Flucht aus dem Landgericht

In Kleve ist ein 61-jähriger Angeklagter aus dem Gericht geflohen. Er war gerade zu drei Jahren Haft wegen eines Steuerdelikts (Kaffeeschmuggel) verurteilt worden.

Vor der Urteilsbegründung bat der Mann den Richter am Landgericht, die Toilette aufsuchen zu dürfen. Möglicherweise war das nur vorgeschoben. Denn während vor der Tür ein Wachtmeister wartete, kletterte der 61-Jährige aus dem Fenster der WC-Kabine im zweiten Obergeschoss. Er schwang sich auf ein vor dem Fenster stehendes Gerüst, stieg das Gerüst herunter und flüchtete.

Allerdings spricht viel für einen persönlichen Glücksfall, den der 61-Jährige ausnutzte. Normalerweise ist es den Justizwachtmeistern untersagt, Gefangene auf Toiletten außerhalb der besonders – unter anderem mit vergitterten Fenstern – gesicherten Gewahrsamsräume zu lassen. So wie ich das kenne, halten sich die Mitarbeiter auch strikt daran.

Etwas anderes ist es natürlich, wenn ein Richter kraft seiner Autorität eine Ausnahme zulässt. Womöglich wollte der Vorsitzende hier einfach Zeit sparen, denn kein Richter lässt sich natürlich gern bei der Urteilsbegründung unterbrechen, nachdem er vorher schon die Entscheidung verkündet hat.

Wäre nur schade, wenn andere Gefangene unter der Geschichte leiden müssten. Schon heute gelten an vielen Gerichten so strenge Regeln, dass man manchmal mit Engelsgeduld und vielen freundlichen Worten für etwas Menschlichkeit sorgen muss. Etwa, wenn eine Mutter mal in einer Verhandlungspause ihren inhaftierten Sohn drücken will. Oder wenn es darum geht, dass du als Verteidiger dem Gefangenen ein Päckchen Zigaretten mitbringen darfst.

Die Polizei fahndete gestern mit einem Großaufgebot nach dem Mann. Dabei gab es Verkehrskontrollen; auch der Polizeihubschrauber war im Einsatz. Bislang ist der Angeklagte jedoch verschwunden. Dabei wäre er womöglich leicht zu erkennen, denn an einem seiner Handgelenke war zu Beginn seiner Flucht noch eine Handschelle befestigt.

In Untersuchungshaft saß der Mann, weil er an einem Raubmord beteiligt gewesen sein soll. Deswegen läuft ein gesondertes Verfahren.