Stadtrat darf nicht einfach gefeuert werden

Das Bundesverwaltungsgericht setzt dem Ausschluss von gewählten Mitgliedern eines Stadtrat enge Grenzen. So eigne sich nicht jede Straftat eines Ratsabgeordneten, diesem seine Aufgabe zu entziehen.

Ein Ratsmitglied aus Trier war zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er soll gemeinsam mit anderen einen Mann verprügelt haben, der Plakate der Partei des Ratsmitglieds abgehängt hatte.

Nach der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung kann ein Ratsmitglied ausgeschlossen werden, wenn er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde und er „die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat“.

Laut dem Gericht reicht es nicht, wenn die Verurteilung das Ansehen des Stadtrates beeinträchtigt oder die Gefahr entsteht, dass Bürger das Vertrauen in die Politik verlieren. Vielmehr müsse ganz konkret die Funktionsfähigkeit des Rates gefährdet sein. Auf diesen Umstand war der Ausschluss gar nicht gestützt worden.

Nur mit dieser einschränkenden Auslegung sei die Vorschrift überhaupt verfassungsgemäß, so das Gericht (Aktenzeichen BVerwG 10 C 11.14).

Keine Wahrheit um jeden Preis

Mit deutlichen Worten kritisiert eine bayerische Strafrichterin die Polizei. Bei Mordermittlungen haben Polizeibeamte möglicherweise so geschlampt, dass der wahre Täter wohl nicht ermittelt werden kann. Ein bislang Hauptverdächtiger, der Ehemann des Opfers, wurde jedenfalls jetzt freigesprochen.

Nach Auffassung des Gerichts haben die Beamten hochgradig schlampig gearbeitet, so dass wichtige Spuren nicht gesichert wurden. Die Beamten der Erdinger Kriminalpolizei hätten zunächst nicht erkannt, dass die 60-jährige Frau wohl eines gewaltsamen Todes starb. Dann wischten die Beamten am Tatort Blutspuren weg und erlaubten schließlich dem Ehemann, das Bad zu putzen. Außerdem sei die Körpertemperatur der Leiche mit einem Fleischerthermometer gemessen worden, und das auch nur einmal, obwohl zwei zeitlich auseinander liegende Messungen erforderlich sind.

Nachdem sich der Verdacht gegen den Ehemann trotzdem verstärkt habe, sei dieser nicht vorschriftsgemäß als Beschuldigter belehrt worden. Folge: Seine Aussage hält das Gericht nicht für verwertbar. „Rechtsstaatlichkeit geht vor Wahrheitsfindung“, sagte die Richterin. Sie sei bedrückt, weil nicht nur geschlampt, sondern auch die Gesetze verletzt wurden.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung

Legitimierende Vollmacht

Aus meiner Korrespondenz mit einem Staatsanwalt:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Vetter,

Ihr obiges Schreiben habe ich erhalten. Ich darf Sie bitten, eine Sie legitimierende Vollmacht nachzureichen, damit ich Ihrem Gesuch entsprechen kann.

Meine Antwort:

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt,

bitte teilen Sie mir mit, aufgrund welcher Rechtsgrundlage Sie eine schriftliche Vollmacht anfordern.

Ich verweise darauf, dass es mittlerweile einhellige Auffassung ist, dass ein anwaltlicher Verteidiger im Ermittlungsverfahren ohne besondere Gründe keine schriftliche Vollmacht vorzulegen hat.

Ich wäre dann ggf. interessiert, worin Sie in diesem Fall möglicherweise diese besonderen Gründe sehen.

Mit freundlichen Grüßen

Bisher habe ich am Ende übrigens noch jede Akte erhalten. Spätestens die Vorgesetzten des Betreffenden wissen meist Bescheid.

Auch Straftäter müssen Steuern zahlen

Ein aktueller Fall ruft eine für Straftäter unangenehme Wahrheit in Erinnerung: Auch für Erlöse aus Straftaten, zum Beispiel Betrug oder Drogenhandel, muss man Steuern zahlen. Geschieht dies nicht, kann das Steuerdelikt zu einer zusätzlichen Strafe führen.

Diese Erfahrung machte jetzt ein 42-Jähriger in Bremen. Er stand vor Gericht, weil er seinem Arbeitgeber Telefonkarten entwendet und weiterverkauft hat. Insgesamt hat der geständige Angeklagte mit den Telefonkarten rund 900.000 Euro umgesetzt. Darauf hätte er nach Berechnungen der Steuerfahndung mindestens 350.000 Euro Steuern zahlen müssen.

Nachdem er wegen der Telefonkarten bereits zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden war, stand der Mann jetzt wegen Steuerhinterziehung erneut vor Gericht. Heraus kam immerhin eine Verständigung, die im wesentlichen auf eine zweijährige Bewährungsstrafe hinausläuft. Der Angeklagte muss also nicht ins Gefängnis.

Im Prozess wurde diskutiert, ob die Steuerpflicht für Straftäter verfassungsgemäß ist. Nach Auffassung des Verteidigers läuft sie auf einen verfassungswidrigen Zwang zur Selbstanzeige hinaus. Der Richter sah das eher so wie die weitaus überwiegende Rechtsprechung. Danach schützt das Steuergeheimnis auch Straftäter hinreichend davor, dass sie sich faktisch selbst „belasten“ müssen.

Eine andere Frage wäre im vorliegenden Fall auch, ob das erste Urteil nicht eine weitere Verurteilung sperrt. Aber auch das wird meist so nicht gesehen, weil die eigentliche Straftat und das Steuerdelikt als unterschiedliche „Lebenssachverhalte“ angesehen werden.

Seitdem Staatsanwaltschaften nach Gesetzesänderungen auch verstärkt auf die finanzielle Seite von Verfahren (zum Beispiel die Sicherung von Vermögenswerten) achten müssen, wird durchaus häufiger auf die Steuerdelikte geachtet. Allerdings ist es gerade bei kleiner oder mittlerer Kriminalität aber immer noch die Regel, dass in die Richtung nichts passiert.

Weitere Einzelheiten berichtet die Legal Tribune Online.

Unnatürliche Ausbuchtung

Wegen Drogenhandels muss sich nächste Woche ein Mann in Hannover verantworten. Das ist nicht ungewöhnlich, die Umstände seiner Verhaftung aber schon.

Der Betreffende war als Fahrgast eines Taxis in eine Verkehrskontrolle geraten. Den aufmerksamen Beamten fiel auf, dass der Mann eine „unnatürliche Ausbuchtung“ in der Hose hatte, wie es das Amtsgericht in einer Pressemitteilung formuliert.

Bei der Durchsuchung des Mannes fanden die Polizeibeamten eine schwarze Socke in der Unterhose des Mannes, die mit 50,6 g Kokain gefüllt war.

Asylverfahren: Ungarn am Pranger

Das Asylverfahren in Ungarn leidet an systemischen Mängeln. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren die Überstellung eines syrischen Flüchtlings in den EU-Mitgliedstaat gestoppt.

Nach den Regeln der sog. Dublin-III-Verordnung (Dublin-III-VO) ist für innerhalb der EU gestellte Asylanträge grundsätzlich der Mitgliedstaat zuständig, den der Flüchtling als erstes betritt bzw. in dem er zuerst um Schutz nachsucht. Flüchtlinge, die sodann in einem anderen EU-Mitgliedstaat Asyl beantragen, werden daher in der Regel an den zuständigen Staat verwiesen und können dorthin überstellt werden.

Ausnahmsweise muss aber der zweite Mitgliedstaat das Asylverfahren selbst durchführen, etwa wenn das Asylverfahren im betreffenden Mitgliedstaat an sogenannten systemischen Mängeln leidet. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hatte dies im Jahr 2011 für Griechenland festgestellt.

Die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin bejahte diese Mängel nun auch für Ungarn. Denn die Praxis dieses Staates, Asylbewerber ausnahmslos in Asylhaft zu nehmen, verstoße gegen das in Art. 6 der EU-Grundrechtecharta kodifizierte Recht auf Freiheit.

Aktuelle Berichte insbesondere des UNHCR, von ProAsyl und auch des Auswärtigen Amtes belegten, dass Ungarn Asylbewerber ohne Angabe von Gründen zum Teil bis zu sechs Monate inhaftiere, ohne dass dies tatsächlich notwendig sei; zudem werde Flüchtlingen die individuelle Überprüfung der Inhaftierung regelmäßig vorenthalten, und auch eine gesetzlich vorgesehene Kontrolle werde oftmals erst nach zwei Monaten durchgeführt und beschränke sich auf eine durchschnittlich nur drei Minuten dauernde Anhörung (Aktenzeichen VG 23 L 899.14).

Ein netter Zug

Vor einigen Monaten habe ich in einer größeren Sache telefonisch mit einem Richter etliche Verhandlungstermine ausgemacht. Für Januar bis März. Das gelang mir allerdings nur suboptimal, denn am 2. Februar hatte ich eigentlich schon einen anderen Gerichtstermin. Das habe ich bei dem Telefonat schlicht übersehen.

Das Missgeschick fiel mir erst jetzt auf, als mir mal meine Termine für die nächsten zwei, drei Wochen näher anschaute. Gleichzeitig in Hagen und Köln, das würde an dem Tag wohl kaum klappen. Ich musste also schauen, dass einer der Termine aufgehoben wird. Das allerdings war leichter als befürchtet.

Der von mir angesprochene Vorsitzende Richter hörte sich das Problem an. Er war ohne großes Diskussion bereit, mit mir nach einem tauglichen Ausweichtermin zu suchen, mit dem wir ebenso die Drei-Wochen-Frist wahren konnten, für die eine Hauptverhandlung längstens unterbrochen werden kann. Das gelang uns trotz des begrenzten Zeitfensters dann auch, und ich war diese Sorge los.

So ein Entgegenkommen ist natürlich keineswegs selbstverständlich. Zumal jetzt ja nicht nur das Gericht umdisponieren muss, sondern auch einige Zeugen umgeladen werden müssen. Insgesamt war das Ganze also keineswegs selbstverständlich und ein verdammt netter Zug. Und jetzt gehe ich mich schämen wegen des Kalender-Fiaskos.

Kein guter Tag für Balkonraucher

Dürfen Wohnungsmieter auf ihrem Balkon rauchen, wenn sich Nachbarn dadurch gestört fühlen? Zu dieser Frage hat der Bundesgerichtshof heute ein wegweisendes Urteil gefällt. Es fällt eher ungünstig für die Raucher aus.

Die Vorinstanzen hatten es sich einfach gemacht. Rauchen auf dem Balkon sei Teil der üblichen Wohnungsnutzung, außerdem sei die freie Entfaltung der Persönlichkeit ein Grundrecht. So einfach ist es aber nicht, meint dagegen der Bundesgerichtshof.

Nach dem Urteil ist auch Zigarettenrauch von einem Nachbarbalkon eine schädliche Immission, nicht anders als Lärm, Gerüche und Ruß. Diese Einwirkungen müsse kein Wohnungsmieter dulden, sofern sie als wesentliche Beeinträchtigung empfunden werden. Dabei, so das Gericht, kommt es nicht auf den Kläger, sondern auf das „Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen“ an.

Sollte der Zigarattenrauch die Bagatellschwelle überschreiten, müssten die wechselseitigen Interessen abgewogen werden. Hier biete sich an, das Rauchen zu bestimmten Zeiten zu erlauben. Wie das konkret aussieht, müsse der Richter im Einzelfall entscheiden.

Die betroffenen Mieter hatten auch eingewandt, dass vom Zigarettenrauch eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Hier weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die deutschen Nichtrauchergesetze Rauchen im Freien nicht untersagen. Deshalb müssten die Betroffenen im Einzelfall nachweisen, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung vorliegt. In diesem Fall müsse dann ebenso wie bei bloßer Belästigung eine Zeitregelung gefunden werden.

Das Landgericht Potsdam muss die Sache nun neu entscheiden (Aktenzeichen V ZR 110/14).

Probezeit

Aus einem Arbeitsvertrag:

Frau Sabine S. tritt ab 1.3.2015 als Alten- und Krankenpflegerin in den Dienst des Unternehmens. Die Zeit bis zum 31.8.2014 gilt als Probezeit.

Wenn der Arbeitgeber während der Probezeit kündigen sollte und eine (dann kürzere) Kündigungsfrist geltend macht, freut sich im Zweifel einer: der Arbeitsrechtler.

Neue Grenzwerte

Der Bundesgerichtshof hat für einige synthetische Cannabinoide, die sich häufig in Kräutermischungen und „Badesalzen“ finden, den Begriff der nicht geringen Menge definiert. Demnach gelten künftig folgende Werte:

JWH-018 und CP 47,497-C8-Homologes: 2 g Wirkstoffmenge
JWH-073 und CP 47,497: 6 g Wirkstoffmenge

Zum Vergleich: Bei natürlichem Cannabis beträgt der Grenzwert für den Wirkstoff THC derzeit 7,5 Gramm.

Die Zahlen bedeuten nicht, dass man erst ab den betreffenden Mengen bestraft wird. Vielmehr bedeutet die Überschreitung der nicht geringen Menge in der Regel eine Strafverschärfung (Aktenzeichen 1 StR 302/13).

Peitschenhiebe für Blogger

Der saudi-arabische Blogger Raif Badawi ist nicht nur zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, sondern auch zu 1.000 Peitschenhieben verurteilt worden. Die ersten 50 Hiebe hat er bereits erhalten, jetzt stehen die nächsten an.

Bisher sind alle Proteste an der grausamen und menschenunwürdigen Strafe an der saudischen Regierung und dem Königshaus abgeperlt, berichtet Spiegel online. Derzeit könne allenfalls der Gefängnisarzt die weitere Auspeitschung stoppen. Angehörige Badawis sagen, er habe die ersten Hiebe schlecht verkraftet und es sei zu befürchten, dass er die Prozedur nicht überlebt.

Badawis ist verurteilt worden, weil er auf seiner Internetseite Liberal Saudi Network fortwährend regierungskritsche Berichte veröffentlicht und ein Meinungsforum betrieben hatte. Amnesty International setzt sich für Badawi ein und hat eine Petition gestartet.

Klarheit bei Flugpreisen

Der Endpreis für Flugreisen muss bei einer Online-Buchung sofort erkennbar sein. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Es reiche nicht, wenn der Endpreis erst im weiteren Verlauf des Buchungsvorgangs genannt werde.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte gegen Air Berlin geklagt, weil auf einer älteren Version der Buchungsseite von Air Berlin der Endpreis anfangs nur für den konkret ausgewählten Flug angezeigt wurde, nicht jedoch für alle vorgeschlagenen Verbindungen.

Die Verbraucherzentralen erhoffen sich von dem Urteil eine weitreichende Wirkung. Das Problem, erklärte der Bundesverband, liege mittlerweile bei zahlreichen Online-Reisebüros und Flugbörsen, die mit den tatsächlichen Kosten und Zuschlägen erst relativ spät im Laufe des Buchungsvorgangs rausrücken. Auch diese müssten künftig den Endpreis sofort angeben, wenn das Angebot erstmals auf dem Bildschirm erscheint (Aktenzeichen C-573/13).

Hoffnung für Syndikusanwälte

Für große Verunsicherung unter Juristen hat ein Urteil des Bundessozialgerichts geführt, nach dem Anwälte, die hauptberuflich als Firmenjuristen arbeiten, in die gesetzliche Rentenversicherung und nicht in die berufsständischen Versorgungswerke gehören. Dies wird aber voraussichtlich doch nicht umgesetzt.

Bundesjustizminister Heiko Maas präsentierte jetzt ein Eckpunktepapier, das Firmenjuristen mit „normalen“ Rechtsanwälten gleichstellt. Immerhin stellen die sogenannten Syndikus-Anwälte mit 60 bis 70 Prozent bereits die größte Gruppe unter den deutschen Anwälten.

Maas möchte klarstellen, dass es keinen qualitativen Unterschied zwischen den beiden Berufsgruppen mehr gibt. Das hätte zur Folge, dass auch Syndikusanwälte sich weiter von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen können.

Eine ausführliche Besprechung des Eckpunkte-Papiers findet sich in der Legal Tribune Online.

Keine vorschnelle Akteneinsicht

Auch in Zivilverfahren kommt es vor, dass am Verfahren Unbeteiligte Auskünfte aus den Akten haben wollen. In Frage kommen insbesondere Behörden und Versicherungen. Das Bundesverfassungsgericht stärkt den eigentlichen Prozessbeteiligten jetzt den Rücken. Sie müssen sich gerichtlich dagegen wehren können, dass Dritten Akteneinsicht gewährt wird.

Es ging um einen Beamten, dessen Dienstherr Auskünfte aus einem Vaterschaftsprozess wollte, der gegen den Mann geführt wurde. Der zuständige Richter genehmigte die Akteneinsicht für das Amt ohne nähere Begründung. Eine Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht als unzulässig.

Das Bundesverfassungsgericht fordert dagegen, dass derartige Fragen richterlich überprüft werden müssen. Dies ergebe sich schon aus der Bedeutung, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe. Bei vernünftiger Auslegung der Verfahrensvorschriften, so das Gericht, hätte die Beschwerde des Mannes in der Sache geprüft werden müssen.

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung. Bisher ist es nämlich in Zivilverfahren gängige Praxis, dass Richter nach eigenem Gutdünken über die Akteneinsicht an Dritte entscheiden. Steht künftig ein Rechtsweg zur Verfügung, wird die Entscheidung damit zumindest überprüfbar (Aktenzeichen 1 BvR 3106/09).

Ungewolltes Kind ist kein Schaden

Ob ein Kind ein Schaden sein kann, wird schon seit langem diskutiert. Das Oberlandesgericht Oldenburg musste jetzt klären, ob eine vom Arzt zu spät entdeckte Schwangerschaft zu Ersatzansprüchen führt, wenn ein Schwangerschaftsabbruch nach der Fristen- und Beratungslösung nicht mehr in Frage kommt.

Erst in der 15. Schwangerschaftswoche erfuhr eine Frau von ihrer Schwangerschaft. Und das, obwohl sie sich in der 6. Woche untersuchen ließ. Die Ärztin schloss zu dem Zeitpunkt fehlerhaft eine Schwangerschaft aus. Die Frau wollte kein weiteres Kind und machte geltend, sie hätte die Schwangerschaft abbrechen lassen, was in der 6. Woche juristisch noch möglich gewesen wäre.

Das Oberlandesgericht Oldenburg billigt der Frau aber weder Kindesunterhalt noch Schmerzensgeld zu. Das Gesetz betrachte einen Schwangerschaftsabbruch nur dann als erlaubt, wenn eine medizinische oder kriminologische Indikation vorliege. Ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund der Fristen- und Beratungslösung sei dagegen nicht akzeptiert, sondern werde nur straflos gestellt. Die bloße Straflosigkeit habe zur Folge, dass in dieser Konstellation ein Kind keinesfalls ein „Schaden“ sein kann (Link zum Urteil).