Hoffentlich war’s nicht Amanda

Ein ungewöhnlicher „Kriminalfall“ beschäftigt die Nürnberger Polizei. Die Rückfahrkamera eines Klein-Lkws zeigte beim Einparken plötzlich Pornofilme.

Ein 43-Jähriger Fahrer aus dem Landkreis Roth parkte vorgestern seinen Klein-Lkw in der Nürnberger Innenstadt. Dabei half ihm eine Rückfahrkamera. Doch unmittelbar nach Einschalten der Kamera wechselte das Bild. Anstatt den Bereich hinter dem Fahrzeug zu zeigen, lief plötzlich ein Pornofilm auf dem Monitor.

Der verblüffte Fahrer alarmierte die Polizei. Diese nahm mit aus kriminalistischer Erfahrung gespeister Intuition einen nahegelegenen Sexshop ins Visier. Dort, so stellte sich heraus, war eine drahtlose Überwachungskamera im Einsatz. Diese hatte wohl auch einen Monitor im Visier, auf dem Pornofilme liefen. Da beide Kameras auf der gleichen Frequenz arbeiten, kam der Fahrer in den Genuss des falschen Videostreams.

Der Sexshopbetreiber hat seine Kamera freiwillig außer Betrieb genommen. Die Polizei prüft gleichwohl, ob sie ein Strafverfahren wegen des Verbreitens pornografischer Schriften einleitet. Eine Regensburger Anwaltskanzlei prüft, ob sie den Lkw-Fahrer wegen Urheberrechtsverletzung abmahnen kann. Noch ist allerdings nicht klar, ob die Hauptdarstellerin des Films Amanda hieß.

Am Ende eine Prise Gerechtigkeit

Die Strafjustiz hinkt naturgemäß immer hinterher. Auch bei der rechtlichen Aufarbeitung gesellschaftlicher Missstände. Uns beschäftigen längst ganz neue Abzockmodelle. Die Strafrichter arbeiten dagegen noch Sachverhalte auf, die wir schon als Schnee von gestern empfinden.

So ist zu hören, dass demnächst doch mal der Prozess gegen einen Anwalt beginnt, der jahrelang ganz oben in der Gewinnabschöpfungskette bei Abofallen gestanden haben soll. Immerhin hat dieses einst lukrative Marktsegment in einem anderen Fall aber auch schon den Bundesgerichtshof erreicht. In der Untersparte Gewinnspieleinträge trifft es aktuell sogar einen weiteren Anwalt. Dieser ist nun rechtskräftig mit einer Bewährungsstrafe belegt worden, weil er über einen längeren Zeitraum dubiosen Forderungen etwas zu heftig Nachdruck verlieh.

Konkret ging es darum, dass der Jurist als Inkassoanwalt für ein Unternehmen auftrat, das per Telefon anbot, Kunden in die Teilnehmerlisten für Gewinnspiele einzutragen. Die einzige tatsächliche Tätigkeit der Firma bestand aber darin, den Angerufenen gleich noch ihre Bankverbindung abzuluchsen und dann fleißig Geld abzubuchen.

Die Masche sprach sich rum, die Einnahmen gingen zurück. So kam der Anwalt ins Spiel. Er entwarf Mahnschreiben, in denen er den Empfängern mit gnadenlosen Zivilklagen drohte. Und sogar mit Strafanzeigen. Dabei erweckte er den Eindruck, er habe die jeweilige Forderung geprüft. Die Mahnungen verschickte die Firma der Einfachheit halber selbst, allerdings auf dem Briefbogen des Juristen.

Dieser ließ sich für seine (Un-)Tätigkeit ordentlich entlohnen. Obwohl er von vornherein mit der Firma vereinbart hatte, dass keinesfalls geklagt wird. Im Gegenteil: Kunden die aufmucken, sollten sofort ihr Geld zurückerhalten. Insgesamt kassierte der Mann – im Vergleich zu anderen Fällen – bescheidene 140.000 Euro. Das war ungefähr ein Sechstel des erschwindelten Geldes.

Zwar beteuerte der Anwalt vor Gericht, er habe nicht gewusst, dass die Forderungen unrechtmäßig seien. Aber das half ihm nicht weiter. Der Bundesgerichtshof bejaht strafbare Nötigungsversuche. Und zwar schon deswegen, weil es mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich sei, wenn ein Anwalt juristische Laien mit Behauptungen und Androhungen überzieht, obwohl er sich nur „scheinbar“ mit den rechtlichen Voraussetzungen befasst hat.

Ganz am Ende siegt dann halt doch die Gerechtigkeit, zumindest ein bisschen. Bis dahin heißt es halt warten – gestern wie heute (Aktenzeichen 1 StR 162/13).

„Maybe“-Werbung bleibt verboten

Der Tabakkonzern Philip Morris darf seine breit angelegte „Maybe“-Kampagne für Marlboro-Zigaretten nicht fortsetzen. Die Werbung, insbesondere großflächige Plakate, bleibt zunächst verboten. Dies hat das Verwaltungsgericht München entschieden.

Das Landratsamt München hatte die Werbemotive verboten, weil sie angeblich Jugendliche und Heranwachsende im Alter zwischen 14 und 21 Jahren zum Rauchen verführen. Werbung, die gerade diese Zielgruppe anspricht, ist gesetzlich verboten.

Das Verwaltungsgericht München bestätigte nun das vorläufige Verbot der bisherigen Motive. Die endgültige Entscheidung des Gerichts wird erst im Hauptsacheverfahren ergehen.

Das Gericht lehnte allerdings den weitergehenden Antrag ab, Philip Morris insgesamt die Verwendung der fraglichen Wörter oder Bilder zu verbieten. Ein Verbot könne sich immer nur auf die konkreten Motive beziehen. Es sei nämlich denkbar, dass andere Konstellationen nicht jugendgefährdend sind (M 18 S 13.4834).

Der Abmahnanwalt will weiter machen

Wenn es nach den Abmahnern im Fall „Redtube“ geht, soll die derzeit losgetretene Abmahnwelle nicht so schnell verebben. Rechtsanwalt Thomas Urmann, dessen Anwaltskanzlei in den letzten Tagen eine unglaubliche Menge an Abmahnungen rausgeschickt hat und seitdem riesige Schlagzeilen produziert, hat wohl noch einiges in der Pipeline.

So gibt es laut Urmann mittlerweile auch Gerichtsbeschlüsse für andere Provider als die Telekom, mit denen die Herausgabe von IP-Adressen vermeintlicher Urheberrechtsverletzer angeordnet wird. Man sei aus Zeitgründen aber noch nicht dazu gekommen, die Abmahnungen rauszuschicken. Urmann geht davon aus, dass es auch über Redtube hinaus künftig solche Abmahnungen geben wird. Er gibt sich jedenfalls zuversichtlich, dass auch das bloße Ansehen eines Videostreams als Urheberrechtsverletzung eingestuft werden wird.

Diese und andere Informationen stammen aus einem Telefongespräch, das der Kölner Jurist Christian Solmecke mit Urmann geführt hat. Solmecke vertritt als Anwalt selbst viele Abgemahnte. Ihm gelang es nach eigenen Angaben heute, Thomas Urmann ans Telefon zu kriegen. Nicht nur das, Urmann war nach Solmeckes Angaben sehr auskunftsfreudig und erzählte viele Details.

Für mich ist diese Mitteilungsfreude recht überraschend, aber jedenfalls sorgt sie für eine sehr interessante Lektüre. Was Urmann zu erzählen hat, steht hier.

Flugzeiten sind einzuhalten

Der Reise-Riese TUI ist in letzter Instanz mit seinem Versuch gescheitert, für Kunden nachteilige Klauseln verwenden zu dürfen. Auch der Bundesgerichtshof bestätigte nun, dass die vorab mitgeteilten Flugzeiten auch auf Pauschalreisen nach Möglichkeit eingehalten werden müssen. Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Ihren Kunden drückte die TUI bei Pauschalreisen teilweise folgende Klausel aufs Auge:

Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen. Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich.

Das führte in der Vergangenheit immer wieder dazu, dass Reisende mit der Bestätigung auf ungünstige Flugzeiten gebucht wurden. Sie hatten nach den Bedingungen aber keine Möglichkeit mehr, den Vertrag rückgängig zu machen. Mitunter wurde auch der Verdacht geäußert, die Umbuchungen hätten vor allem ihren Grund darin, um die günstigeren Termine dann neuen Kunden anbieten zu können. Auch andere Reiseunternehmen verwenden ähnliche Klauseln

Der Bundesgerichtshof betont, Reisende erwarteten Planungssicherheit. Sie hätten deshalb einen Anspruch darauf, dass die bei der Buchung angegebenen angegebenen Flugzeiten ungefähr eingehalten werden. Größere Abweichungen seien nur aus zwingenden Gründen zulässig.

Ebenfalls keinen Bestand hatte die Klausel, wonach die Fluginformationen durch Reisebüros stets unverbindlich sind. Die Richter weisen darauf hin, Reisebüros würden im Auftrag des Veranstalters tätig. Dieser sei dann auch an die Zusagen gebunden.

Die TUI hält in einer ersten Reaktion Preiserhöhungen für möglich, weil sie ihre Flieger künftig nicht mehr so flexibel auslasten kann (Aktenzeichen X ZR 24/13).

Das Geld ist weg

Manche Mails tun mir in der Seele weh. Aber ich muss sie schicken. So zum Beispiel an einen Mandanten, der sich anscheinend Hoffnung machte, demnächst 200.000 Euro auf sein Konto zu kriegen.

Gegen den Mandanten lief ein ziemlich aufwendiges Strafverfahren. An sich sah es anfangs auch nicht sonderlich gut aus. Aber am Ende gelang es, die ursprünglich im Raum stehende Haftstrafe von vier bis fünf Jahren zu reduzieren. Und zwar auf exakt zwei Jahre, den Maximalwert für eine Bewährung. So musste der Mandant nicht in Haft.

Das Ganze hatte natürlich auch einen gewissen Preis. Unter anderem eine Bewährungsauflage, also eine Art Strafe durch die Seitentür. Wir verständigten uns mit dem Gericht nach zähen Verhandlungen auf 200.000 Euro, bei weniger hätte es die Bewährung nicht gegeben. Der Mandant erfüllte diese Auflage auch.

Das Ganze ist jetzt einige Jahre her. Die Bewährungsfrist ist mittlerweile abgelaufen. Vorgefallen ist nichts mehr, so dass das Landgericht die Strafe nun endgültig erlassen konnte. Das ist vor kurzem auch geschehen. Nun hatte mein Mandant den Gedanken, dass mit Ablauf der Bewährungsfrist auch seine Bewährungsauflage hinfällig ist. Und er, so sein Schluss, dementsprechend auch seine 200.000 Euro zurückbekommt.

Das wäre zwar schön, ist aber so natürlich nicht vorgesehen. Mein Mitverteidiger und ich erinnern uns außerdem noch sehr gut, wie wir dem Mandanten damals erklärten, dass er im Falle des Deals (nichts anderes war es) sein Geld nicht wiedersieht. Dass er also Mammon gegen Freiheit tauscht.

Aber ich ahne schon, wo der Zahn der Zeit etwas am Verständnis genagt hat. Eine weitere Sicherheit in Form einer Kaution erhielt der Mandant nämlich tatsächlich zurück. Diesen Betrag, auch ein stattliches Sümmchen, hatte er gezahlt, damit der gegen ihn vorliegende Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird. Da er nicht geflüchtet ist, wurde ihm die Kaution nach dem Urteil erstattet.

Nun ja, aber leider sind Bewährungsauflage und Kaution zwei paar Schuhe.

Ich hoffe, ich habe dem Mandanten nicht das Weihnachtsfest verdorben.

„Ich und Ich“ dudelten auf dem Polizeirechner

Auch bei der Polizei geht nicht immer alles mit rechten Dingen zu. So hat jemand aus der Polizeibehörde des Hochsauerlandkreises über einen längeren Zeitraum Musik und anderes urheberrechtlich geschütztes Material aus Tauschbörsen gezogen – über den Anschluss seines Dienstherren. Wer genau dafür verantwortlich ist, lässt sich allerdings nicht mehr klären. Die Kündigung eines „Hauptverdächtigen“ erklärte das Landesarbeitsgericht Hamm jetzt für unwirksam.

Ausgelöst hatte den Fall im Jahr 2010 eine ganz normale Filesharing-Abmahnung, wie sie jeden Tag tausendfach verschickt werden. Empfänger war jedoch nicht der normale Internetnutzer, sondern die Polizeibehörde im Hochsauerlandkreis. Leider ist nicht bekannt, ob die Polizei die Abmahnung bezahlt und so der Plattenfirma der Band „Ich und Ich“ ein kleines Zubrot beschert hat. Unter anderem sollen Songs aus deren Album „Vom selben Stern“ online über die Polizeirechner getauscht worden sein.

Gefunden wurden allerdings derartige Titel in der Tat, außerdem diverse Filme. Das löste natürlich interne Ermittlungen aus. Fündig wurde man auf dem Arbeitsplatzrechner eines Mannes, der für die Funk- und Telefontechnik der Polizeiwachen im Hochsauerlandkreis zuständig war. Allerdings reichten letztlich die Beweise nicht, um den Mitarbeiter haftbar zu machen. So war der Mitarbeiter laut Gericht oft im Außendienst. Und einen funktionierenden Passwortschutz für die Rechner gab es nicht. Über spezielle Profile konnte vielmehr so gut wie jedermann ohne Passwort auf den Rechner zugreifen.

Überdies waren die Ermittlungen nach Einschätzugn der Richter eher schlampig. So seien die fraglichen Rechner nicht sofort sichergestellt worden. Somit sei später nicht mehr zu klären gewesen, wer eventuell noch Änderungen vorgenommen hat. Deshalb erklärte das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam.

Die Kreispolizeibehörde muss den Mann nun weiter beschäftigen und natürlich auch sein Gehalt rückwirkend zahlen (Aktenzeichen 13 Sa 596/13).

Abmahnzug vor Vollbremsung

Die Massenabmahnung der Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U + C) sorgt weiter für Wirbel. Nach meiner Einschätzung sind deutlich mehr als 10.000 Anschlussinhaber (bislang alle Telekom) angeschrieben worden mit der Aufforderung, 250 Euro zu zahlen und eine Unterlassungserklärung abzugeben. Hierbei geht es erstmals nicht um klassisches Filesharing über Tauschbörsen. Vielmehr wird den Betroffenen vorgeworfen, „Redtube.com“ genutzt zu haben. Die Internetseite ist so eine Art Youtube für Pornos. Mit dem kleinen Unterschied, dass Redtube nach den eingenen Bedingungen keine Videos von „Privaten“ einstellen lässt.

Hier eine Übersicht der aktuellen Entwicklungen:

* Es sind Trittbrettfahrer auf den Abmahnzug aufgesprungen. Als E-Mail versandte ZIP-Dateien erwecken den Eindruck, es handele sich um eine Abmahnung von U + C. Die Anwaltskanzlei hat jedoch nach meiner Kenntnis noch nie Abmahnungen per Mail verschickt, sondern nur per Post. Für eine Fälschung spricht auch, dass die im Text angegebenen Daten so nicht stimmen dürften.

Wer eine angebliche Abmahnung per Mail erhält, kann diese getrost ignorieren.

Achtung: Die mitgesandte ZIP-Datei soll sogar mit einem Trojaner verseucht sein.

* Die (echte) Abmahnung von U + C ist möglicherweise schon aus formalen Gründen unwirksam. Die beigefügte Unterlassungseklärung, die der Empfänger unterschrieben zurücksenden soll, ist nämlich weitgehender als der Rechtsverstoß, den U + C beanstandet. Das ist juristisch zwar zulässig. Allerdings muss die Unterlassungserklärung den Empfänger dann zwingend aufklären, dass er etwas unterschreibt, was über sein eigentliches Vergehen hinausgeht (§ 97a Abs. 2 S. 1 Ziff. 4 UrhG). Dieser Hinweis scheint in den Abmahnungen zu fehlen.

Das Gesetz ist hier eindeutig:

Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

Doch damit nicht genug. Wer so eine unwirksame Abmahnung erhält, kann sogar seine eigenen Anwaltskosten ersetzt verlangen. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass auch dies wiederum mit Kosten und Aufwand verbunden ist, zumal sich ein Prozess wegen des Minimalstreitwerts nicht wirtschaftlich führen lässt. Überdies sitzt die angebliche Rechteinhaberin in der Schweiz, was die Sache nicht einfacher macht.

* Es verdichtet sich der Eindruck, dass sich das Landgericht Köln bei der Herausgabeanordnung für die Nutzerdaten hinter den IP-Adressen hat übertölpeln lassen. In den mittlerweile bekanntgewordenen Auskunftsbeschlüssen des Gerichts finden sich lediglich Formulierungen, die auf klassische Tauschbörsen zutreffen. Streaming funktioniert aber grundlegend anders. Zum Beispiel stellen die Abgemahnten mit dem Betrachten des Streams diesen nicht gleichzeitig anderen Internetnutzern zur Verfügung. Genau das passiert aber in Tauschbörsen, so dass die Gerichte bei letzteren schnell eine „Zugänglichmachung“ des Inhalts für Dritte und damit eine schwerwiegende Urheberrechtsverletzung bejahen können.

Möglicherweise hat beim Landgericht Köln niemand den Antrag sorgfältig gelesen. Der Anwalt, der die IP-Adressen herausverlangte, schreibt nämlich selbst gar nicht explizit von Tauschbörsen. Sein Text eiert eher um die Frage herum, was da technisch genau passiert sein soll. Allerdings finden sich viele Textschnipsel, die den normalen Filesharing-Anträgen entsprechen.

Es scheint deshalb durchaus möglich, dass die zuständigen Richter schlicht nicht aufgepasst haben. Jedenfalls kann momentan keine Rede davon sein, dass das Landgericht Köln mit seinen Beschlüssen explizit die Auffassung vertritt, auch das bloße Ansehen eines Streams verletzte das Urheberrecht. Ich meine nach wie vor, dass man – und das sogar aus mehreren Gründen – mit dem Betrachten eines Streams das Urheberrecht nicht verletzt.

* Nach wie vor ist unklar, wie die angebliche Rechteinhaberin überhaupt an die IP-Adressen der betroffenen Telekom-Kunden gekommen sind. In dem Antrag wird eine Technik beschrieben, die nach Einschätzung von Experten nur dazu taugt, Tauschbörsen zu überwachen. Es bleibt also auch die Frage offen, ob und inwieweit möglicherweise Datenschutzbestimmungen missachtet wurden.

Fazit: Es spricht einiges dafür, dass man sich keine schlaflosen Nächte machen muss. Selbst bei den echten Abmahnungen von U + C ist schlichtes Ignorieren derzeit eine vertretbare Option. Dem Abmahn-Express dürfte nämlich ohnehin eine Vollbremsung drohen.

Stress mit dem Reiserücktritt

Die Reiserücktrittsversicherung einer Kreditkarte gilt nur, wenn der komplette Reisepreis mit der Kreditkarte gezahlt wurde. Wenn eine Teilzahlung auf anderem Weg erfolgte, muss die Versicherung gegebenenfalls nichts zahlen. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

5.004 Euro ließ sich ein Reisender seinen Urlaub und den seiner Frau kosten. Es sollte nach Südafrika gehen. Die Anzahlung für die Reise in Höhe von 1.509 Euro bezahlte der Mann per Überweisung. Den Restbetrag glich er über seine Lufthansa Miles & More Credit Card Gold aus. Der Mann musste die Reise wegen Krankheit stornieren. Von der Rücktrittsversicherung, die zu seiner Kreditkarte gehört, verlangte er die Stornokosten von 3.610 Euro zurück.

Die Versicherung weigerte sich zu zahlen, weil der Reisepreis nicht vollständig mit der Kreditkarte bezahlt wurde. Das verlangen aber die Versicherungsbedingungen von Miles & More. Das Amtsgericht München sah keine Möglichkeit, die Klausel zu umgehen. Diese sei eindeutig formuliert. Sie benachteilige den Kunden auch nicht über Gebühr. Die Kreditkartenfirma finanziere ihre Zusatzleistungen ja gerade über die Umsätze, die der Kunde mit der Karte generiere. Von daher habe sie ein nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse, dass der Reisepreis vollständig mit der Karte bezahlt wird.

Ähnliche Klauseln verwenden die meisten Kreditkartenanbieter. Wer sich den Reiseschutz also sichern will, sollte darauf achten, dass er den Reisepreis komplett mit der Karte bezahlt (242 C 14853/13).

Auf tönernen Füßen

Die Anwaltskanzlei U + C sorgt gerade mit einer Abmahnwelle für Verunsicherung. Es geht um angebliche Urheberrechtsverletzungen, die Betrachter der Pornostreaming-Seite „Redtube“ begangen haben sollen. Hierfür sollen die Abgemahnten jeweils 250 Euro bezahlen.

Die Augsburger Allgemeine hat mit mir über den Fall gesprochen. Ich meine, die Abmahnungen stehen auf tönernen Füßen. Zum Interview.

Nachtrag: Laut einem Bericht der Welt hat das Landgericht Köln möglicherweise Streaming und Tauschbörsen verwechselt.

Supermans Landeplatz

Zum Start ins Wochenende noch eine Anfrage, die mich schmunzeln ließ. Wer weiß, vielleicht hat ja jemand Lust, die intergalaktische Problematik zu lösen. Hier die Leserpost:

Ich habe mal eine Frage aus purem Interesse heraus.

Wenn Supermans Raumschiff nicht in Smallville Kansas, sondern in
Buxtehude gelandet wäre, würde er als illegaler Einwanderer gelten?

Ist er gemäß deutschem Recht eine natürliche Person und unterliegt damit denselben Rechten und Pflichten wie ein Homo Sapiens?

Oder wäre das deutsche Recht (wie das US-Recht sicherlich auch) gar
nicht wirklich vorbereitet auf diese Frage?

Streaming-Abmahnung mit vielen Fragezeichen

Gestern habe ich über eine neue Form der Abmahnung berichtet. Es geht nicht um Filesharing im klassischen Sinne. Vielmehr verlangt die Regensburger Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U + C) im Namen einer „The Archive AG“ 250 Euro Schadensersatz für das Betrachten eines Videostreams auf der Pornoseite „redtube“.

Es handelt sich offensichtlich um eine veritable Abmahnwelle. Unser Kanzleipostfach quillt über mit Rückfragen von Betroffenen. Auch die Leserdiskussion zum erwähnten Beitrag im law blog verläuft mit bislang rund 220 Kommentaren lebhaft.

Ich habe jetzt selbst einige der Abmahnschreiben vorliegen. Die Kanzlei U + C fordert 250 Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 169,50 Euro Anwaltskosten, 65 Euro Ermittlungskosten und stolzen 15,50 Euro (!) Schadensersatz für den angeblichen Filmgenuss. Außerdem sollen die Anschlussinhaber eine Unterlassungserklärung abgeben. Bislang berichten nur Kunden der Telekom von solchen Abmahnungen. Den Beschluss des Landgerichts Köln, der die Herausgabe der IP-Adressen anordnet, fügen die Rechtsanwälte nicht bei.

Das ist der Stand der Dinge. Hier meine Meinung zu den wichtigsten Punkten:

Es ist höchst zweifelhaft, ob überhaupt eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Die wesentlichen Gründe:

Das bloße Betrachten eines Streams ist nach der derzeit gültigen Rechtslage keine „Vervielfältigung“. Das Gesetz fordert aber gerade diese „Vervielfältigung“ für eine Urheberrechtsverletzung. Ob das eventuelle Zwischenspeichern auf dem Gerät schon eine Vervielfältigung ist, haben die Gerichte bislang nicht geklärt.

Die Rechtsanälte U + C berufen sich lediglich auf das Urteil des Amtsgerichts Leipzig im Fall kino.to. Dort ging es aber um die Verantwortung von Betreibern einer Streaming-Plattform, nicht um deren Nutzer. Die Abmahner vergleichen hier Äpfel mit Birnen.

Wenn man das Gesetz ernst nimmt, ist das Betrachten eben noch keine Vervielfältigung. Deshalb sehe ich, wie andere Juristen auch, schon gar keine Urheberrechtsverletzung.

Eine Urheberrechtsverletzung beim Anschauen eines Streams setzt weiter voraus, dass die Quelle „offensichtlich rechtswidrig“ ist. Die Streams sollen auf der Plattform „redtube“ gehostet worden sein. Redtube ist Teil des Erotikkonzerns Konzerns Manwin, der unter anderem auch die weltweit größte Streamingseite Youporn betreibt. Manwin dominiert das Sexgeschäft im Internet, und zwar international.

Nicht mal ein aufmerksamer Nutzer wird Anhaltspunkte dafür finden, dass Manwin außerhalb der Legalität operiert. Fragen des örtlichen Jugendschutzes ausdrücklich ausgenommen, aber die tun hier nichts zur Sache.

Wie Youporn hostet redtube riesige Mengen an Videoclips. Eine große Zahl der Videos wird offensichtlich von den Produzenten selbst eingestellt, da neben den Filmen oft auch gleich Banner und Links auf die Bezahlseiten der Anbieter führen. Es handelt sich also definitiv nicht um ein Angebot, das ein Nutzer als „illegal erkennen kann. Das gilt dann eben auch für einen Film, der – wie auch immer – ohne Einverständnis des Rechteinhabers auf redtube gelandet sein könnte.

Von daher hätte sich ein argloser Nutzer also gerade nicht bei einer offensichtlich rechtswidrigen Quelle bedient. Selbst wenn man also beim Streamen ein Vervielfältigen annehmen will, würde das jeden Schadensersatzanspruch zunichte machen. Der Nutzer hätte zwar die Datei vervielfältigt, aber es würde sich um eine zulässige Privatkopie handeln. Raum für Ersatzansprüche besteht da nicht.

Überdies – das gilt für alle Filesharing-Fälle – haftet jemand keinesfalls einfach so für jede Urheberrechtsverletzung, die über seinen Anschluss begangen wurde.

Die Rechtsanwälte U + C behaupten dies in ihrem Schreiben zwar, aber die Rechtsprechung sieht mittlerweile anders aus. So kommen meist auch Ehegatten, Kinder, Mitbewohner oder schlicht Besucher als Bösewichte in Betracht. Für deren Fehlverhalten haftet ein Anschlussinhaber nicht, wenn er die Mitnutzer darüber belehrt hat, dass sie keine Urheberrechtsverletzungen begehen sollen.

Gleiches gilt natürlich auch für den Fall eines technischen Missbrauchs, der ebenfalls möglich ist. Kann der Anschlussinhaber darlegen, dass er seinen Internetanschluss ausreichend abgesichert hat, muss er für eventuellen Missbrauch ebenfalls nicht haften.

Von daher gibt es insgesamt gesehen keinen Grund, die 250 Euro eilfertig zu überweisen. Selbst dann nicht, wenn einem die Sache peinlich ist. Eine große Zahl – um nicht zu sagen fast alle – Empfänger der Schreiben beteuern uns gegenüber, dass sie definitiv keine Pornos auf redtube angeschaut haben. Damit ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass U + C hier auf einen komplett falschen Zug aufgesprungen sind.

Als nächstes wird es sicher Beschwerden gegen die Entscheidung des Landgerichts Köln geben, der die Telekom zur Herausgabe der IP-Adressen angeblicher Nutzer verpflichtete. Aus den oben obigen Gründen hätte das Landgericht Köln kritisch hinterfragen müssen, ob überhaupt eine Urheberrechtsverletzung plausibel ist. Das ist sie bislang keinesfalls, so dass die Freigabe nicht hätte erklärt werden dürfen.

Interessant ist abschließen, dass der Schadensersatz von 250 Euro nicht auf das Anwaltskonto der Rechtsanwälte U + C gezahlt werden soll, obwohl die geltend gemachten Anwaltskosten 2/3 des Betrages ausmachen. Vielmehr sollen Abgemahnte das Geld direkt an den angeblichen Rechteinhaber überweisen, die mir bislang unbekannte Aktiengesellschaft namens „The Archive“. Diese sitzt in der Schweiz. Das wird es eher nicht leichter und vor allem billiger machen, eventuell zuviel gezahltes Geld wieder zu bekommen.

Drossel-Debatte erreicht Mobilfunktarife

Mit ihren Flatrate-Tarifen wird die Telekom momentan nicht glücklich. Jetzt nehmen Verbraucherschützer auch die Mobilfunktarife ins Visier. Die Verbraucherzentrale Sachsen mahnte das Telekommunikationsunternehmen ab, weil es bei bestimmten LTE-Tarifen eine Drosselung gibt.

„Surfen mit bis zu 100 MBit/s“ – so warb die Telekom für ihre Internettarife „via Funk“. Verbraucher in überwiegend ländlichen Regionen ohne DSL sollen damit in den Genuss schnellen Internets kommen können. Doch das Vergnügen währt laut den Verbraucherschützern nicht lange. Je nach gebuchter Tarifklasse greift die Drosselungsklausel, wenn man ein bestimmtes Surfvolumen verbraucht hat, sehr schnell. So beim Tarif S Standard zu 34,94 € ab 10 Gigabyte und beim Tarif M zu 39,95 € ab 15 Gigabyte. Für den Rest des Monats werden dann für den Rest des Monats auf eine Geschwindigkeit von max. 384 KBit/s für den Downstream zurückgesetzt.

Die Verbraucherzentrale Sachsen rügte eine Irreführung der Kunden. Sobald das Volumen für schnelles Internet erschöpft sei, könne dieser die Verbindung nicht mehr sinnvoll nutzen.

Die Telekom reagierte schnell auf die Abmahnung. „Wo Flatrate drauf steht, soll auch Flatrate drin sein. Wir werden beim Tarif Call & Surf via Funk deshalb nicht mehr von einer Flatrate sprechen“, kündigte laut Süddeutscher Zeitung heute ein Unternehmenssprecher an. Den Rückzieher wertet die Telekom als weiteren Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz. Dieser sei längst nicht abgeschlossen.

Vor kurzem hatte die Telekom nach einem negativen Gerichtsurteil schon zugesagt, bei Festnetztarifen nicht mehr von einer Flatrate zu sprechen, wenn die Geschwindigkeit nach gewisser Zeit gedrosselt wird.

Der Schritt der Telekom könnte auch für andere Mobilfunkfirmen Handlungsdruck erzeugen. Viele Anbieter bewerben fürs mobile Internet ihre Tarife als „Flatrates“. Gleichwohl drossen sie die Datengeschwindigkeit ab gewissen Grenzen. Es wird sich also die Frage stellen, ob das zulässig ist.

Gutjahrs Fail

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Endlich macht mit Richard Gutjahr mal jemand den Versuch, sich auf das Niveau jener zu begeben, die Vorratsdatenspeicherung und Überwachung für (über)lebensnotwendig halten. Und denen zur Verteidigung ihrer Meinung keine Platitüde zu schade ist. Als aktuelle Beispiele sind SPD-Chef Sigmar Gabriel und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zu nennen.

Gleichwohl schwächelt Gutjahr leider auf der Zielgeraden. Im Laufe seines Beitrags lässt er dann doch wieder sachliche Argumente sprechen. Also irgendwie ein Fail. Aber ein unbedingt lesenswerter.