Typische Handbewegung

Handy am Steuer? Meist haben Autofahrer wenig Chancen, wenn sie sich vor Gericht gegen den Vorwurf verteidigen, sie hätten im Wagen telefoniert. Oft zählt das Wort der beteiligten Polizisten – aber nicht immer.

Allerdings musste ein Autofahrer auch erst vor das Thüringer Oberlandesgericht ziehen, bevor er nun Recht bekam. Im Gegensatz zum Richter der ersten Instanz akzeptierte das Oberlandesgericht nämlich die Aussage der Polizeibeamten nicht. Diese hatten angegeben, der beobachtete Autofahrer habe während der Fahrt seine Hand in Richtung Ohr bewegt und wieder zurück.

So typisch sei so eine Handbewegung nun auch wieder nicht, meinen die Richter. Es gebe noch zig andere Gründe, warum ein Autofahrer seine Hand ans Ohr nehmen könne. Möglicherweise, möchte man hinzufügen, hat er auch gar keinen Grund, macht es aber trotzdem.

Dass die Polizeibeamten nicht sicher sagen konnten, dass sie in der Hand auch ein Mobiltelefon gesehen haben, bewahrte den Betroffenen nun vor einem Bußgeld und einem Punkt in Flensburg (Aktenzeichen 1 Ss Rs 26/13 (63)).

Kündigung, schwergemacht

Es ist ein Rätsel des Internetzeitalters: Fast überall kann man Verträge online abschließen, für die Kündigung muss man aber einen Brief oder ein Fax schicken. Das Landgericht München I erteilt dieser Unsitte nun eine Absage. Die Richter erklären die entsprechende Klausel eines Online-Datingportals für unwirksam.

Das Gericht arbeitet in seinem Urteil sehr deutlich heraus, worum es den Verwendern solcher Klauseln geht. Sie wollen von einer Kündigung abhalten, indem sie den Aufwand für den Kunden möglichst hoch schrauben. Das ist unzulässig, so das Landgericht.

Bei einem Vertrag, der online abgeschlossen und ebenso abgewickelt wird, gebe es keine Gründe, ausgerechnet die Kündigung an die Schriftform zu knüpfen. Angebliche Sicherheitsbedenken beeindrucken das Gericht nicht. So kümmere sich das Portal ja auch nicht sonderlich darum, ob die Daten der Anmeldung (Name, Adresse, Kreditkarte) authentisch seien. Wieso aber für die Vertragsauflösung die Vorschriften strenger sein müssten als für den Abschluss, sei nicht nachvollziehbar.

Insgesamt, so das Gericht, benachteilige die Klausel die Verbraucher unangemessen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, kann aber Bedeutung für viele Online-Verträge bekommen. Etliche Unternehmen, auch große Anbieter, verlangen für die Kündigung eines online geschlossenen Vertrags nämlich nach wie vor einen Brief oder ein Fax.

Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (Aktenzeichen 12 O 18571/13).

Link zum Urteil

Dropbox will nicht vor Gericht

Dropbox will sich mit seinen Kunden nicht streiten – jedenfalls nicht vor Gericht. Auch die deutschen Nutzer des Dienstes sollen deshalb einer Klausel zustimmen, die für Meinungsverschiedenheiten ein Schiedsverfahren vorsieht.

Die Wirksamkeit solcher Regelungen ist zweifelhaft, wie iRights info in einem aktuellen Beitrag schreibt. Fraglich ist schon, ob deutsche Verbrauchern überhaupt Schiedsvereinbarungen abschließen können, noch dazu über das Kleingedruckte. Selbst wenn, ist die Vereinbarung an Formvorschriften gebunden, die nicht durch das übliche Häkchen auf einem Onlineformular erfüllt werden.

iRights info empfiehlt allen Dropbox-Kunden, der Klausel ausdrücklich zu widersprechen. Dafür stellt Dropbox immerhin ein Formular zur Verfügung.

Abmahnanwalt vor dem Strafrichter

Heute beginnt in Augsburg eine Strafprozess gegen den bekannten Abmahnanwalt Thomas Urmann. Er steht allerdings nicht wegen seiner Pornoabmahnungen vor Gericht, sondern wegen der Pleite einer von ihm übernommenen Wurstfabrik. Der Vorwurf: Insolvenzverschleppung.

Die Staatsanwaltschaft wirft Urmann vor, er habe trotz Zahlungsunfähigkeit weiter Ware bei Lieferanten bestellt. Die Ankläger beziffern den Schaden mit 350.000 Euro. Weitere 300.000 Euro Schaden sollen den Sozialkassen entstanden sein, weil die Firma Sozialabgaben nicht rechtzeitig abführte.

Bericht in der Augsburger Allgemeinen

Update: Thomas Urmann liegt nach Angaben seiner Anwältin im Krankenhaus. Deshalb ist der Prozesstermin geplatzt.

Hoeneß-Urteil wird rechtskräftig

Die Staatsanwaltschaft München hat heute morgen mitgeteilt, auch sie werde kein Rechtsmittel im Fall Uli Hoeneß einlegen. Zuvor hatte schon Hoeneß selbst erklärt, er werde das Urteil nicht anfechten. Damit wird Hoeneß in wenigen Wochen seine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren antreten müssen.

Es wäre natürlich interessant, wieso die Staatsanwaltschaft sich so schnell mit dem Urteil abfindet. Die Strafe ist eher mild, in der Hauptverhandlung hatten die Staatsanwälte immerhin zwei Jahre mehr für Hoeneß gefordert. Allerdings geben die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren den Strafverfolgern einen weiten Spielraum. Dort heißt es:

Zur Nachprüfung des Strafmaßes ist ein Rechtsmittel nur einzulegen, wenn die Strafe in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Tat steht.

Davon kann nun auch wieder nicht die Rede sein. Die Entscheidung ist also sachlich vertretbar.

Spekulation ist derzeit, dass es einen Deal hinter den Kulissen gab, an dem sich möglicherweise sogar das Gericht beteiligte. Sofern hierfür keine greifbaren Belege auftauchen, sollte man aber nichts unterstellen. Es gibt nun schon seit geraumer Zeit klare Vorschriften in der Strafprozessordnung, nach denen nichts im Hinterzimmer ausgedealt werden darf, ohne dass das Ergebnis später in der Hauptverhandlung öffentlich mitgeteilt wird. Es wäre ein Desaster für die Justiz, wenn sie sich gerade in diesem Fall nicht an die Spielregeln hält. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Gericht und Staatsanwaltschaft dieses Risiko eingehen würden.

Interessanter könnte die Frage sein, ob es eine politische Einflussnahme gab. Diese wäre nicht mal unbedingt illegal, denn die Staatsanwaltschaft ist weisungsgebunden. Aber auch hierfür gibt es derzeit keine Anhaltspunkte.

Ein kluger Schritt?

Uli Hoeneß möchte allen etwas beweisen, die ihn in den letzten Tagen mangelhafte Einsicht und allenfalls geheuchelte Rolle vorgeworfen haben. Er tritt nicht nur von allen Ämtern beim FC Bayern München zurück. Vielmehr will Hoeneß auch die dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe akzeptieren.

In einer persönlichen Erklärung von heute morgen schreibt Hoeneß, wie er mit dem gestrigen Urteil umgehen will:

Ich habe meine Anwälte beauftragt, nicht dagegen in Revision zu gehen.

Hoeneß ist also bereit, grundsätzlich sofort ins Gefängnis zu gehen. Auch wenn es zum eigentlichen Haftantritt immer etwas dauern kann. Auch er würde die Ladung der zuständigen Vollstreckungsstelle abwarten müssen. Etwa vier bis sechs Wochen ist die normale Zeit, bis er sich dann innerhalb einer gesetzten Frist an der Gefängnispforte melden kann.

Allerdings liegt es längst nicht allein an Hoeneß, ober die Sache schnell hinter sich bringen kann. Die Staatsanwaltschaft hat offizell noch nicht entschieden, ob sie ihrerseits das Urteil anfechten will. Grund hätte sie. Die Strafe fällt im Vergleich zu anderen Fällen doch deutlich niedriger aus. Vier bis fünf Jahre lauteten etwa die Prognosen von Fachleuten, die ich in den letzten Tagen gehört habe.

Legt die Staatsanwaltschaft Revision ein, muss Hoeneß warten. Bis der Bundesgerichtshof über das Rechtsmittel entschieden hat. Sechs bis zwölf Monate dauert das im Normalfall, es gibt aber auch Abweichungen nach oben und unten. So lange die Revision der Staatsanwaltschaft läuft, kann Hoeneß nichts ins Gefängnis. Nicht mal freiwillig, denn ohne rechtskräftige Urteil ist die Vollstreckung einer Strafe unzulässig.

Mit seinem heutigen Schritt spielt Hoeneß publizistisch den Ball jedenfalls geschickt ins Feld der Staatsanwaltschaft. Diese wird nun – vielleicht nicht ganz zu Unrecht – am Pranger stehen, wenn sie eine höhere Strafe anstrebt. Die Staatsanwaltschaft kann übrigens auch zu Gunsten von Hoeneß Revision einlegen; aber das ist eher unwahrscheinlich.

Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft für eine Revision, heißt es nämlich, dem bußfertigen Uli Hoeneß werde die Möglichkeit genommen, schnell mit dem Gesetz ins Reine zu kommen und die Sache hinter sich zu bringen. Die Staatsanwälte geraten also in öffentliche Erklärungsnot, was ihre strafprozessualen Rechte aber natürlich nicht mindert.

Mir stellt sich die allerdings die Frage, ob Hoeneß wirklich klug agiert, wenn er von sich aus auf eine Revision verzichtet. Es ist für einen Angeklagten zumindest optisch natürlich immer besser, wenn er neben der Staatsanwaltschaft ebenfalls Rechtsmittel einlegt. Es gibt zwar keinen offenen Handel „Wenn du zurücknimmst, nehme ich auch zurück“. Aber es muss ja nicht alles zu Papier gebracht werden, mit dem die Beteiligten versuchen, eine Sache vernünftig zu lösen.

Aber genau das haben Hoeneß‘ Anwälte vielleicht sogar schon gemacht. Und mit der Staatsanwaltschaft gesprochen, ob eine Revision kommt. Sofern auch diese den Verteidigern bereits Verzicht signalisiert hat, ist das Verhalten des Ex-Bayern-Präsidenten durchaus nachvollziehbar.

Und eins ist ja wohl klar: Spätestens mit seinem heutigen Schritt ist Hoeneß dem offenen Vollzug ein ganz großes Stück nähergekommen.

Stinkbomben-Alarm

Der Richter hatte die Verhandlung am Koblenzer Landgericht heute morgen noch gar nicht eröffnet, da war klar: Auch diesmal wird es ein kurzer Tag. Für alle Beteiligten. Ein Unbekannter hatte kurz vor Beginn der Sitzung eine Stinkbombe geworfen. Das passierte nun schon das dritte Mal in diesem Prozess.

Solche Kindereien kommen vor. Normalerweise könnte ein Gericht in einen anderen Saal umziehen und die Putzkolonne ein paar Stunden rödeln lassen. Nicht so in diesem Prozess. Es gibt nur einen Saal am ganzen Gericht, der die Angeklagten, ihre Verteidiger, Staatsanwälte und Richter fasst. Das sind gut und gerne 70 Personen. Die sitzen schon in dem jetzigen Saal eher beengt. In normale Verhandlungsräume kann man sie schlicht und einfach nicht pferchen.

So fällt auch dieser Verhandlungstag ins Wasser. Wer auch immer da protestiert oder vielleicht auch nur auf Klamauk aus ist, scheint ein ganz probates Mittel gefunden zu haben, um der Justiz ein gewisses Ohnmachtsgefühl zu geben. Kontrolliert wird am Eingang nämlich seit jeher streng. Oft ist ein Dutzend Beamter im Einsatz. Aber tatsächlich eine Stinkbombe bei jemandem zu finden, der sie am Körper verstecken will, dürfte fast ein Ding der Unmöglichkeit sein. Es sei denn natürlich, man stellt die Menschenwürde vieler zur Disposition und führt Nacktkontrollen ein.

Überdies liegt es ja auch bei einer offensichtlich nicht sponaten Aktion sehr nah, dass die Stinkbomben nicht einzeln reingetragen werden. Sie sind garantiert schon an einem „normalen“ Tag ins Gericht gebracht worden sein, an dem es keine Personenkontrollen gibt. Dunkle Ecken gibt es ja genug in jedem Gericht.

Ebenso könnte man auf den Gedanken kommen, dass einer der vielen Anwälte an dem Spiel beteiligt ist. Persönlich halte ich das für kaum vorstellbar, aber ausschließen lässt sich bekanntlich nichts.

Ich bin wirklich gespannt, was das Gericht gegen die Obstruktion des Verfahrens zur Wehr setzen will.

Hoeneß hat noch Zeit

Drei Jahre und sechs Monate Gefängnis – so lautet das Urteil des Landgerichts München II im Fall Hoeneß.

Das bedeutet aber noch nicht, dass Uli Hoeneß nun sofort ins Gefängnis muss. Er kann gegen das Urteil Revision einlegen. Das wird er sicherlich innerhalb von einer Woche tun; ein Dreizeiler. Mutmaßlich wird auch die Staatsanwaltschaft Revision einlegen.

Damit ist das Urteil dann noch nicht rechtskräftig. Diese Rechtskraft tritt frühestens ein, wenn der Bundesgerichtshof abschließend in der Sache entscheidet. Bis es soweit ist, gehen normalerweise schon mal 6 bis 12 Monate ins Land, mitunter auch mehr.

Vorher passiert nichts, sofern der Haftbefehl von Hoeneß nicht wieder in Kraft gesetzt wird. Was ich bei dem eher milden Urteil für unwahrscheinlich halte, da die Fluchtgefahr bei Hoeneß sicher nicht so wahnsinnig groß ist. Eine andere Frage ist womöglich, ob das Gericht die Beschränkungen für Hoeneß erhöht. Auslandsreisen könnten möglicherweise ein Problem für ihn werden.

Eine Art Schonfrist hat Hoeneß bis zur Rechtskraft also auf jeden Fall. Es besteht ja sogar die Möglichkeit, dass der Bundesgerichtshof die Sache zurückverweist und der Prozess neu beginnen muss. Immerhin hat das Landgericht München II ja sehr geschmeidig auf die Unmenge von Unterlagen reagiert, die es erst kurz vor dem ersten Verhandlungstag bekommen hat. Die Staatsanwaltschaft wird da möglicherweise ein Einfallstor sehen. Stichwort: Mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht.

Sofern das letzte Wort des Bundesgerichtshofs auf Haft ohne Bewährung lautet, bleiben Hoeneß nach diesen Richterspruch noch einige Wochen, um sich auf die Haft einzurichten. Er kriegt dann einen Brief. In diesem wird er aufgefordert, sich innerhalb von zwei, drei, manchmal auch vier Wochen an der Pforte der Justizvollzugsanstalt zu melden. Auch diese Frist ist bei guten Gründen um einige Monate verlängerbar.

Es wird also so schnell keine spektakulären Bilder geben, die den Bayern-Präsidenten beim Haftantritt zeigen. Zunächst gilt er auch weiterhin formaljuristisch als unschuldig, trotz seines Geständnisses.

Gepflogenheiten

Es gehört zu den Gepflogenheiten im Strafprozess, dass man Menschen ausreden lässt. Zumindest wenn der Staatsanwalt oder der Verteidiger ihre Plädoyers halten. Und, natürlich, wenn der Richter sein Urteil verkündet.

Umso erstaunter war ich heute, als mir der Richter während meines „Schlussvortrags“ ins Wort fiel. Das geschah freundlich, aber bestimmt. Ich hatte gerade ausgeführt, dass ich den Strafvorschlag des Staatsanwalts für überzogen halte.

Der Staatsanwalt hatte ein Jahr Gefängnis verlangt. Ich wies darauf hin, dass die Höchststrafe für das fragliche Delikt zwei Jahre beträgt. Den Strafrahmen da mal bis zu 50 % auszureizen, ist schon ganz beachtlich. Zumal es nicht gerade um einen schweren Fall ging, und vorbestraft ist der Angeklagte auch nicht.

„… bis fünf Jahre“, sagte der Richter. „Die Höchststrafe ist fünf Jahre. Habe ich gestern extra noch nachgelesen.“ Na ja, mir trotzdem schnell klar, woran es lag. Der Richter hatte offensichtlich nur den Absatz 1 des betreffenden Paragrafen gelesen.

Diese Vorschrift gibt tatsächlich bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe her. Allerdings steht etwas weiter hinten, im vierten Absatz, noch ein Tatbestand. Und um den ging es eigentlich.

Kurze Diskussion, etwas längeres Blättern im Gesetz. Einigkeit, dass die Fahnenstange tatsächlich nur bis zu zwei Jahren reicht. Aber gut, dass wir drüber gesprochen haben. Einen überflüssigeren Grund für eine Berufung oder Revision hätte es ja wohl auch kaum gegeben.

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Wer Vertrauen sucht

Die Kommunikation zwischen Strafverteidiger und Mandant ist geschützt. Das ist an sich nichts Neues. Dennoch scheinen es Ermittlungsbehörden mitunter für nötig zu halten, die Grenzen dieses Privilegs auszuloten. Mit einem besonders gelagerten Fall musste sich jetzt der Bundesgerichtshof beschäftigen.

Ein Rechtsanwalt hatte sich, man kann es wohl nicht anders sagen, an einen Beschuldigten herangewanzt, um sich das Mandat in einem Terrorismus-Verfahen zu sichern. Das Gespräch, das über einen dritten Anschluss geführt wurde, hörten die Ermittler mit und wollten die Aufzeichnung für das Verfahren verwenden.

Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass solche Kommunikation mit einem Anwalt auch dann geschützt ist, wenn es sich um ein sogenanntes Anbahnungsgespräch handelt.

Aus der Entscheidung:

Derjenige, der Vertrauen sucht, muss, um dieses Vertrauen aufbauen zu können, im Vorfeld sicher sein, dass sämtliche vom Berufsausübenden in seiner Funktion gewonnenen Erkenntnisse unabhängig von der Bewertung durch Dritte dem Zeugnisverweigerungsrecht unterfallen.

Zwar ist der Anwalt später tatsächlich beauftragt worden. Das Gericht lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Aufnahme auch dann nicht verwendbar gewesen wäre, wenn die tatkräftige Akquise des Anwalts erfolglos geblieben wäre.

Aktenzeichen StB 8/13

Grünes Licht für Ermittlungen gegen Friedrich

Gegen den früheren Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich darf ermittelt werden. Nachdem der Bundestag bereits seine Immunität aufgehoben hat, kam nun auch grünes Licht vom derzeitigen Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Dieser erteilte die sogenannte „Ermächtigung“, damit die Friedrich zur Last gelegte Verletzung des Dienstgeheimnisses untersucht werden kann.

Friedrich steht im Verdacht, unberechtigt über das Ermittlungsverfahren gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy geplaudert zu haben. Friedrich hat wegen der Affäre schon das Agrarressort geräumt, das er in der Großen Koalition übernommen hatte.

Die Ermächtigung ist eine Art Strafantrag, den es nur bei einigen Delikten gibt. Die Verletzung des Dienstgeheimnisses gehört dazu. Wird die Ermächtigung von der betroffenen Behörde nicht gestellt, darf die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln oder gar eine Anklage erheben. Bis zu seinem Wechsel ins Agrarressort war Hans-Peter Friedrich selbst Innenminister. Wäre er das geblieben, wäre die etwas bizarre Situation eingetreten, dass er an sich selbst hätte entscheiden müssen, ob gegen ihn ermittelt wird.

Älterer Beitrag im law blog.

Demontage mit Ansage

Im Prozess gegen Uli Hoeneß gewinnt das Wort Liveticker eine ganz neue Bedeutung. Im Minutentakt zählen die Medien derzeit Uli Hoeneß Steuerschulden hoch – und damit die mutmaßlichen Hinterziehungsdelikte.

Bis ich vorhin die Blitzmeldungen las, konnte ich mir kaum vorstellen, dass der Präsident des FC Bayern sich traut, nach seiner wohl reichlich konservativ gestalteten Selbstanzeige über 3,5 Millionen Euro zum Prozessauftakt erneut fragwürdige Zahlen zu liefern. Aber so scheint es zu sein.

Gestern sprach Hoeneß vermeintlich reumütig von 18,5 Millionen Euro Steuerschulden. Heute, keine 24 Stunden später, tritt dann tatsächlich eine – als sehr penibel beschriebene – Finanzbeamtin in den Zeugenstand und demontiert diese Zahl innerhalb von Minuten. Die Steuerfahnderin sagte, sie habe bei erster Durchsicht der erst vor wenigen Tagen vorgelegten Unterlagen 23,7 Millionen (Einschub: nun sind es schon 26 Millionen) Euro Steuerschulden errechnet. Wobei sie angemerkt haben soll, dass der Verbleib der einen oder anderen Million noch ungeklärt ist. Und dass es sich bei ihrer Berechnung um die Variante handelt, die am günstigsten für Hoeneß ist.

Wenn dann noch stimmt, dass Hoeneß noch ziemlich lange Zeit auf den Papieren gesessen hat und ihm gesetzte Fristen verstreichen ließ, wird es wohl noch enger für den Angeklagten, als es bislang schon war. Hoeneß demontiert seine Glaubwürdigkeit selbst und insbesondere auch das Restvertrauen in seine Ehrenhaftigkeit. Ich frage mich warum. Konnte ihm und seinen Anwälten nicht gestern schon klar sein, dass das Finanzamt seine Zahlen anders bewertet. Wäre es da im Zweifel nicht besser gewesen, gleich eine harte Zahl mit ausreichendem „Sicherheitszuschlag“ zu präsentieren? Oder die eigene Berechnung unter einen deutlichen Vorbehalt zu stellen?

Sollten Gericht und Staatsanwaltschaft ähnlich empfinden, könnte Hoeneß mit der absehbaren Vertagung des Prozesses ein ganz neues Risiko drohen.

Die Wieder-Invollzugsetzung seines Haftbefehls.

Kein Auftakt nach Maß

Das war in der Tat überraschend, was Uli Hoeneß heute vor dem Landgericht München einräumte. Er habe nicht, wie bisher angenommen und ihm auch zur Last gelegt, etwa 3,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen. Sondern etwa 18,5 Millionen Euro. Hinzu kommen noch unberechtigte Verlustvorträge von 5,5 Millionen Euro. Schon bei der kleineren Hinterziehungssumme wäre es ein juristischer Hochseilakt, noch zu einer Bewährungsstrafe zu kommen. Jetzt stellt sich wohl kaum noch die Frage, ob Hoeneß ins Gefängnis muss. Sondern nur wie lange.

Natürlich ist jeder Fall anders. Aber bei knapp 18,5 Millionen Euro hinterzogener Steuern kann man beim Strafmaß durchaus von einer vier oder fünf vor der Jahreszahl ausgehen. Das ist weit jenseits des bewährungsfähigen Bereichs. Und es noch nicht mal übertrieben hart. Bei solchen Summen kann es auch deutlich dicker kommen. Jedenfalls hört da bei den meisten meisten Gerichten der Spaß endgültig auf.

Hinzu kommt, dass Hoeneß die relevanten Unterlagen angeblich erst Ende Februar bei den Strafverfolgern vorgelegt hat. Da war Hoeneß schon formal angeklagt. Das ist natürlich ein denkbar später Zeitpunkt. Zumal Hoeneß ja spätestens seit seiner Haftverschonung klar sein konnte, wie ernst die Lage ist. Dass er sich noch mal Monate Zeit lässt, um die Karten vollständig aufzudecken, stützt kaum das Bild des reuigen Sünders. Und das ist zurückhaltend formuliert.

Überdies wird Hoeneß kaum noch einer abnehmen, dass seine ursprüngliche Selbstanzeige tatsächlich dazu dienen sollte, reinen Tisch zu machen. Dann hätte er in dieser Selbstanzeige nicht lediglich wenig mehr als ein Sechstel der aktuellen Summe deklariert. Es dürfte kaum menschenmöglich sein, einem Gericht plausibel zu verklickern, dass man bei Vorbereitung der ersten Selbstanzeige trotz Hektik und Panik eine Steuerschuld in Höhe von sage und schreibe 15 Millionen Euro nicht bemerkt hat.

Logisch, dass da auch der Vorsitzende Richter nach den aktuellen Berichten skeptisch wirkt. Er habe bei Hoeneß mehrfach nachgebohrt, heißt es. Eine zufriedenstellende Erklärung scheint Hoeneß nicht gegeben zu haben. Stattdessen hat ihn wohl sogar der eigene Anwalt gerüffelt mit den Worten: „Erzählen Sie nichts vom Pferd! Da gingen Ihnen doch die Gäule durch.“ Selbst der Verteidiger schien Hoeneß Beteuerung nicht zu glauben, die Selbstanzeige sei völlig losgelöst von Recherchen des Magazins Stern gewesen.

Wie auch immer: Hoeneß hat zwar eine Selbstanzeige abgegeben, aber hier war der Sachverhalt möglicherweise auch schon entdeckt. Das kann man auch anders sehen und die Selbstanzeige für akzeptabel halten. Allerdings wäre sie spätestens nach der jetzigen Faktenlage immer noch nicht strafbefreiend- und zwar komplett. Denn mit der Selbstanzeige muss alles deklariert werden, sonst ist sie hinfällig.

Selbst Hoeneß ist bewusst, dass er nach den neuesten Bekenntnissen kaum noch was aus seiner ersten Selbstanzeige herleiten kann. Er erklärte vor Gericht: „Ich habe im letzten Jahr gelernt, dass an der Wirksamkeit meiner Selbstanzeige Zweifel bestehen. Als Laie kann ich jedoch zu diesen juristischen Fragen nichts beitragen.“

Ich weiß nicht, wer ihm da die Feder geführt hat, aber besonders schlau scheinen mir solche erneuten Ausflüchte nicht. In der Tat geht hier ja nicht um ziselierte Rechtsprobleme, die sich einem Mega-Unternehmer wie Hoeneß nicht erschließen. Wir reden hier über eine schlichte Erkenntnis direkt aus dem Leben: Man muss reinen Tisch machen, wenn man reinen Tisch machen will.

Hoeneß steht nun mehrfach schlecht da. Er hat Steuern hinterzogen. Unter Druck gab er anscheinend nur das zu, was ihm hätte nachgewiesen werden können. Anders gesagt: Mutmaßlich hat Hoeneß sogar noch bei seiner Selbstanzeige gelogen in der Hoffnung, dass man ihm andere Taten nicht nachweisen kann. Nun, kurz vor dem Prozess, zog er dann die Notbremse. Seine nun halbwegs vorgetragene Reue wirkt angesichts der Vorgeschichte auf mich wenig authentisch.

Auch das Gericht schließt eine Verzögerung des Prozesses wohl nicht mehr aus. Aus gutem Grund wird man wenig geneigt sein, Hoeneß neue Zahlen einfach zu akzeptieren. Nicht auszudenken, wenn sich nun noch die eine oder andere Million zur Schadenssumme dazu gesellt.

Taktisch sehr unklug finde ich, dass Hoeneß in seiner kurzen persönlichen Erklärung auch noch an mehreren Stellen Selbstmitleid einfließen lässt. So weist er darauf hin, ihm drohe trotz ohnehin eingetretener rechnerischer Verluste jetzt auch noch eine Nachzahlung im zweistelligen Millionenbereich, „was meinen wirtschaftlichen Verlust aus diesen Geschäften weiter erhöhen wird.“

Womöglich kokettiert Hoeneß mit der Vorstellung, allein die schiere Summe seiner Zahlungen an den Fiskus falle so beeindruckend segensreich fürs Allgemeinwohl aus, dass man die strafrechtliche Seite eher nachlässig behandeln kann. Da liegt er nach meiner Meinung komplett falsch.

Alles in allem, ein Prozessauftakt nach Maß sieht anders aus.