iPod oder iPhone?

Ist ein iPod ein Mobiltelefon? Diese Frage kann eine Rolle spielen, wenn mit dem iPod während der Fahrt hantiert wird. Das Amtsgericht Waldbröl hat auf diese Frage eine klare Antwort.

Nein.

Aus der Begründung des Gerichts:

Der Begriff des Mobiltelefons ist nicht gesetzlich definiert. Unter Mobiltelefon versteht man ein tragbares Telefon, das über Funk mit dem Telefonnetz kommuniziert und daher ortsunabhängig eingesetzt werden kann. Damit fallen Geräte wie das iPod, mit denen man nur über eine Internetverbindung ggf. telefonieren kann, nicht unter den Begriff des Mobiltelefons

Die Bußgeldvorschrift für die unbefugte Benutzung eines Handys am Steuer will das Gericht auch nicht entsprechend anwenden. Dies verstoße gegen das verfassungsrechtliche Analogieverbot.

Polizeibeamte müssen also scharfe Augen haben und Apple-Produkte auseinanderhalten können. Jedenfalls in den gar nicht so seltenen Fällen, in denen Betroffene nicht an Ort und Stelle angehalten werden (Aktenzeichen 44 OWI-225 Js 1055/14-121/14).

RA Detlef Burhoff zum gleichen Thema

Bulletin Board

+++ Der Präsident des Verfassungsschutzes stört sich daran, dass Bürger ihre Daten verschlüsseln. Ich störe mich daran, dass der Präsident des Verfassungsschutzs die Verfassung nicht schützt, sondern sie kaputtredet. +++

+++ Seitdem Apple iPhones mit Kill Switch ausliefert, sinkt die Rate geklauter Handys. In San Francisco sollen im letzten Jahr 40 Prozent weniger iPhones entwendet worden sein, in New York 25 Prozent. +++

+++ Der Hersteller des Früchtequarks Monsterbacke darf weiter mit dem Slogan „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“ werben. Die Werbung verstößt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht gegen die Health-Claim-Verordnung der EU. (Aktenzeichen I ZR 36/11). +++

+++ Die Stiftung Warentest muss im Zeitschriftenranking auf ein knappes „ausreichend“ abgewertet werden. Das aktuelle Heft wird nicht weiter verkauft, weil der Test von E-Mail-Anbietern fehlerhaft ist. +++

+++ Der Kapitän des vor drei Jahren havarierten Kreuzfahrtschiffes Consta Concardia ist in Italien zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht lehnte aber eine sofortige Inhaftierung mangels Fluchtgefahr ab. Francesco Schettino kann noch Rechtsmittel einlegen. Bei dem Unglück starben 32 Menschen. +++

Juristisch bedeutsamer Körperkontakt

Nicht jede Vorschrift ist auch eine Vorschrift. Das kann man aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera lernen. Die Richter mussten die Frage entscheiden, ob ein Bürgermeister bei der Verpflichtung neuer Gemeinderatsmitglieder den Neuen auch die Hand schütteln muss.

Genau das hatte der Greizer Bürgermeister verweigert. Er fand es nicht gut, dass die Greizer auch einen NPD-Mann in den Stadtrat gewählt haben. Dennoch musste der Bürgermeister diesen entsprechend der Kommunalordnung auf sein Amt verpflichten. Dabei war der Bürgermeister aber nicht bereit, dem rechten Politiker die Hand zu geben.

Das kann man als politische Geste werten. Allerdings geht es nicht nur um guten Willen, sondern auch um Paragrafen. Brisanz gewinnt der Fall nämlich daraus, dass die Thüringer Kommunalordnung dem Körperkontakt juristische Bedeutung zumisst. So heißt es in § 24:

Die Gemeinderatsmitglieder sind in der ersten nach ihrer Wahl stattfindenden öffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom Bürgermeister auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten durch Handschlag zu verpflichten. Verweigert ein Gemeinderatsmitglied die Verpflichtung, so verliert es sein Amt.

Das Verwaltungsgericht Gera musste den Fall jetzt klären und kam zu folgendem Ergebnis:

Die Thüringer Kommunalordnung knüpft an den gesetzlich vorgesehenen Handschlag keinerlei Rechtsfolgen. Insbesondere ist der Status als Mitglied des Stadtrats bei Vornahme der Verpflichtung bereits begründet. Der Handschlag ist daher nur ein symbolischer Akt, ohne dass ihm nach der Konzeption des Gesetzes eine konstitutive bzw. rechtliche Wirkung zukommt.

Folglich gehen mit dem verweigerten Handschlag keine Rechtsnachteile für den Kläger einher, die gegebenenfalls einen Rechtsanspruch hätten begründen können. Der Handschlag ist damit ein bloßer Bestandteil eines feierlichen Akts und damit eine gesetzlich geregelte Umgangsform, die rechtlich nicht durchsetzbar ist.

Diese Auslegung der Vorschrift ist jedenfalls nicht zwingend. Immerhin steht im Gesetz, dass die Verpflichtung „durch“ den Handschlag erfolgt. Dieser ist also gerade kein unwichtiges Beiwerk, sondern sozusagen genau die Geste, an der sich die Verpflichtung dokumentiert. Bei dem doch recht klaren Wortlaut halte ich es schon für gewagt, den Handschlag auf eine „gesetzlich geregelte Umgangsform“ zu reduzieren.

Anders gefragt: Seit wann finden sich in unseren Gesetzen unverbindliche Regeln für den höflichen Umgang miteinander? Und zugespitzt: Aus welcher gesetzlichen Grundlage ergibt sich die Kompetenz des Landes Thüringen, dem Knigge Konkurrenz zu machen?

Ohne dass mir die NPD in irgendeiner Form sympathisch wäre, hege ich eine starke Vermutung: Hätte der Neuling im Stadtrat dem Bürgermeister nicht die Hand gegeben, wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Dann wäre es vermutlich sehr schnell dazu gekommen, den NPD-Mann auf den Wortlaut festzunageln („Verweigert ein Gemeideratsmitglied die Verpfichtung…“) und ihn unter konsequenter Anwendung der Vorschriften seines Amtes für verlustig zu erklären.

Aktenzeichen 2 K 570/14 Ge

Bulletin Board

+++ Die EU schafft Richtlinien, damit Verkehrssünder grenzüberschreitend zur Kasse gebeten werden können. Die Mitgliedsländer sollen künftig auf einheitlicher Grundlage Halterdaten innerhalb der EU übermitteln. +++

+++ Das Landgericht Berlin stoppt in der Stadt den Fahrdienst Uber. Geklagt hatte ein Taxifahrer, der das Geschäftsmodell für unzulässig hält. Laut dem Landgericht überschreitet Uber die gesetzlichen Möglichkeiten für Mietwagenanbieter (Aktenzeichen 101 O 125/14). +++

+++ Wer Software für Kassenmanipulation herstellt, haftet nach einem Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz für den Steuerschaden. Der Geschäftsführer einer Softwarefirma muss für 1,6 Millionen Euro Steuern gerade stehen, die ein Eisdielenbesitzer mit Hilfe der Software hinterzogen hat (Aktenzeichen 5 V 2068/14). +++

+++ Der Bundesgerichtshof legt keinen gesteigerten Wert auf Transparenz bei der Abrechnung von Lebensversicherungen. Das Gericht wies die Klage eines Rentners ab, der sich bei der Berechnung der Bewertungsreserven übervorteilt fühlte (Aktenzeichen IV ZR 213/14). +++

Keinen Narren zum Mandanten

Ich würde mal sagen: Glück gehabt. Damit meine ich ein Strafurteil, das ein früherer Rechtsanwalt aus dem hessischen Langen Anfang der Woche kassierte. Der Strafverteidiger hatte eingeräumt, dass er einen inhaftierten Mandanten mit Drogen versorgt hat, die dieser wiederum zum großen Teil im Knast vertickte.

Das Gericht nahm dem Juristen einiges ab, wenn man diesem Prozessbericht glauben darf. Danach hatte sich zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten über die Jahre ein „freundschaftliches Verhältnis“ entwickelt. Der Anwalt glaubte nach eigenen Angaben quasi an ein gutes Werk, als er seinem Auftraggeber Drogen in den Knast mitbrachte. Dabei profitierte er davon, dass Verteidiger normalerweise nicht intensiv kontrolliert werden.

Die Tränen, die der Mandant in der Haft vergoss, sollen den Anwalt erweicht haben, die Ersatzdroge Subutex und Haschisch einzuschmuggeln. Obwohl der angeklagte Anwalt seine eigene finanzielle Situation als desolat schilderte, glaubte ihm das Gericht, dass er selbst keinerlei finanzielle Vorteile an dem Geschäft hatte. Die zu schmuggelnden Drogen sollen ihm „Dritte“ in den Briefkasten geworfen haben.

Das Gericht berücksichtigte es laut dem Bericht offensichtlich unter anderem zu Gunsten des Angeklagten, dass er sich wegen gescheiterter Investments in finanzieller Not befand. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie unterschiedlich sich Sachverhalte bewerten lassen. Gerade dieser Umstand hätte anderen Richtern wohl eher als Indiz dafür gedient, dass die Interessen des Juristen kaum so uneigennützig gewesen sein dürften, wie er es darstellte.

Zumal sich an dieser Stelle einige Fragen aufgedrängt hätten. Wer waren denn diese Dritten? Waren auch sie so gute Freunde des Angeklagten? Oder hat dieser sie bezahlt? Und wenn ja, wie hat er das aus der Haft heraus organisiert.

Man sieht, die entlastenden Angaben hätten auch unschwer in ihr Gegenteil verkehrt werden können. Dann hätte sogar Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Raum gestanden. Und nicht „nur“ die Beihilfe, wegen der der Jurist verurteilt wurde. Unter dem Strich gab es eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten.

Eins kann man festhalten, auch ohne dabei gewesen zu sein: Dieser Jurist hatte ausnahmsweise keinen Narren zum Mandanten, als er sich selbst verteidigte. Darauf muss er seine Tätigkeit allerdings künftig ohnehin beschränken. Seine Zulassung als Anwalt hat er freiwillig zurückgegeben.

Kleine Verwechslung

Heute kam das Urteils in einer Strafsache:

Der Angeklagte wird wegen Freiheitsentziehung in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

Schon in der mündlichen Urteilsbegründung vor einigen Wochen hatte der Richter von „Freiheitsentziehung“ gesprochen. Ich hielt das da noch für eine Freud’sche Fehlleistung beim Verlesen der Urteilsformel. Aber anscheinend hat der Richter tatsächlich nicht sonderlich intensiv ins Gesetz geguckt, bevor er seine Entscheidung niederschrieb.

Den Straftatbestand der Freiheitsentziehung gibt es nicht. Er heißt Freiheitsberaubung.

Ganz so harmlos sind Fehler in der sogenannten Urteilsformel nicht. Diese Formel, also der eigentliche Urteilsspruch, muss der Richter deshalb auch vor ihrer Verlesung schriftlich fixieren. Die Urteilsformel ist dann Grundlage für die Vollstreckung der Strafe.

Na ja, große Auswirkungen wird es aber nicht haben. Denn bevor mein Mandant in den Knast muss, wird es ein weiteres Urteil geben. Das der Berufungsinstanz. Ich hoffe doch sehr, dass die Strafe dann nicht über zwei Jahren liegt und somit noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

„Unverlangte Werbung“

Für Verwirrung sorgt derzeit ein Urteil des Amtsgerichts Pankow-Weißensee. In der Entscheidung geht es um die Frage, ob schon die Bestätigungsmail über die Eröffnung eines Online-Kundenkontos unzulässige Werbung ist. Das Gericht bejaht dies im Kern und könnte Online-Händler damit vor eine fast unlösbare Aufgabe stellen.

Der Vorgang war banal: Ein Händler bestätigte einem Gewerbetreibenden per Mail die Eröffnung eines Kundenkontos. So was kommt Tag für Tag tausendfach vor. Allerdings beteuerte der Gewerbetreibende, dass er sich gar nicht angemeldet hatte. Er empfand die Bestätigung deshalb als unverlangte Werbung und wehrte sich gerichtlich.

Das Amtsgericht Pankow-Weißensee stuft zunächst jede unverlangte Kontaktaufnahme per Mail durch ein Unternehmen als unzulässige Werbung ein. Eine Ausnahme gelte nur, wenn der Kunde die Mail selbst veranlasst habe – etwa durch Anlage eines Kundenkontos.

Das führt aber zwangsläufig zu der Frage, wie es um „Werbe“-Mails steht, die Unternehmen genau mit der Absicht versenden, Empfängern keine unerlaubte Werbung zukommen zu lassen. Auch das ist längst gängige Praxis: Hinterlegt jemand in einem Webshop Kundendaten oder macht eine Bestellung, schickt der Shop eine Bestätigungsmail mit dem Hinweis an die angegebene E-Mail-Adresse, dass der Kunde einen mitgeschickten Link anklicken muss. Hierdurch wird verifiziert, dass der Inhaber des E-Mail-Accounts auch tatsächlich was bestellen oder ein Kundenkonto eröffnen möchte.

Dieser an sich sinnvolle Missbrauchsschutz wird allerdings für Online-Anbieter riskant, wenn schon die Bestätigungsmail mit der Bitte um Verifizierung als unzulässig eingestuft wird. Jede missbräuchliche Verwendung des betreffenden E-Mail-Accounts ginge dann zu Lasten der Firma, die mit der einmaligen Mail diesen Missbrauch gerade verhindern will.

In letzter Konsequenz könnte das bedeuten, dass Online-Händler den Kundenaccount per Postbrief verifizieren müssen. Wobei man aber auch darüber streiten kann, ob unverlangte Werbung per Post überhaupt noch zulässig ist. Jedenfalls würde das Prozedere aber dauern mit der Folge, dass Kunden länger auf ihre Bestellung oder die Dienstleistung warten müssen.

Die IT-Recht Kanzlei aus München empfiehlt als Erste Hilfe, die erste Bestätigungsmail möglichst sachlich und nüchtern zu halten, damit es jedenfalls schwer ist, von „Werbung“ zu sprechen. Ob das gegen die Trittbrettfahrer hilft, die wohl unweigerlich auf den anrollenden Abmahnzug aufspringen, wird sich zeigen.

Mehr Informationen bei golem.de

Mit allem einverstanden

Wer bei einem Online-Gewinnspiel mitmacht, muss beziehungsweise soll sich oft mit Werbung einverstanden erklären. Das Landgericht Frankfurt hat jetzt entschieden, dass hierbei transparent dargestellt werden muss, für welche Firmen die Einwilligung gilt.

Eine Frankfurter Marketingfirma hatte die Teilnahme an einem Gewinnspiel davon abhängig gemacht, dass der Nutzer damit einverstanden ist, dass ihn „einige“ Sponsoren und Kooperationspartner am Telefon, per Post, E-Mail oder SMS über ihre Angebote informieren. Tatsächlich handelte es sich um 30 Firmen. Das war aber erst ersichtlich, wenn der Nutzer einen gesonderten Informationslink klickte.

Eine wirksame Einwilligung für Werbung setzt nach Auffassung des Gerichts aber voraus, dass dem Kunden der Umfang klar wird, ohne dass er sich durch Extraseiten klicken muss. Aus diesem Grund wurde auch eine Klausel für unwirksam erklärt, in der die Nutzer pauschal einer Analyse ihres Surfverhaltens zustimmten. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (Link zum Urteil).

Charlie waren wir gestern

Bis vor kurzem waren wir alle Charlie. Aber da ging es ja auch um Künstler, die ihren Spott über böse Islamisten ergossen. Und nicht über uns. Selbst angepinkelt zu werden, geht dagegen natürlich entschieden zu weit, Meinungsfreiheit hin, Kunstfreiheit her.

Ein Beispiel dafür liefert jetzt der Berliner Senat. Von diesem lassen sich unschwer Mitglieder googeln, die wortreich für die Freiheit der Satire (in französischer Sprache) auf die verbalen Barrikaden gegangen sind. In eigener Sache greift der Berliner Senat aber ganz anders zur Tat. Natürlich nicht mit Maschinengewehren, sondern mit juristischem Geschütz.

Der Senat und ein Sportpropagandist haben das Blog Metronaut mit unverschämt kurzer Frist wegen einer Satire zur Berliner Olympia-Bewerbung abgemahnt.

Metronaut stellt mit dem beanstandeten Beitrag einen historischen Kontext her und prangert, nun ja, eine gewisse Hybris an. Der Bezug gelingt durch die Wahl eindeutiger Bildmotive zu den letzten Olympischen Spielen, die in der Stadt zu einer Zeit stattfanden, in der man wegen so eines Artikels wahrscheinlich weit mehr hätte fürchten müssen als ein Anwaltsschreiben.

Das, also sowohl die Verhältnisse zur Nazizeit als auch die Chuzpe, heute mit so was zu kommen, kann man vor allem als Angesprochener selbstverständlich deplatziert und geschmacklos finden. Aber aushalten sollte man es vielleicht schon. Zumal man als Volksvertreter im Namen von uns, den kleinen Charlies handelt, zumindest von jenen mit Wohnsitz in Berlin.

Es wir spannend sein zu beobachten, wie der Berliner Senat die Sache juristisch eskaliert. Ausgemacht ist sein Sieg jedenfalls nicht, wie der Medienanwalt Markus Kompa fachkundig und unter olympiareifer Ausreizung aller bekannten Sportmetaphern bei Telepolis erlärt.

Freisprüche zweiter Klasse

Ein Freispruch ist ein Freispruch. An sich. Leider hat sich bei uns mittlerweile der Freispruch zweiter Klasse etabliert. Darin bringen Gerichte gern zum Ausdruck, dass sie den Angeklagten für schuldig halten – es aber letztlich nicht beweisen können. Dieser Rechtsprechung tritt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun entgegen.

Ein Mann aus Münster war angeklagt, seine Tochter sexuell missbraucht zu haben. Nach umfangreicher Beweisaufnahme kam das Landgericht Münster zu einem Freispruch. Gleichzeitig hieß es aber im Urteil:

So geht die Kammer im Ergebnis davon aus, dass das von der Zeugin geschilderte Kerngeschehen einen realen Hintergrund hat, nämlich dass es tatsächlich zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten zu Lasten seiner Tochter in seinem Auto gekommen ist. Die Taten ließen sich aber dennoch weder ihrer Intensität noch ihrer zeitlichen Einordnung nach in einer für eine Verurteilung hinreichenden Art und Weise konkretisieren. Die Inkonstanzen in den Aussagen der Zeugin waren so gravierend, dass konkrete Feststellungen nicht getroffen werden konnten.

Diese Verurteilung im Rahmen eines Freispruchs wollte der Betroffene nicht auf sich sitzen lassen. Er prozessierte bis vor das Bundesverfassungsgericht, aber dort nahm man seine Sache nicht mal zur Entscheidung an. In Straßburg fand er nun Gehör.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weist darauf hin, dass Richter im Urteil zwar darlegen dürfen, welche Umstände für und welche Umstände gegen den Angeklagten sprechen. Aber die Unschuldsvermutung gelte auch für die Richter selbst. Wenn ein Tatnachweis nicht möglich sei, dürfe eine Tat nicht trotzdem als geschehen dargestellt werden.

Der Kläger bekommt eine Entschädigung von insgesamt 10.000 Euro netto.

Link zur Entscheidung

Rückzieher im Notarzt-Fall

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt macht einen Rückzieher. Die Behörde nahm den Strafbefehl gegen einen Notarzt zurück, der bei einem Einsatz verkehrsgefährdend gefahren sein soll, berichtet Spiegel online.

In den vergangenen Tagen gab es massiven öffentlichen Druck auf die Ankläger und das Gericht, welches den Strafbefehl abgesegnet hat. So unterschrieben 200.000 Menschen eine Online-Petition zu Gunsten des Arztes.

Ich glaube aber nicht, dass hier dem „Druck der Straße“ nachgegeben wurde. Vielmehr dürfte sich bei erneuter Prüfung der Sache durch die Vorgesetzten des verantwortlichen Staatsanwalts schlicht und einfach herausgestellt haben, dass dieser tatsächlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Da Staatsanwälte weisungsgebunden sind, kann auch die Behördenleitung die Entscheidung revidieren.

Kein gutes Licht fiele in diesem Fall aber auf den Amtsrichter, der den Strafbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen hat. Womöglich bestätigt sich auch hier die leidvolle Erfahrung jedes Strafverteidigers und einer Unzal Betroffener, dass viele Richter Strafbefehle einfach durchwinken. Etwas, das man ja auch bei Durchsuchungsbeschlüssen kennt.

Update: Die Generalstaatsanwaltschaft München hat bestätigt, dass der Strafbefehl nicht korrekt war.

Früherer Bericht im law blog

Bloß nicht nichts machen

Wem eine Verurteilung wegen einer Straftat droht, der muss sich eher früher als später mit der Frage beschäftigen: Wie komme ich an einen Anwalt? Ohne einen Verteidiger geht es bei uns nämlich nicht, zumindest wenn schwere Vorwürfe im Raum stehen – was normalerweise ab einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr der Fall ist.

Oft entscheiden sich Beschuldigte – auch weil sie einen Anwalt momentan nicht selbst bezahlen können – zum Nichtstun. Sie verlassen sich darauf, dass sie vom Gericht schon einen Pflichtverteidiger zur Seite gestellt bekommen. Was auch tatsächlich der Fall ist. Schlau ist so viel Passivität aber nicht.

Der Münchner Anwalt Adam Ahmned weist im neuesten Heft der Zeitschrift Strafverteidiger auf Missstände hin, die mit der Bestellung eines Pflichtverteidigers verbunden sind. Dieser wird nämlich vom Gericht beauftragt (§ 142 Strafprozessordnung). Und zwar meist ausgerechnet von genau dem Richter, der später auch das Urteil fällt.

Die Folgen sind klar. Ahmed beschreibt das so:

Diese praktische Freiheit bei der Auswahl lädt gerade dazu ein, im Zweifel solche Verteidiger zu benennen, welche in der Vergangenheit beim jeweiligen Gericht einen „guten“, weil kontrollierbaren Eindruck hinterlassen haben, mit anderen Worten einen möglichst geschmeidigen, reibungslosen und konfliktfreien Verfahrensablauf und jegliche sachbezogene Konfrontation mit dem Gericht (ggf. sogar bewusst) gescheut haben.

„Richters Liebling“ kommt allerdings nur zum Zuge, wenn der Beschuldigte gar nichts macht. Denn im Gesetz steht ausdrücklich, dass der Beschuldigte auch bei der Auswahl des Pflichtverteidigers ein Mitspracherecht hat. Das heißt, der Richter muss ihn vorher schriftlich auffordern, einen Anwalt seiner Wahl als Pflichtverteidiger zu benennen. Meist wird hierfür eine Frist von einer Woche gesetzt. Wenn der Beschuldigte rechtzeitig antwortet und einen Anwalt benennt, kann sich der Richter über diese Wahl normalerweise nicht hinwegsetzen.

So kommt der Beschuldigte also zu einem Pflichtverteidiger, den er sich zumindest selbst ausgesucht hat. Das dürfte die Chance erhöhen, an einen richtigen Strafverteidiger zu geraten. Und nicht nur an einen „Urteilsbegleiter“. Natürlich ist es sinnvoll, vorher mit dem ins Auge gefassten Anwalt zu klären, ob er die Pflichtverteidigung übernehmen möchte. Aber streng genommen kann sich der Verteidiger gar nicht wehren, wenn er auf Wunsch des Beschuldigten vom Gericht beauftragt wird. Wie der Name „Pflichtverteidigung“ schon sagt.

Smart Repair: gut, aber keine Pflicht

Ausbeulen statt austauschen: Smart-Repair-Techniken sind weniger aufwendig als herkömmliche Autoreparaturen und damit billiger. Geschädigte bei einem Unfall sollten sich aber nicht vorschnell mit einer Ausbesserung zufrieden geben. Sonst drohen böse Überraschungen, warnt die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

„Als Geschädigter bei einem Unfall hat man Anspruch darauf, dass der Schaden vollständig behoben und nicht nur ausgebessert wird. Das heißt, dass das Fahrzeug durch eine sach- und fachgerechte Reparatur wieder in den Zustand versetzt wird, in dem es vor dem Unfall war“, sagt Rechtsanwalt Jens Dötsch von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). War beispielsweise der Kotflügel vor dem Unfall unbeschädigt und hat nun einen Kratzer, besteht ein Anspruch auf einen neuen Kotflügel ohne Kratzer und nicht auf einen solchen mit einem ausgebesserten Kratzer.

Ob eine Smart-Repair-Methode den Zustand vor dem Unfall tatsächlich wiederherstellt, lässt sich für den Laien nur schwer prüfen. Denn das optische Ergebnis ist erst mal ähnlich. Trotzdem kann, so die Verkehrsrechtsanwälte, das vermeintlich reparierte Fahrzeug später Probleme bereiten. „Will man sein Auto verkaufen, muss eine nicht fachgerechte Reparatur offenbart werden. Das wirkt sich natürlich negativ auf den Verkaufspreis aus“, sagt Rechtsanwalt Dötsch.

Im Zweifel sollte man also nach einem Schadensfall auf das Smart-Repair-Angebot einer Versicherung nicht vorschnell einigehen.

Gerechte Bestrafung

Papst Franziskus soll in einer Audienz die Prügelstrafe für Kinder gerechtfertigt haben. Er scheint damit kein Problem zu haben, so lange es die Kinder nicht demütigt, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Wie man Kinder schlägt, ohne sie zu demütigen, wird der Papst vielleicht bei Gelegenheit noch erklären. Seinen Worten lässt sich allenfalls entnehmen, dass er Schläge ins Gesicht für nicht angemessen hält. Wobei allerdings dann ja noch reichlich Angriffsfläche verbleibt für das, was der Papst offenbar für eine gerechte Bestrafung hält.

Für Deutschland kann der Papst allerdings viel erzählen, wenn der Tag lang ist. Bei uns haben Kinder einen gesetzlichen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung (Paragraf 1631 Bürgerliches Gesetzbuch). Das bedeutet: Eltern, die ihre Kinder schlagen, kommen dank Franziskus vielleicht nicht in die Hölle. Aber sie machen sich strafbar und riskieren ihr Sorgerecht.

Notarzt soll Führerschein abgeben

Für Schlagzeilen sorgt der Fall eines bayerischen Notarztes, der nach einer Blaulichtfahrt seinen Führerschein verlieren und 4.500 Euro Geldstrafe zahlen soll – obwohl niemand zu Schaden gekommen ist. Der Arzt war in seinem Einsatzwagen auf dem Weg zu einem Kind, das eine lebensbedrohliche Atemwegsverlegung hatte.

Der Notarzt mit 20 Dienstjahren soll beim Überholen eines Autos einen entgegenkommenden Wagen ins Bankett gedrängt haben. Er selbst, berichtet die Süddeutsche Zeitung, kann sich an eine solche Situation nicht erinnern. Er betont, schon rund 5.000 Einsätze unfallfrei gefahren zu sein.

Nach § 35 Straßenverkehrsordnung dürfen Fahrzeuge des Rettungsdienstes zum Beispiel schneller fahren als erlaubt, verbotswidrig überholen, die Gegenfahrbahn nutzen sowie rote Ampeln und Stoppschilder ignorieren, „wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden“. Rambomethoden sind dabei allerdings verboten. Denn die Vorschrift besagt auch, dass Sonderrechte nur „unter gebührender gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden“ dürfen.

Ohne Einzelheiten zu kennen, lässt sich der Fall nur schwer juristisch beurteilen. Allerdings mutet die Rechtsfolge schon ziemlich martialisch an. Der Notarzt hat nach eigenen Angaben nicht mal einen Punkt in Flensburg, und es soll bei dem Vorfall keine Personen- oder Sachschäden gegeben haben. Überdies stellt sich natürlich die Frage, ob der betreffende Autofahrer sich selbst korrekt verhalten hat. Auch ihn treffen nämlich Pflichten, wenn er einem Einsatzfahrzeug begegnet: Er muss dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn verschaffen.

Dass es ein „echter“ Notfall war, daran besteht wohl kein Zweifel. Die Mutter des geretteten Kindes ist dem Mediziner nach Presseberichten sehr dankbar.