Machen Sie mal

Machen Sie mal. Das ist die Einstellung vieler Mandanten gegenüber ihrem Rechtsanwalt. Erst mal völlig zu recht, denn schließlich bezahlt man den Juristen ja normalerweise, damit er sich um Unangenehmes kümmert. Zu viel Vertrauen kann allerdings auch nach hinten losgehen. Das musste jetzt ein Mandant von mir erfahren. Er durfte sich mit einer Anklage wegen falscher Verdächtigung rumschlagen. Den Vorwurf hatte ihm – zumindest teilweise – ein “engagierter” Anwaltskollege eingebracht.

Es begann mit einem Verkehrsunfall. Zwei Autos stießen auf einer Landstraße zusammen. Wie es zu dem Unfall kam, war unklar. Die Unfallgegnerin behauptete, der Wagen meines Mandanten sei ihr schleudernd entgegengekommen. Aus meinem Mandanten war anfangs nicht viel rauszukriegen, denn er lag mit lebensgefährlichen Verletzungen auf der Intensivstation.

Seine Eltern besorgten ihm einen Anwalt, der auch tatsächlich im Krankenhaus vorbei kam. Der Mandant unterschrieb eine Vollmacht. Mit links und völlig krakelig. Was nicht verwundert. Laut Arztbericht war er an dem Tag kaum ansprechbar und mit Medikamenten vollgepumpt. Mein Mandant weiß nur, dass er mit dem Anwalt kurz geredet hat. Was konkret besprochen wurde, daran hat er keine Erinnerung.

Der Anwalt meldete sich gleich am nächsten Tag schriftlich bei der Staatsanwaltschaft. Er beantragte nicht nur Akteneinsicht, sondern erstattete auch Strafanzeige gegen die Unfallgegnerin. Was er als Hergang beschreibt, entspricht in weiten Passagen einem Bericht der Lokalzeitung. Wobei der Anwalt allerdings nur die Version erwähnt, die – möglicherweise – auch vom Mandanten stammte. Der meint nämlich auch heute noch, dass er nichts falsch gemacht hat, sondern das andere Auto aus der Spur geraten ist und er schlicht nicht mehr ausweichen konnte.

Die Strafverfahren wegen Verkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung wurden wechselseitig eingestellt. Die Unfallgegnerin klagte allerdings auch auf Schadensersatz. Vor dem Landgericht kriegte sie zu 100 % Recht. Auch ein Gutachter konnte zwar nicht genau sagen, was sich auf der Landstraße ereignet hat. Allerdings sortierte er die möglichen Abläufe nach Wahrscheinlichkeit. Die Darstellung der Frau kam auf den ersten Platz, und das Zivilgericht ließ sich davon überzeugen.

Das Ergebnis kam dann auch einem Staatsanwalt zu Ohren. Der erwirkte einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten, denn dieser habe die Frau mit seiner Anzeige wider besseren Wissens einer Straftat bezichtigt.

Vor Gericht konnten wir die Sache etwas gerade rücken. Zum Beispiel mit Behandlungsunterlagen aus dem Krankenhaus. Danach war mein Mandant offensichtlich an dem Tag kaum in der Lage, dem Anwalt vernünftige Angaben zu machen. Nicht mal die Unterschrift unter die Vollmacht hatte er hingekriegt. Mehr als ein Gekrakel ist auf dem Dokument nicht zu sehen.

Die Frage war jetzt natürlich, wie weit sich ein Auftraggeber Äußerungen seines Anwalts zurechnen lassen muss. Nur eingeschränkt, meinte auch der Richter. Ich wies auch darauf hin, dass sich die Gegenseite selbst auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte. Die  Gegnerin hatte nämlich Wochen später einen Augenzeugen präsentiert, der rein zufällig am Unfallort gewesen sein wollte. So stand es jedenfalls in seiner schriftlichen Aussage. Bei der Polizei gab der Zeuge aber zu, dass er gar nichts gesehen hatte. Er habe die Erklärung nur aus “versicherungstechnischen Gründen” unterschrieben – auf Wunsch des Ehemanns der Unfallgegnerin.

Da konnte sich selbst der Staatsanwalt ein Lächeln nicht verkneifen. Hier war ja wohl etwas ausgleichende Gerechtigkeit gefragt, denn gegen den falschen Zeugen war auch nicht ermittelt worden. Überdies war natürlich allen Beteiligten klar, dass jetzt noch mal hätte geklärt werden müssen, wie es zu dem Unfall gekommen ist. Dass ein Zivilgericht einen bestimmten Ablauf annimmt, ist ja nicht der letzte Schluss der Weisheit.

Da stand jede Menge Aufwand ins Haus. Von den Kosten, etwa eines neuen Gutachtens, ganz zu schweigen. Mein Mandant schilderte dann noch mal, wie er noch heute unter den Folgen des Unfalls leidet. Das Schlüsselbein ist nicht richtig geheilt, die Schulter nur eingeschränkt belastungsfähig, acht damals gebrochene Rippen schmerzen noch immer.

Was lag da näher, als einen Schlussstrich unter die mittlerweile unendliche Sache zu ziehen? Das Verfahren wurde eingestellt. Ich weiß nicht, ob mein Mandant künftig etwas genauer verfolgt, was geschieht, nachdem er die Vollmacht für einen Anwalt unterschrieben hat. Empfehlenswert wäre es nach seinen Erfahrungen auf jeden Fall.