drei Stunden im Sitzungssaal aus, dann stand für sie der nächste Termin an. Die Schüler blieben noch eine ganze Zeit bis zum Urteil, das für meinen Mandanten leider eine bittere Pille war. Allerdings keine unerwartete – die Möglichkeit einer Verständigung hat heute ausnahmsweise mal mein Mandant ausgeschlagen.

Nr. 5 und Nr. 8

Ich predige immer, von den eigenen Rechten Gebrauch zu machen. Dazu gehört, nicht vorschnell mit der Polizei zu reden. An diesen Ratschlag hat sich ein Mandant gehalten, der eine kleinere Sache im Straßenverkehr angestellt haben sollte. Sein Fall ist ein schönes Beispiel dafür, dass sich der Rat auszahlen kann.

Zum Beschuldigten wurde mein Mandant, weil er Halter des Fahrzeugs ist, dessen Nummernschild sich eine Zeugin aufgeschrieben hat. Auch dem Polizisten war offensichtlich klar, dass die Tatsache, dass jemand Halter eines Autos ist, noch lange nicht belegt, dass er auch der Fahrer war. Aber immerhin, so heißt es in der Ermittlungsakte:

Da die Halterdaten in den Punkten “GESCHLECHT” und “ALTER” mit der Personenbeschreibung des Fahrers zur Tatzeit übereinstimmen, hat der Halter den Status “BESCHULDIGTER” erhalten.

Diese messerscharfe Schlussfolgerung brachte meinem Mandanten eine Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Er musste sich fotografieren lassen. Auch dabei hielt er sich an meinen Rat, kein Wort zur Sache zu sagen.

Der Zeugin wurden später Bilder von acht Personen vorgelegt. Sieben Bilder hat ein Computerprogramm generiert, Nr. 4 war mein Mandant. Die Zeugin erkannte jedoch nur Nr. 5 und Nr. 8 wieder, und auch die nur mit mageren 40 bzw. 60 Prozent. Erfreuzlich. Die Bildvorlage offensichtlich ohne sanfte Beeinflussung durch den Polizisten verlaufen; in dieser Richtung habe ich auch schon anderes erlebt.

Mit dem Ergebnis der Bildvorlage hat sich die Vermutung Halter = Fahrer zerschlagen. Der Fall wird wohl nicht aufzuklären sein. Hätte mein Mandant gleich zu Anfang mit der Polizei geredet, wäre die Sache womöglich anders ausgegangen. Zumindest, wenn er doch der Fahrer war.

Was ich allerdings auch nicht weiß.