Filesharing: Chartcontainer sind ein Problem

Wieder ein Urteil, das Filesharing-Abmahnern Steine in den Weg legt. Das Amtsgericht Köln spricht keinen Schadensersatz wegen eines Song-Tausches übers Internet zu, wenn sich das Lied in einem sogenannten „Chartcontainer“ befand.

Eine Musikfirma hatte den Tausch des Songs „Get Shaky“ abgemahnt. Das Lied soll sich in dem Chartcontainer „Germany Top 100 Singlecharts“ befunden haben. Nach Auffassung des Gerichts konnte die Klägerin nicht belegen, dass gerade dieses Lied tatsächlich getauscht wurde.

Bei einem Chartcontainer mit einem Umfang von 100 Songs sei nicht ersichtlich, dass tatsächlich das fragliche Lied hoch- oder heruntergeladen wurde. Es gebe zahlreiche Gründe, warum die Datenübertragung abgebrochen wurde oder unvollständig war.

Näheres bei der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, die das Urteil erstritten hat.

„Korinthenkacker“ muss nicht strafbar sein

Ein Falschparker, der gegen einen Mitarbeiter des Verkehrsdienstes den Vorwurf der „Korinthenkackerei“ erhebt, macht sich nicht zwangsläufig strafbar. Das Amtsgericht Emmendingen sprach jetzt einen Pensionär frei, der sich wegen eines drohenden Verwarnungsgeldes wegen Falschparkens entsprechend Luft gemacht hatte.

Der städtische Vollzugsbeamte behauptete zwar, der Autofahrer habe nicht von Korinthenkackerei gesprochen, sondern ihn persönlich als „Korinthenkacker“ bezeichnet. Der zuständige Richter sah bei beiden Varianten zwar keine „besonders niveauvolle Bemerkung“, strafrechtlich müsse dies alles jedoch nicht geahndet werden – auch mit Blick auf die Meinungsfreiheit. Schon der Verteidiger des Angeklagten hatte geltend gemacht, die Äußerung seines Mandanten habe einen sachlichen Hintergrund gehabt und habe nicht darauf gezielt, den Beamten in seiner Ehre herabzusetzen.

Bericht in der Badischen Zeitung

Landtags-Vize „auf der Flucht“

Für eher unrühmliche Schlagzeilen sorgt momentan Daniel Düngel, Vizepräsidendent des Landtags in Nordrhein-Westfalen. Der Politiker der Piratenpartei wird nach Medienberichten wegen Schulden von Gläubigern verfolgt. Gegen ihn soll ein Haftbefehl vorliegen.

Allerdings geht es wohl nicht nur bei Düngel privat, sondern auch in der Berichterstattung über seine Schulden drunter und drüber. Viele Berichte erwecken den Eindruck, als werde der Landtags-Vize wie ein Drogenhändler von der Polizei gesucht. Auch die Leserkommentare der Online-Medien klingen mitunter so, als werde Düngel bald nicht in langweiligen Sitzungen schmoren. Sondern dauerhaft im Knast.

Wenn Düngel lediglich private Schulden hat (und mehr ist momentan nicht bekannt), ist das alles nicht der Fall. Vielmehr ist dem Abgeordneten in diesem Fall nicht die Polizei auf den Fersen, sondern der Gerichtsvollzieher. Dieser treibt offene Forderungen ein. Allerdings nur solche, die von einem Gericht festgestellt worden sind. Also in einem förmlichen Urteil. Oder, wenn es zu einem gerichtlichen Mahnverfahren gekommen ist, in einem Vollstreckungsbescheid. Das geschieht in einem Verfahren, das über mehrere Stufen läuft und in dem sich der Betroffene juristisch wehren kann.

Entweder hat Düngel diese Gegenwehr nicht geleistet. Oder die Forderungen sind berechtigt. Wenn Rechtsmittelfristen bereits abgelaufen sind, kommt es ohnehin nicht mehr darauf an, ob die ursprüngliche Forderung tatsächlich bestand. Normalerweise schicken Gläubiger den Gerichtsvollzieher erst los, wenn der Schuldner keine Rechtsmittel mehr einlegen kann.

Zunächst hält der Gerichtsvollzieher Ausschau, ob beim Schuldner was zu holen ist. Er pfändet Autos, teure Fernseher, Sportboote oder Schmuck. Ist dagegen nichts da (oder für den Gerichtsvollzieher auffindbar), kann er den Schuldner zur sogenannten eidesstattlichen Versicherung bitten. Folgt der Schuldner dieser Einladung nicht, dann kann gegen ihn ein Haftbefehl erlassen werden. Trifft oder findet der Gerichtsvollzieher den Schuldner dann irgendwo, kann er den Haftbefehl vollstrecken. Das allerdings auch mit Hilfe der Polizei, sofern sich der Schuldner widersetzt.

Wichtig ist hierbei aber, dass mit dem Haftbefehl nicht eine Art Untersuchungshaft verbunden ist. Der Haftbefehl ist kein strafrechtlicher Haftbefehl. Deshalb muss der Landtag auch nicht Düngels Immunität aufheben. Die Immunität eines Abgeordneten erstreckt sich lediglich auf den Schutz vor Strafverfolgung.

Der Haftbefehl, über den wir hier reden, hat aber nichts mit möglichen Straftaten zu tun. Der zivilrechtliche Haftbefehl ist nur darauf gerichtet ist, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durchzusetzen. Die „Haft“ darf deshalb auch nur so lange dauern, bis der Schuldner die Formblätter über sein Einkommen und sein Vermögen ausgefüllt hat. Dann muss er sofort wieder entlassen werden, auch wenn er keinen Cent auf den Tisch gelegt hat.

Es kommt auch nicht darauf an, ob das Vermögensverzeichnis richtig ist. Stellt es sich als falsch oder unvollständig heraus, wäre das allerdings eine Straftat. Und dann wirklich Gegenstand eines späteren Ermittlungsverfahrens durch die Polizei.

Die bisherigen Informationen geben aber lediglich was dazu her, dass Düngel private Schulden derzeit offenbar nicht bedient und deshalb massiven zivilrechtlich Ärger hat. Schon das ist extrem unschön und natürlich verheerend für einen herausgehobenen Politiker und seine Partei. Aber kriminell muss Düngel deswegen noch lange nicht sein.

Update: Düngel wird nach eigenen Angaben sein Amt als Landtagsvizepräsident abgeben.

Die Trolle von der Polizei

„Die Trolle von der Polizei“, heißt ein Artikel auf Zeit Online. Kai Biermann beschäftigt sich darin mit den ständig wiederholten Forderungen des Bundes Deutscher Kriminalbeamter nach einer Ausweitung polizeilicher Befugnisse. Die Gewerkschaft nimmt jedes Verfahren, jetzt den Prozess gegen den schießenden Lkw-Fahrer, zum Anlass, um nach schärferen Gesetzen zu verlangen.

Dabei scheut der Bund Deutscher Kriminalbeamter auch nicht davor zurück, Opfer und Angehörige zu instrumentalisieren. Statt sachlicher Argumente für mehr polizeiliche Befugnisses heißt es dann: „Fragen Sie bitte mal die Angehörigen des Opfers, was diese davon halten.“ Biermann kontert:

Nein, Opfer von Verbrechen und deren Angehörige werden aus gutem Grund nicht gefragt, wie die Täter ermittelt und bestraft werden sollen. Würde das getan, würden reihenweise Verdächtige gefoltert und Täter hingerichtet. Auge um Auge wäre das Prinzip, und das Ergebnis wären Rache und Gewalt. Deswegen gibt es Gesetze und Gerichte, die nüchtern abwägen.

Zum Artikel

Freispruch für Wunderheiler

Wunderheiler genießen bei der Justiz keinen besonders guten Ruf. Ich rede jetzt nicht von Anwälten, die ihren Mandanten fernab von jeder Realität grundsätzlich das Blaue vom Himmel versprechen. Sondern von mutmaßlichen Scharlatenen im medizinischen Bereich, die mit Pendeln, Handauflegen und Fernheilung ihr Geld verdienen. Mit so jemanden musste sich das Amtsgericht Gießen jetzt beschäftigen. Und ging überraschend milde mit ihm um.

Der Wunderheiler kurierte seine Patienten nur mit „geistigen Kräften“. Diese Kräfte wirken laut seiner Eigenwerbung gleichermaßen gegen Krebs, Demenz, Alzheimer, Hepatitis, HIV und vieles andere mehr. Für ein Honorar von 60 bis 1.000 Euro legte der Mann den Kunden seine Hände auf oder schickte seine positiven Energien durchs Telefon.

Dabei muss er durchaus überzeugend gewirkt haben. Denn vor dem Strafrichter mochte kein einziger der geladenen Patienten sagen, er fühle sich durch den Wunderheiler finanziell geschädigt. Da ein Betrug somit kaum zu bejahen war, blieb nur ein Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz.

Das Heilpraktikergesetz ist jedoch nach Auffassung des Amtsgerichts Gießen gar nicht anwendbar. Eine verbotene Heilbehandlung setze nämlich voraus, dass der „Eingriff“ auch schädliche Wirkungen haben könne. Das sei beim Handauflegen oder gar der Fernbehandlung jedoch ausgeschlossen.

Zu Gute kam dem Angeklagten, dass er seinen Kunden in keinem Fall von Arztbesuchen abriet. Mehrmals soll er sogar von sich aus (schul-)medizinische Behandlung empfohlen haben. Der Betroffene wurde im Ergebnis freigesprochen (Aktenzeichen 507 Cs 402 Js 6823/11).

Regierung will WLANs befreien

Die Bundesregierung arbeitet nach Presseberichten an einer Offensive, die mehr öffentlich zugängliches Internet verfügbar machen soll. Insbesondere Wirte und Hoteliers sollen nicht mehr für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden haften müssen.

Ein entsprechender Gesetzentwurf soll kurzfristig vorgelegt werden. Die große Frage ist allerdings, ob es dann mit diesem gelingt, den Fuß von Innovationsbremse der namens Störerhaftung zu nehmen. Denn an sich sind Gastronomen und andere Betreiber von freien WLANs schon heute sogenannte „Access Provider“. Nach dem Telemediengesetz haften sie grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden.

Allerdings wird diese Freiheit dadurch konterkariert, dass nach Auffassung vieler Gerichte Haftungsregeln aus dem Zivilrecht hierdurch nicht berührt sein sollen. Durch die Hintertür werden Gastronomen also doch in die Verantwortung genommen. Was ihre Lust, freies WLAN ohne riesengroße Anmeldeprozeduren anzubieten, natürlich enorm verringert.

Man darf also gespannt sein, ob das neue Gesetz wirklich was ändert. Oder ob, wie etwa bei der Regelung der Streitwerte in Filesharing-Fällen, erst einige Anläufe bis zu einer brauchbaren gesetzlichen Lösung nötig sind.

RA Thomas Stadler zum gleichen Thema

Informationsfreiheit darf nicht an Kosten scheitern

Das Bundesinnenministerium hat mit künstlich überteuerten Bescheiden versucht, Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auszuhebeln. Nur fünf Prozent der geforderten Gebühren bleiben nach einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts in einem Verfahren übrig. Journalisten sollten für Auskünfte ursprünglich 14.952,20 Euro zahlen. Jetzt sind es gerade mal noch 736,60 Euro.

„Das Verwaltungsgericht Berlin stellt klar, dass Behörden potentielle Antragsteller nicht mit ihren Gebühren abschrecken dürfen“, sagt Dr. Anja Zimmer, Geschäftsführerin des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) NRW. Die Richter bescheinigen dem Ministerium, sich mit der willkürlichen Stückelung des Antrags in 66 (!) Einzelbescheide rechtswidrig verhalten zu haben. Die Journalisten hatten für die WAZ-Mediengruppe (heute Funke) im Vorfeld der Olympischen Spiele in London zur Verteilung von Steuergeldern recherchiert.

Mit Unterstützung des DJV legten sie gegen 64 der 66 Bescheide Widerspruch ein. Das Verwaltungsgericht gibt ihnen in allen 64 Fällen Recht. Das Ministerium hatte den Ende 2011 gestellten Auskunftsantrag in fünf Olympia-Stützpunkte, 27 Sportverbände und 34 Zielvereinbarungen unterteilt und daraus 66 Einzelbegehren abgeleitet. Durch die künstliche Aufteilung erhöhten sich die Gebühren für die Auskunft erheblich.

Das Verwaltungsgericht macht im nun schriftlich vorliegenden Urteil aber deutlich: Auskunftsansprüche dürfen nicht beliebig unterteilt werden, um Auskunftssuchende durch unkalkulierbar hohe Kosten abzuschrecken. Die 66 willkürlich festgesetzten Themengebiete seien genauso „untauglich“, wie es etwa die Anzahl von beantragten Jahren oder die Anzahl von betroffenen Einzelvorgängen gewesen wäre.

Zusätzlich zu den Gebühren hatte das Ministerium noch über 2.000 Euro für Kopien geltend gemacht. Auch die hält das Gericht für rechtswidrig. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für solche Auslagen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Verwaltungsgericht Berlin die Berufung zugelassen (Aktenzeichen VG 2 K 232.13).

Rockerkutten: Auf der Kirmes tabu

Rocker dürfen auf der Cranger Kirmes ihre Kutten nicht tragen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte heute ein entsprechendes Verbot der Stadt Herne.

Betroffen sind neben anderen die Trachten der in Nordrhein-Westfalen vertretenen Rockergruppen „Bandidos MC“, „Hells Angels MC“, „Satudarah MC“,„Gremium MC“ und „Freeway Riders MC“. Ein Mitglied der „Freeway Riders“ hatte vorläufigen Rechtsschutz beim Gericht erbeten, fand dort aber keine offenen Ohren.

Die Stadt Herne hat nach Auffassung des Gerichts plausibel dargelegt, dass sie mit dem Verbot „massive Gewaltausbrüche“ verhindern will. Demgegenüber seien die Freiheitsrechte des Antragstellers nicht allzu schwer beeinträchtigt, da er abseits des Kirmesplatzes seine Kutte tragen dürfe (sofern nicht ein anderes Verbot eingreift). Außerdem hindere ihn niemand daran, gemeinsam mit seinem Chapter in Zivil auf die Kirmes zu gehen.

Das Gericht prüfte den Sachverhalt nur eingeschränkt im Rahmen des Eilverfahrens. Der Rocker kann gegen das Verbot nun eine Klage einreichen (Aktenzeichen 16 L 1180/14).

Hausordnungen müssen länger werden

Bei großen Prozessen, vor allem solchen mit großem Medieninteresse, sind „sitzungspolizeiliche Anordnungen“ heute eine Selbstverständlichkeit. Darin regelt der Vorsitzende des Gerichts, ob und wie Besucher kontrolliert werden, wo Kameras postiert werden können, ob Journalisten im Saal Notebooks nutzen dürfen und vieles mehr.

Ab sofort wird es für die Richter etwas anspruchsvoller, solche Regeln zu formulieren. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich entschieden, dass die Anordnungen nicht allzu karg ausfallen dürfen. Die Verfügung las sich meist wie eine Hausordnung („… ist nicht gestattet“, „… sind nicht zulässig“). Begründung für die einzelnen Maßnahmen? Meist Fehlanzeige.

Genau die fehlende Begründung akzeptiert das Gericht jedoch nicht. Im Rahmen eines Mordprozesses, der in Hamburg läuft, gab das Gericht jetzt dem Axel Springer Verlag recht. Nicht so sehr deshalb, weil die vom Richter aufgestellten Regeln die betroffenen Journalisten zu sehr knebeln. Sondern schlicht schon deswegen, weil der Vorsitzende nicht reingeschrieben hat, warum er die einzelnen Einschränkungen (zum Beispiel ein Interviewverbot im Sitzungssaal) für erforderlich hält.

Auch bei Anordnungen zum Sitzungsablauf sei ein Richter verpflichtet, die Gründe für seine Entscheidung offenzulegen. Das müsse durch eine nachvollziehbare Abwägung geschehen. Nachträglich, so das Gericht ausdrücklich, kann die Begründung nicht mehr geliefert werden.

Der betreffende Vorsitzende kann sich dann mal gleich an die Arbeit machen. Der nächste Sitzungstag ist am Montag (Aktenzeichen 1 BvR 1858/14).

Hausdurchsuchung – was tun?

„Hausdurchsuchung – was tun?“ Das ist der Titel meines aktuellen Beitrags, den ich für die Website der ARAG geschrieben habe. In loser Folge beleuchte ich die wichtigsten Dinge, die man beim Umgang mit der Polizei wissen sollte. Heute erkläre ich, wie eine Hausdurchsuchung abläuft.

Viel Spaß beim Lesen.

Tier-Selfie: Schlechte Nachrichten für den Affen

Es ist ausgerechnet ein Affe, der momentan das Urheberrecht wieder in die Diskussion bringt. Der Affe hat sich nämlich am Set eines Naturfotografen vor Jahren die Kamera gekrallt und etliche Selfies geschossen. Die freie Datenbank Wikimedia weigert sich trotz Aufforderung durch den Fotografen, das Foto zu löschen. Denn Urheber sei ja der Affe, und der hat sich definitiv noch nicht bei Wikimedia beschwert.

Auch wenn der Fall lustig ist, juristisch ist die Lösung nicht sonderlich schwer. Zumindest nicht nach deutschem Recht.

Tierfreunde müssen jetzt stark sein. Der Affe ist schon mal raus aus dem Spiel. Er kann sich von möglichen Tantiemen also keinen goldenen Bananenständer kaufen. Denn Tiere können keine (Urheber-)Rechte erwerben.

Tiere gelten nach der brillanten Formulierung des Bürgerlichen Gesetzbuches zwar nicht als Sachen. Aber – die Vorschriften für Sachen sind auf sie anzuwenden. Die Folge: Mangels der Fähigkeit, irgendwelche Rechte zu erwerben, ist es dem schwarzen Makaken unter anderem schlicht unmöglich, Internetnutzer abzumahnen, die sein Selfie ins Netz stellen.

Bleibt also nur der Fotograf. Bei ihm bedarf es lediglich eines schöpferischen Aktes, um Rechteinhaber zu werden. Dafür sind die Hürden aber ziemlich niedrig angesetzt. Bei Fotos reicht es, dass man – Stichwort Wild- und Überwachungskameras – das Blickfeld justiert und einen Timer programmiert. Deshalb gibt es auch problemlos Urheberrechte selbst für das schlechteste Foto der Welt.

Insofern könnte dem Fotografen allenfalls seine eigene Geschichte des Bildes um die Rechte bringen. Er sagt ja, er habe die Szenen nicht arrangiert, sondern der Affe habe sich ungeplant an seiner Kamera zu schaffen gemacht und die Bilder seien quasi zufällig entstanden. Ob das für ein Urheberrecht reicht? Kann man, wie so häufig bei juristischen Fragen, so und auch anders sehen.

Bei Selfies aus Menschenhand ist übrigens gar nichts streitig. Wer – abgesehen vielleicht von professionellen Studioarrangements – fotografiert, der gilt als Urheber. Es kommt bei Fotos weder auf die Qualität an noch darauf, wer alles im Hintergrund lächelt.

Allerdings bedeutet das nicht, dass der Urheber eines Bildes damit machen kann, was er will. Er muss wiederum die Persönlichkeitsrechte der Personen beachten, die er mit ins Visier genommen hat. Affen wiederum ausgenommen.

Deutsche Anbieter scannen keine Mail-Inhalte

Die großen deutschen Internetanbieter Telekom, Web.de und GMX scannen die Mails ihrer Kunden nicht auf Kinderpornografie. Das erklärten die Unternehmen als Reaktion auf die bekanntgewordene Praxis von Google und Microsoft, mit einer Software in Nutzerpostfächern und Cloudspeichern ohne behördlichen Auftrag nach solchen Inhalten zu suchen.

„Eine inhaltliche Überwachung der E-Mails halten wir nicht für vereinbar mit deutschem Datenschutz“, zitiert heise online aus einer Stellungnahme der Firma United Internet. Zu United Internet gehören Web.de und GMX. Auch die Telekom hat sich laut dem Bericht entsprechend geäußert.

Alle drei Firmen betonen außerdem, dass sie die Mails ihrer Kunden auch nicht inhaltlich scannen, um effektivere Werbung einblenden zu können. Dies tun zum Beispiel Google und Yahoo. Einen Check auf Schadsoftware machen allerdings auch die deutschen Anbieter. Dieser ist aber nach dem Telekommunikationsgesetz auch erlaubt, so lange der Anbieter nicht von Inhalten Kenntnis nimmt.

In diesem Beitrag habe ich vor einigen Tagen bereits erläutert, warum sich die Verantwortlichen bei Google mit ihrem Engangement möglicherweise selbst strafbar machen.

Selfies am Steuer

Der Siegeszug des Selfies ist offenbar nicht aufzuhalten. Sogar am Steuer ihres Autos können viele nicht mehr die Finger vom Auslöser lassen. Das deutet zumindest eine neue Umfrage im Auftrag von Ford an. Danach haben sich bereits 25 Prozent aller jungen Menschen in Europa am Steuer selbst geknipst – und zwar während der Fahrt.

Während der Fahrt werden aber nicht nur fleißig Selfies geschossen. 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen verkürzen sich bei uns in Deutschland die Autofahrt am Steuer mit Social Media, Facebook und Twitter etwa. Für beides wird laut der Umfrage natürlich vorwiegend das Handy genutzt.

Die Ausrede, dass man doch gar nicht telefoniert, sondern nur ein klitzekleines Selfie geschossen hat, hilft in Deutschland wenig. Nach der gesetzlichen Regelung in der Straßenverkehrsordnung reicht es aus, wenn das Telefon „aufnimmt“ oder „hält“. Aus welchem Grund, ist den Gerichten mittlerweile ziemlich egal.

Deshalb kostet auch ein Selfie das gleiche wie ein Telefonat am Steuer. 60 Euro Bußgeld werden fällig. Dazu kommt ein Punkt in der Verkehrssünderkartei. Da nach der Punktereform jetzt schon bei acht Punkten der Führerschein weg ist und oft mehrere Verstöße zusammenkommen, kann man von einer Bagatelle kaum noch reden.

Auch Radfahrer können wegen Selfies Ärger bekommen. Ein Fahrrad gilt nämlich ebenfalls als Fahrzeug. Allerdings werden Radfahrer nur mit 25 Euro zur Kasse gebeten.

Anders ist die Rechtslage bei normalen Digitalkameras. Diese sind definitiv keine Mobiltelefone, so dass man als Autofahrer höchstens wegen Verstoßes gegen die allgemeine Vorsichtspflicht dran sein kann. Jedenfalls so lange das Selfie zu keinem Unfall oder einer konkreten Gefährdung geführt hat, wird es dann nur ein ansonsten folgenloses Verwarnungsgeld geben.

Eine im Licht des Handyverbots juristisch bislang nicht näher beleuchtete Spezies sind Tablets. Nicht auszuschließen, dass ein Gericht auch diese Geräte mal als Mobiltelefon bewertet, gerade wenn eine SIM-Karte eingesetzt werden kann. Am sichersten ist es für ein Selfie oder den nächsten Tweet auf jeden Fall: anhalten und Motor ausschalten. Oder gleich den Beifahrer fotografieren oder posten lassen.

Was planen Regierung?

Wer wissen will, was die Bundesregierung so an Gesetzen in der Pipeline hat, ist seit heute schlauer. Netzpolitik.org veröffentlichte heute die gesamte interne Vorhabendokumentation für alle Ministerien. Und das, obwohl das Portel für eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz eine Abfuhr erhalten hatte.

Laut netzpolitik.org hatte sich die Regierung geweigert, den Datenbestand herauszugeben. Ein Bekanntwerden der Pläne, heißt es in der Ablehnung, gefährde „die ungestörte interne Meinungsbildung ohne äußere Einflussnahme in einem frühen Stadium der Projekte“. Die Regierung beruft sich also auf ihre „Planungshoheit“. Ein Argument, über das man sicher diskutieren kann.

Allerdings scheint jemand doch eine Notwendigkeit zu sehen, dass schon früh Transparenz ins Gesetzgebungsverfahren kommt. Vielleicht auch deswegen, weil die aktuelle wie alle vorherigen Regierungen bekanntermaßen Lobbyverbände weitaus früher mit Informationen und Mitspracherechten versehen als den einfachen Bürger.

Netzpolitik.org wurde die Vorhabendokumentation mit Stand zum 23. Juni 2014 zugespielt. Nun ist sie als PDF komplett online. Es darf also gestöbert werden.

Das gilt übrigens auch für die aktuellen Bücher von Autoren bei netzpolitik.org: Beckedahl / Lüke: Die digitale Gesellschaft: Netzpolitik, Bürgerrechte und die Machtfrage und Beckedahl / Meister (Hrsg.): Überwachtes Netz: Edward Snowden und der größte Überwachungsskandal der Geschichte (Amazon Partner-Links)

93-jähriger SS-Mann muss mit Anklage rechnen

Die Staatsanwaltschaft Hamburg muss möglicherweise einen 93-Jährigen vor Gericht bringen. Es geht um Kriegsgräuel, für die der Mann als Führer einer SS-Panzergrenadierkompanie im Jahr 1944 mitverantwortlich sein soll. Damals hatten deutsche Soldaten rund um den italienischen Ort Sant’Anna di Stazzema mehrere Hundert wehrlose Zivilisten getötet, die meisten davon Frauen und Kinder.

Während die Verfahren gegen vier andere Tatverdächtige mittlerweile rechtswirksam eingestellt sind, wird seit Jahren um die Verantwortung des 93-Jährigen gestritten. Die Staatsanwaltschaft und auch die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart sahen keinen hinreichenden Tatverdacht und wollten deshalb nicht weiter tätig werden.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe bewertet den Fall jedoch anders. Dem Mann müsse als kommandierendem Offizier bekannt gewesen sein, dass die Einsatzbefehle sich nicht gegen Partisanen richteten, was im Krieg möglicherweise zulässig sein kann. Vielmehr sei es erkennbar um die „Vernichtung der Zivilbevölkerung“ des gesamten Ortes gegangen.

Von einer dauernden Verhandlungsunfähigkeit des Mannes gehen die Richter derzeit nicht aus. Ob jetzt wirklich Anklage erhoben wird, muss nun die Staatsanwaltschaft Hamburg entscheiden. Der frühere Offizier ist mittlerweile nach Hamburg gezogen, so dass die dortige Staatsanwaltschaft zuständig ist (Aktenzeichen 3 Ws 285/13).

Sant’Anna di Stazzema – Artikel in der Wikipedia