Ausweiskontrolle vor dem Gerichtssaal

Urteile ergehen im Namen des Volkes. Gerichtsverhandlungen sind grundsätzlich öffentlich. Das Volk soll hören dürfen, wie es zu Urteilen kommt. Zur Öffentlichkeit gehört nach meiner Meinung auch, dass sich niemand für den Besuch einer Gerichtsverhandlung rechtfertigen muss. Und auch keine Sorgen zu haben braucht, dass seine Daten irgendwo gespeichert werden.

Die Wirklichkeit sieht mitunter leider anders aus. Zum Beispiel bei einem anstehenden Großverfahren. Da darf nur in den Saal, so das Gericht, “wer seine Personalien (Name, Geburtsdatum und -ort, Anschrift und Ausweisnummer) durch Fertigung von Ablichtungen des Ausweispapiers durch die Justizwachtmeisterei festhalten lässt”. Alle Besucher werden also namentlich erfasst.

Die Gerichte lassen diese Kontrollen mittlerweile zu. Allerdings meist nur unter der Bedingung, dass die Besucherdaten getrennt von den Gerichtsakten erfasst werden. Außerdem müssen sie zeitnah zum jeweiligen Sitzungstag wieder gelöscht werden. Die Erfassung dient nämlich offiziell nur dazu, eventuelle Störer zu identifizieren.

Ob die Besucherlisten tatsächlich gelöscht werden, ist eine andere Frage. Ebenso, ob Polizeidienststellen oder Geheimdiensten gestattet wird, sich vor der Löschung Kopien zu machen. Selbst wenn alles korrekt abläuft, bleibt der Umstand, dass man sich als Zuschauer ausweisen muss. Das schreckt den einen oder anderen auf jeden Fall ab. Ich bezweifle, dass man da noch von echter Öffentlichkeit sprechen kann.  

Hier mal der komplette Text einer ganz frischen “sitzungspolizeilichen Verfügung”:

Zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Hauptverhandlung gemäß § 176 GVG wird folgendes angeordnet:

1. Zum Sitzungssaal wird nur zugelassen, wer

a) sich durch einen gültigen Bundespersonalausweis, Reisepass, Führerschein, oder vergleichbare ausländische Ausweispapiere ausweisen kann,

b) seine Personalien (Name, Geburtsdatum und -ort, Anschrift und Ausweisnummer) durch Fertigung von Ablichtungen des Ausweispapiers durch die Justizwachtmeisterei festhalten lässt,

c) sich einer Durchsuchung seiner Person und der mitgebrachten Sachen
unterzieht,

d) keine der unter 2.c) genannten Gegenstände beim Betreten des Gerichtssaals mit sich führt,

e) nicht als Zeuge in der Anklageschrift/Zeugenliste benannt ist oder dessen Zeugenvernehmung abgeschlossen ist.

2.

a) Die Einlasskontrolle erfolgt vor dem Eingang des Sitzungssaales.

b) Die Durchsuchung ist durch die Justizwachtmeister und Justizwachtmeisterinnen vorzunehmen.

Die Durchsuchung geschieht elektronisch und bei Bedarf durch Abtasten über der Kleidung. Bei Trägern von Mänteln und Jacken sind zunächst diese, nach deren Ablegen ist die darunter befindlichen Oberbekleidung/Bekleidung abzutasten.

In die Untersuchung sind auch das mitgeführte Handgepäck und Akten­taschen, Damenhandtaschen und sonstige Behältnisse einzubeziehen. Männliche Besucher werden nur von Wachmeistern, weibliche nur von Wacht­meisterinnen durchsucht.

c) Die Durchsuchung richtet sich auf

– Waffen und sonstige gefährliche Gegenstände, die zur Verletzung einer Person geeignet sind,

– für Bild- und Tonaufnahmen geeignete Geräte wie Mobiltelefone und Notebooks/Laptops.

Diese Gegenstände sind vor Betreten des Sitzungssaals den Justizwachtmeistern/innen zur Verwahrung zu übergeben. Wird die Übergabe verweigert, ist der betreffende Besucher zurückzuweisen.

3. Die vorgenannten Einschränkungen gelten auch für Terminsunterbrechungen und Pausen und auch beim erneuten Betreten des Sitzungssaals.

4. Von der Einlasskontrolle, der Durchsuchung und den Einschränkungen zu 1.) sind ausgenommen:

– die Mitglieder des Gerichts, Protokollführer, Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Verteidiger und die Vertreter der Jugendgerichtshilfe,

– die sich als Polizeibeamte ausweisende -oder als solche bekannte-
Personen; diesen wird gestattet, ihre Dienstwaffen im Sitzungssaal zu
tragen.

5. in allen Zweifelsfällen ist die Entscheidung des Vorsitzenden oder seines Vertreters einzuholen.

Trotz der Liebe zum Detail verliert das Gericht kein Wort darüber, wann die Daten und Personalausweiskopien der Besucher gelöscht werden. Ein paar Worte dazu wären aber eigentlich angebracht. 

Mini-Filesharer – zum Abschuss freigegeben

Im Urheberrechtsgesetz steht es ausdrücklich drin: Internetprovider müssen nur die Namen und Adressen von Filesharern nennen, die gewerblich das Urheberrecht verletzen. Offenbar gefällt dem Bundesgerichtshof diese Regelung nicht. Deshalb setzt er sie nun kurzerhand mit einem Beschluss, der heute bekannt wurde, außer Kraft. Das Gericht gibt damit auch Menschen zum Abschuss durch die Abmahnindustrie frei, die Tauschbörsen nur minimal genutzt haben.

Die Entscheidung stellt sich nach meiner Meinung eindeutig gegen das Gesetz. Demgemäß ist sie an gewagtem Wortgeklingel kaum zu überbieten. Dennoch wird sie spürbare Konsequenzen haben. Die Rechteinhaber müssen nämlich künftig nicht mal mehr darlegen, warum der Tauschbörsennutzer aus ihrer Sicht gewerblich gehandelt hat.

Die Frage der Gewerblichkeit war schon seit Einführung des Auskunftsanspruches gegen Provider nur ein schwaches Korrektiv. Viele Gerichte nahmen gewerbsmäßiges Handeln nämlich schon an, wenn nur ein aktuelles Musikstück oder ein neuer Film getauscht wurden. Aber immerhin mehrten sich die Urteile, die sagten, dass bei Musik und Filmen außerhalb der kommerziellen Verwertungsphase (ca. 6 Monate) nicht immer ein gewerbliches Ausmaß angenommen werden könne. Deshalb wurden zunehmend Auskunftsansprüche zurückgewiesen.

Schon dieses Verständnis von “gewerblich” war fragwürdig. Es stellt nämlich auf die kommerziellen Interessen der Rechteinhaber ab. Richtig wäre es dagegen zu fragen, ob der Tauschbörsennutzer gewerblich handelt, also irgendwelchen geldwerten Vorteile erlangt.

Die Auffassung des Bundesgerichtshofs geht nun sogar noch einen Schritt weiter. Die obersten Zivilrichter lesen zwar auch, dass im fraglichen Paragrafen mehrfach von einem “gewerblichen Ausmaß” die Rede ist. Sie definieren das jedoch mit einer Auslegung weg, die ich ganz offen als grenzwertig bezeichnen möchte. Man wird jedenfalls sehr lange suchen müssen, um in anderen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs so ein Ausmaß an zweckgerichteter Rabulistik zu finden.

Dies ist umso bedenklicher, als im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich und zig-Mal erklärt wurde, was mit gewerblichem Ausmaß gemeint ist. Das müssen natürlich auch die Richter zur Kenntnis nehmen. Sie verweisen hier aber lapidar darauf, die Intention der Gesetzesverfasser – nämlich privates Filesharing nicht zu verfolgen – sei zwar dokumentiert, habe aber im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden.

Ich frage mich nur, warum dann im Gesetz mehrfach vom schon erwähnten gewerblichen Ausmaß die Rede ist, wenn man das gewerbliche Ausmaß nicht braucht. Bemerkenswert ist auch, dass die Richter es nicht mal für gesondert erwähnenswert halten, warum das gewerbliche Ausmaß ins Gesetz eingeflossen ist. Wegen des Telekommunikationsgeheimnisses! Einem Grundrecht! Der Auskunftsanspruch für die Rechteinhaber schränkt dieses Grundrecht nämlich ein, und schon deswegen war es eigentlich unbestritten, dass Bagatellverstöße nicht erfasst sein dürfen.

Statt sich mit diesen Aspekten zu beschäftigen, erklären die Zivilrichter lapidar, der Auskunftsanspruch müsse in jedem Fall zugestanden werden, weil sonst die Rechteinhaber ihre Unterlassungsansprüche gar nicht verfolgen könnten. Die Einschränkungen für die Nutzer seien dagegen vernachlässigenswert.

Dazu kann man nur sagen: Ohne die Eingrenzung auf ein gewerbliches Ausmaß hätte die Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich keinen Bestand gehabt. Immerhin ist es ja schon ein erhebliches Zugeständnis, dass ein so wichtiges Grundrecht wie das Telekommunikationsgeheimnis zu Gunsten privater wirtschaftlicher Interessen überhaupt eingeschränkt wird.

Die Entscheidung aus Karlsruhe ist wirklich ein starkes Stück. Auch weil sie zeigt, wie ein Gericht sich mit akrobatischen Gedankengängen nicht nur vom Gesetz selbst, sondern auch vom erklärten Willen des Gesetzgebers zu lösen vermag. Da kann einem wirklich schwindlig werden.

Bleibt wieder Mal nur die Hoffnung, dass man am benachbarten Bundesverfassungsgericht bodenständiger denkt, und vor allem weniger zielorientiert. Kurz gesagt: hinreichenden Respekt vor dem Gesetz zeigt. In dieser Sache ist das letzte Wort jedenfalls noch nicht gesprochen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. April 2012, Aktenzeichen I ZB 80/11

Ein einfacher Fall, sogar in München

In München hat eine Radiomoderatorin ihren Job verloren, weil sie einen unbedachten Spruch gemacht hat. An einem Samstag wandte sie sich an Zuhörer, die arbeiten mussten, und sagte: “Arbeit macht frei.” Da Hörer Anzeigen erstattet haben, ermittelt nun auch die Münchner Staatsanwaltschaft.

Der Senderchef bescheinigt der Moderatorin, sie habe sich vermutlich rein gar nichts gedacht. “Die Äußerung war raus, es war nichts mehr zu retten”, zitiert ihn die Augsburger Allgemeine. Dass der Frau trotzdem gekündigt wurde, ist nachvollziehbar. Es gehört halt zu ihrem Job, sich auch mal was zu denken. Und einen Slogan aufzugreifen, der über dem Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz hing, ist halt nun mal faktisch ein No-go.

Jedenfalls kann ich es verstehen, dass der Sender sich nicht vorwerfen lassen will, auf dem rechten Auge blind zu sein. Auch wenn offensichtlich überhaupt nichts dafür spricht, dass die Moderatorin mehr machen wollte als einen Kalauer in Richtung aller, die samstags arbeiten müssen.

Genau das sind aber die Punkte, welche die Staatsanwaltschaft München schnell zu einem eindeutigen Ergebnis kommen lassen wird. Nämlich, dass die Frau keine Volksverhetzung begangen hat.

Zunächst mal ist der Satz nicht per se verboten, im Gegensatz zu vielen nationalsozialistischen Symbolen oder auch Parolen. Auf jeden Falls fehlte der Moderatorin aber der Vorsatz, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung verächtlich zu machen oder zu verleumden. Sie hat nämlich gar nicht dran gedacht, wenn die Darstellung stimmt. Überdies hätte sie in ihrer Unbedarftheit jedenfalls nicht “böswillig” gehandelt – auch diesen Umstand fordert das Gesetz.

Das Ermittlungsverfahren wird also mit einer Einstellung enden. Das ist auch gut so, denn das Gesetz will – zu recht – die Verherrlichung des Nationalsozialismus bestrafen. Nicht aber misslungene Scherze. Oder dahergeplapperten Unsinn. 

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„Ansonsten müssten wir nämlich weiterhin dabei zusehen, wie ehemalige Punkrocker mit erhobenem Zeigefinger vor jungen Menschen stehen und etwas von Recht und Ordnung faseln, als hätten sie sich in ihrer Blütezeit erst einmal eine Arbeitsgenehmigung für ihre Gigs geholt und nicht gesoffen und gekifft, weil es in ihrem damaligen Alter schließlich verboten war“

Steuersünder: Die letzte Verwendung für die CD

Olympia-Zuschauer lächelte nicht – verhaftet

Griechenland: Jede zehnte Rente fließt in unbekannte Hände

Hat der Kripo-Beamte eine andere Strafprozessordnung?

Immendorff-Witwe führt viele Prozesse

Wir haben reserviert!

Österreich: Firma bietet mobiles Internet zum Nulltarif

Michael

Die Hinweise kamen anonym. Einmal will ein Polizeibeamter einen Tipp bekommen haben, in einem bestimmten Haus würden Drogen verkauft. Dann erschien eine Frau auf einer Polizeiwache des betreffenden Ortes. Sie bat darum, ihren Namen nicht sagen zu müssen. Was ihr großzügig gewährt wurde. Der Ex-Freund einer Freundin, sagte sie, handele mit Drogen. Dabei erwähnte sie, ein gewisser Michael im Ortsteil B. bewahre für den Dealer derzeit etwa ein halbes Kilo Marihuana auf.

Die Polizei stellte fest, dass in dem Haus, von dem der Polizist gehört hatte, ein Michael wohnt. Die Beamten entschlossen sich, mal etwas länger vor dem Haus zu parken. Klein ist das Gebäude nicht – es wohnen acht Parteien drin. Die Observation dauerte noch nicht lange, als zwei junge Männer vor die Tür kamen. Sie wurden kontrolliert. Und tatsächlich hatten doch beide einige Krümel Marihuana in den Taschen. Allerdings stritten die Betreffenden ab, in dem Haus Drogen gekauft zu haben. Aus welcher Wohnung sie kamen, wollten sie nicht sagen.

Für die Polizei ein klares Ergebnis. Sie notierte:

Die Angaben der anonymen Hinweisgeber konnten konkretisiert werden.

Ich hätte mir gewünscht, dass zumindest der Ermittlungsrichter mal über diese Feststellung nachdenkt. Was hat sich denn konkretisiert? Eigentlich nichts. Man weiß noch nicht mal, ob die beiden Männer tatsächlich bei “Michael” waren. Es gibt ja noch sieben weitere Parteien. Überdies scheinen sie ja in dem Haus gerade kein Marihuana gekauft zu haben, sondern nur ihren Eigenbedarf dabei gehabt zu haben. Jedenfalls habe ich noch nicht gehört, dass Leute bei einem Dealer Mengen erwerben, die mit Müh und Not für einen laffen Joint reichen.

Aber entweder hat der Richter das nicht gesehen. Oder sich nicht drum gekümmert. Statt die Polizei zum Nachsitzen zu verdonnern und auf belastbaren Informationen zu beharren, nickte er den Durchsuchungsbeschluss ab. Der Erfolg der Durchsuchung war, nun ja, spärlich. Die Polizisten fanden in der Wohnung keine Betäubungsmittel. Aber dafür 275 Euro. Die erklärten sie kraft kriminalistischer Erfahrung flugs zum “Dealgeld”.

Aber selbst dem Staatsanwalt, der die Durchsuchung noch beantragt hatte, war das alles dann doch zu mager. Er ordnete die Rückgabe des Geldes an. Und wir kennen ein weiteres Beispiel dafür, wie unverletzlich die Wohnung heute tatsächlich noch ist.

Plädieren ja, parken nein

Am Kölner Justizzentrum gibt es einen Parkplatz für Anwälte. Das ist sehr praktisch. Wenn man Anwalt ist. Ich bin oft in Köln und pflege deshalb traditionell ein gutes Verhältnis zu den knuffigen Herren, die bis zum späten Vormittag Aufsicht führen. Ein kleiner Plausch, aber vor allem ein Trinkgeld hier und da führen jedenfalls dazu, dass sich selbst an betriebsamen Tagen ganz hinten rechts noch eine Lücke findet. Auch wenn der Kollege mit dem verkniffenen Gesicht vorher mit höchstem Bedauern abgewiesen wurde.

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Wo Juristen parken, sind Rechtsfragen natürlich nicht weit. So berichtet mir ein Referendar, dass er jüngst nicht auf den Kölner Anwaltsparkplatz fahren durfte. Und das, obwohl er doch nachweislich als offizieller Vertreter des Rechtsanwalts zu einer Verhandlung anreiste, bei dem er sich gerade ausbilden lässt. Sogar die Untervollmacht des Anwalts ließ die Parkaufsicht unbeeindruckt.

Das ist schon interessant. Vor Gericht gilt der Referendar als vollwertiger Vertreter des Anwalts, aber für den Anwaltsparkplatz reicht sein Status nicht. Ein Wörtchen hat wohl auch der Kölner Anwaltverein mitzureden. Nach Auskunft des Parkwächters kommt es nämlich gar nicht auf die Frage an, ob Referendar oder nicht. Es dürften nämlich ohnehin nur Rechtsanwälte auf den Parkplatz, die Mitglied im Kölner Anwaltverein sind. Womit der Referendar aus dem Renne wäre.

Ich bin jedenfalls beruhigt, dass ich nach wie vor – wie vorgestern getestet – offenbar unbesehen als Mitglied des Kölner Anwaltvereins durchgehe. Und das, obwohl ich mein Düsseldorfer Autokennzeichen bei der Anfahrt nicht extra verhülle.

Nicht wägbare Menge

Der Polizei ist mal wieder ein beeindruckender Schlag gegen die Kriminalität geglückt, als sie meinen Mandanten auf der Straße anhielt. Die Ausbeute nach einer genauen Personenkontrolle sah so aus:

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Statt die Sache direkt an den Staatsanwalt zu schicken, damit der den Sack zu macht und das Verfahren einstellt, wird mein Mandant nun erst mal zu einer Vernehmung geladen. Man möchte ihn wegen “Verstoßes gegen das BtMG” befragen, obwohl er an Ort und Stelle schon Gelegenheit hatte, sich zu äußern. (Was er schlauerweise verweigert hat.)

Man kann also davon ausgehen, dass beim Aktenwälzen noch einiges an Arbeitszeit verbrannt wird. Das kostet nicht nur Steuergelder, sondern auch Ressourcen, die man bei der Polizei an anderer Stelle besser einsetzen könnte. Jedenfalls erscheint der drastisch beschworene Personalmangel doch zu einem guten Stück selbst verschuldet.

Der Tankinhalt als Schadensposten

Wer unschuldig an einem Unfall ist, kann vom Verursacher Schadensersatz verlangen. Eher unbeachtet blieb in solchen Fällen bisher der Tankinhalt des kaputten Autos. Doch in Zeiten steigender Spritpreise war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein Unfallopfer auch das Restbenzin in seinem Auto bezahlt haben wollte. Nun landete so ein Fall vor Gericht.

Und tatsächlich: Der restliche Tankinhalt ist nicht nur Geld wert, das Benzin muss bei einem Unfallschaden auch in barer Münze erstattet werden. So hat es nun das Amtsgericht Germersheim entschieden. Das Unfallopfer muss nur glaubhaft nachweisen können, wann zuletzt getankt und wie viel seitdem gefahren wurde.

In dem Prozess hatte der Kläger belegen können, dass er am Vortag des Unfalls für 70 Euro getankt hatte und seitdem nur wenige Kilometer gefahren war. Das Gericht sprach ihm deshalb die verlangten 70 Euro zu.

Amtsgericht Germersheim, Urteil vom 8. März 2012, Aktenzeichen 1 C 473/11 (zitiert nach dem ADAJUR-Newsletter)

Im Übrigen

Das Los eines Verfahrensbevollmächtigten ist mitunter schon hart. So heißt es in einem Schreiben, das ein Kollege ans Gericht richtete:

Im Übrigen musste der Verfasser des Schriftsatzes die gesamten Mails des Antragsgegners lesen, dies verursacht schwere körperliche Schäden und ist geeignet, Depressionen hervorzurufen.

  Hört sich lustig an, hat aber einen wahren Kern.

Mehr Wahlrecht für Auslandsdeutsche

Die Globalisierung macht auch vor dem Wahlrecht nicht halt. Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine Regelung gekippt, wonach im Ausland lebende Deutsche nur an einer Bundestagswahl teilnehmen dürfen, wenn sie irgendwann einmal mindestens drei Monate in Deutschland gelebt haben. Die Richter sind der Meinung, dass diese Bedingung sinnlos ist und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Geklagt hatten zwei Frauen, die 1982 in Belgien geboren wurden. Sie haben wegen ihrer Eltern zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, lebten aber seit ihrer Geburt zu keiner Zeit drei Monate in Deutschland. Das Wahlamt ließ sie deshalb für die Bundestagswahl 2009 nicht zu.

Die 3-Monats-Regel war schon in der Vergangenheit entschärft worden. Zunächst waren nur Deutsche wahlberechtigt, die in den letzten zehn Jahren drei Monate in Deutschland lebten. Dann stieg der Zeitraum auf 25 Jahre; schließlich entfiel er ganz. Nun hat es auch die 3-Monats-Vorschrift insgesamt erwischt, und zwar aus gut nachvollziehbaren Gründen.

Das Verfassungsgericht sieht zwar, dass der Gesetzgeber mit den drei Monaten eine gewisse Verbundenheit der Auslandsdeutschen zur Bundesrepublik sichern wollte. Allerdings ist das gewählte Mittel hierfür absolut untauglich. So dürfte ein heute 80-Jähriger wählen, obwohl er seit 75 Jahren in Argentinien lebt und deutschen Boden seitdem nicht mehr betreten hat. Ein 25-Jähriger könnte dagegen nicht wählen, bloß weil er seit jeher mit seinen deutschen Eltern direkt an der deutsch-holländischen Grenze wohnt – nur auf der “falschen” Seite.

Die Regelung erreicht also gerade nicht das mit ihr angestrebte Ziel und verletzt den Grundsatz der Wahlgleichheit.

Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 4. Juli 2012, Aktenzeichen 2 BvC 1/11 und 2 BvC 2/11

Kein Vier-Augenprinzip für die Verkehrspolizei

Bei der Jagd nach Geschwindigkeitssündern gilt für die Polizei kein “Vier-Augen-Prinzip”. Das hat das Oberlandesgericht Hamm in einem Beschluss deutlich gemacht. Ein Autofahrer kann demnach nicht rügen, dass bei einer Lasermessung nur ein Beamter das Messergebnis abgelesen und ins Protokoll eingetragen hat.

Lasermessungen gelten als anfällig; die Zahl der Fehlerquellen ist enorm. Das fängt bei der Frage an, ob überhaupt das angehaltene Auto anvisiert wurde. Und es hört längst nicht bei der Frage auf, was eigentlich ist, wenn der Messbeamte sich schlicht beim Ablesen vertut oder dem Autofahrer gar was Böses will und einen entsprechenden Aufschlag macht.

Ein Vier-Augen-Prinzip an der Messstelle wäre zwar kein Patentrezept, es könnte aber Bedienungsfehler und vor allem Willkür beherrschbarer machen. Dies gilt umso mehr, als der vermeintliche Temposünder ja noch nicht mal verlangen kann, dass ihm das Display mit der angezeigten Geschwindigkeit gezeigt wird. Bei einer Lasermessung ist der Betroffene in der Regel völlig den Angaben der Beamten ausgeliefert.

Selbst die fehlende vom “technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses” (O-Ton Gericht) führt aber nicht dazu, dass die Richter dem Bürger unter die Arme greifen. Sie verweisen lapidar darauf, auch beim Tempomessungen gelte der Grundsatz freier Beweiswürdigung.

Eine Vorgabe an die Polizei, Standards wie etwa in Wirtschaft, Forschung oder Medizin anzuwenden, komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich um eine “Beweisregel” für die Feststellung einer Tatsache ( = angezeigte Geschwindigkeit) handele. So was sei den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung fremd.

Man spürt bei den Ausführungen förmlich den Willen, sich nur ja nicht dem Kern des Problems zu nähern. Dass nämlich schlicht und einfach niemand kontrolliert und es sich auch später praktisch nicht feststellen lässt, ob ein Polizist Mist baut, und zwar entweder fahrlässig oder sogar vorsätzlich.

tl;dr

Autofahrer = Arschkarte

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2012, Aktenzeichen III 3 RBs 66/12 / via Heymanns Strafrecht Online Blog

Überlanges Verfahren: Klägerin kriegt Geld

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat erstmals von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, überlange Gerichtsverfahren zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg rügte eine Entscheidung, für die das Verwaltungsgericht Halle über zwei Jahre gebraucht hatte. Das sei unangemessen lang.

Eine Polizeibeamtin hatte gegen ihre Umsetzung in ein anderes Revierkommissariat geklagt. Der Prozess vor dem Verwaltungsgericht wurde erst nach über zwei Jahren beendet. Zu lange, urteilte nun das Oberverwaltungsgericht. Das Verfahren sei weder schwierig noch sonderlich komplex gewesen. Von einer angemessenen Verhandlungsdauer, wie sie das Gesetz vorschreibt, könne keine Rede mehr sein.

Die Polizeibeamtin erhält nun eine finanzielle Entschädigung. Voraussetzung ist stets, dass der Betroffene sich rechtzeitig beim Gericht über die schleppende Arbeitsweise beschwert. Wer die Verfahrensdauer nicht rügt, kann später auch keine Entschädigung verlangen.

Die Regelung selbst ist relativ neu. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte beanstandet, dass die deutsche Justiz keine praktische Handhabe gegen zu langsame Gerichte bietet. Als Reaktion auf das Urteil wurde das Gesetz entsprechend ergänzt. Die Neuregelung ist seit Ende 2011 in Kraft.

Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juli 2012, Aktenzeichen 7 KE 1/11