Aurich hat keinen Bahnhof

Mit der Suche nach einem genehmen “fliegenden Gerichtsstand” kann man es auch übertreiben. Das erlebten jetzt ein Abmahnanwalt und seine Klientin. Sie fielen mit einem Prozess vor dem Landgericht Aurich auf die Nase – das Gericht hält sich für zu abgelegen und damit nicht zuständig.

Dabei hatte die Abmahnerin das Gesetz erst mal auf ihrer Seite. Sie verwies darauf, dass es  auch in Aurich Internet gibt. Deshalb sei das dortige Landgericht auf jeden Fall zuständig, um eine einstweilige Verfügung zu erlassen. Der “fliegende Gerichtsstand” ermöglicht es nämlich, bei einer Online-Geschichte (es ging um angeblich fehlerhafte Vertragsbedingungen und Widerrufsbelehrungen) an jedem beliebigen Ort zu klagen, sofern das Angebot dort abrufbar war.

Allerdings fiel auch dem Landgericht Aurich auf, dass weder die Klägerin, deren Anwalt noch die Beklagte oder deren Prozessvertreter in Aurich sitzen. Oder zumindest in der Nähe. Dem Gericht stellte sich damit die Frage, wieso ausgerechnet so weit im Norden geklagt wird.

Als einzige Erklärung blieb der offensichtliche Wunsch der Klägerin oder ihres Anwalts, die Gegenseite zu schikanieren. Das Gericht:

Daraus erschließt sich die Absicht, den Antragsgegner durch die Wahl eines im Bundesgebiet abgelegenen und von seinem Geschäftssitz verkehrsmäßig nur schwer (Aurich hat keinen Bahnhof für Personenbeförderung) zu erreichenden Gerichtsortes zu benachteiligen. Er müsste nämlich für den Widerspruch gegen eine etwaige einstweilige Verfügung entweder einen ihm unbekannten Rechtsanwalt am Gerichtsort beauftragen oder einen am Wohnort ansässigen Anwalt für die Tagesreise nach Aurich und zurück honorieren.

Vor diesem Hintergrund war die Klage unzulässig. Auch wenn andere Städte einen Bahnhof haben, könnten sie sich eine Scheibe von der Argumentation abschneiden. Immerhin stellt sich auch in anderen Fällen die berechtigte Frage, wieso ohne jeden örtlichen Bezug eines Beteiligten zum Beispiel in Hamburg, Köln oder Berlin geklagt wird.

 Landgericht Aurich, Beschluss vom 22. Januar 2013, Aktenzeichen 6 O 38/13 (5)