Eine Frage der Auslegung

Alles eine Sache der Auslegung. Niemand weiß das besser als Juristen. Bis zum Bundesgerichtshof hat es etwa die Frage geschafft, was mit der Formulierung “8 % Zinsen über dem Basiszinssatz” gemeint ist.

Der Basiszinssatz ist gesetzlich festgelegt. 

Ein Gerichtsvollzieher hatte sich geweigert, für einen Gläubiger einen Geldbetrag in voller Höhe zu vollstrecken. Der Streit drehte sich darum, wie de Formulierung “nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz” zu verstehen ist. So hatten es die Richter im Urteil festgeschrieben.

Der Gerichtsvollzieher war der Meinung, er könne beim Schuldner nur einen Zinsbetrag eintreiben, der 108 Prozent des jeweiligen Basiszinssatzes ausmacht, also nur etwas darüber liegt.

Im Gegensatz zum Gerichtsvollzieher meinte der Gläubiger, ihm stünden für den jeweiligen Zeitraum Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Diese Formulierung mit den Prozentpunkten findet sich unter anderem auch in den Regeln über den Schuldnerverzug. So schulden Privatpersonen Verzugszinsen in Höhe von  fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, bei Unternehmen sind es acht Prozentpunkte.

Der Bundesgerichtshof orientierte sich an dem, was die weitaus meisten Juristen seit jeher praktizieren:

Die Formulierung "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" wird in der prozessualen Praxis unbeschadet sprachlicher Ungenauigkeit ganz überwiegend gleichbedeutend mit der sich an der Zinsregelung in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB orientierenden Formulierung "Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz" verwandt und verstanden. Für die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" gilt im Hinblick auf die Zinsregelung in § 288 Abs. 2 BGB Entsprechendes. So ist dementsprechend auch der Zinsausspruch des Landgerichts zu verstehen.

Demnach schadet eine lässliche Formulierung, wie sie auch Gerichten mal passiert, eben nicht. Vielmehr sind regelmäßig Prozentpunkte gemeint, auch wenn es nicht ausdrückich gesagt wird.

Auch wenn es für den entschiedenen Fall erst mal keine Rolle spielt, drohen schon die nächsten Diskussionen. Der Basiszins ist zum 1. Januar 2013 erstmals in seiner Geschichte ins Minus gerutscht. Er beträgt jetzt – 0,13 Prozent. Das wirft natürlich die Frage auf, ob private Schuldner derzeit nur 4,87 % Zinsen schulden, also den gesetzlichen Verzugszins abzüglich des Basiszinses. Oder ist der gesetzliche Verzugszins ein Mindestsatz?

Die Formulierung des Gesetzes lässt beide Auslegungen zu:

Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Das kann man so verstehen, dass die Untergrenze für Zinsen der Basiszinssatz selbst ist, so dass auch bei einem negativen Basiszinssatz mindestens die erwähnten 5 % fällig werden. Dafür spricht, dass Schuldner am Ende strenggenommen sogar noch was rausbekommen müssten, sofern der negative Basiszinssatz tiefer als  – 5 %  fällt.

Dagegen spricht, dass der Basiszinssatz ja ungefähr den Marktpreis für Schulden spiegeln soll. In Hochzinsphasen sollen Schuldner mehr, in Niedrigzinsphasen weniger zahlen müssen. Natürlich sind negative Zinssätze auch nichts Unbekanntes, auch wenn diese ungewöhnliche Geldentwicklung bei Einführung des Basiszinses möglicherweise kein Thema war.  

Das letzte Wort wird auch hier der Bundesgerichtshof haben.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Februar 2013, Aktenzeichen VII ZB 2/12