Der bedrohte Richter

Mit einem eher ungewöhnlichen Anfechtungsgrund gehen die Verteidiger eines mutmaßlichen Schlägers gegen das Urteil vor. Sie sagen, der Vorsitzende Richter sei massiv bedroht worden – ohne dies in der Hauptverhandlung mitzuteilen. Am Ende des Verfahrens stand ein hartes Urteil. Die Anwälte werfen nun die Frage auf, ob die Drohungen am Ende nicht vielleicht sogar gewirkt haben.

Wenn die von Spiegel Online geschilderten Hintergründe zutreffen, lässt sich sicher darüber diskutieren, ob der Vorsitzende Richter befangen war. Immerhin gingen die Drohungen wohl weit über das hinaus, was Richter, wie es der zitierte Gerichtssprecher formuliert, normalerweise aushalten müssen.

Ich kenne es aus meiner Praxis auch eher, dass so massive Umstände der Verteidigung zumindest mitgeteilt werden – es muss ja zunächst nicht unbedingt in der öffentlichen Hauptverhandlung passieren. Oder dass man es ohnehin erfährt, weil einem die Personenschützer im Gerichtssaal kaum entgehen. Das Bedrohungsszenario den anderen Prozessbeteiligten über einen längeren Zeitraum vorzuenthalten, führt dann halt notgedrungen zu Zweifeln an der Objektivität des Richters.

Die Frage ist halt nur, ob die späte Erkenntnis seiner Anwälte dem Angeklagten noch etwas hilft. Einen Befangenheitsantrag hätte der Angeklagte bis zum Ende seines letzten Wortes stellen müssen. Richter können sich zwar auch selbst ablehnen. Dass sie dies trotz guter Gründe unterlassen haben, kann mit der Revision nicht erfolgreich gerügt werden. Hätten die Anwälte früher etwas erfahren, hätten sie einen Befangenheitsantrag zumindest stellen können, über den das Revisionsgericht nun entscheiden müsste.