„Höchststrafe“ für Fans

Mit einem durchaus originellen Täter-Opfer-Ausgleich haben sich zwei rabiate Fans des TSV 1860 München die Freiheit erkauft. Die Männer hatten im Münchner Hauptbahnhof einen Fan des FC Bayern überfallen und beraubt. Das Amtsgericht München verurteilte sie zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung. Doch in der Berufungsverhandlung kam es noch mal anders…

Die beiden Männer hatten vor dem Gerichtstermin im Fanshop des FC Bayern im Hauptbahnhof für ihr Opfer eingekauft, und zwar Janker, Fanshirts, eine Mütze und einen Strohhut. Eine „Höchststrafe“ für einen echten 1860-er, wie einer der Verteidiger anmerkte. Das Outfit wollten sie ihrem Opfer in der Verhandlung übergeben, das allerdings nicht erschien.

Wegen der Geste – und sicher auch aus anderen Gründen – war noch mal Bewährung drin, wie die Münchner tz berichtet.

Gerichte dürfen sich nicht taub stellen

Gerichte müssen sich mit relevanten Argumenten auseinandersetzen, die der Betroffene in einem Verfahren vorbringt. An sich sollte das selbstverständlich sein, ist es in der täglichen Praxis aber leider nicht.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt deshalb das Verfahren gegen einen Blogger zum Anlass, die Gerichte noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Stellungnahme eines Beschuldigten nicht einfach übergangen werden darf.

Ein Blogger wehrte sich gegen eine Hausdurchsuchung. Ihm wurde vorgeworfen, er habe eine Ermittlungsakte online gestellt, was nach § 353d Nr. 3 StGB verboten sein kann. Er wehrte sich mit dem Argument, er habe nur kleine Ausschnitte veröffentlicht. Dies sei von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Zur Begründung bezog er sich unter anderem auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention.

Obwohl sich die angeführten Urteile tatsächlich damit beschäftigen, wie weit die Meinungsfreiheit in ähnlich gelagerten Fällen reicht, ging das Gericht mit keinem Wort auf das Vorbringen des Bloggers ein. Hierzu das Verfassungsgericht:

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden.

Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen jedoch nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen.

Es sei deshalb die Pflicht des Gerichts gewesen, sich mit den Argumenten des Bloggers zu beschäftigen, auch wenn es diesen möglicherweise nicht gefolgt wäre (Aktenzeichen 2 BvR 433/15).

Anwälte warnen vor Demokratielücke

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt eine Abschaffung des Weisungsrechts der Justizminister der Länder und des Bundes gegenüber Staatsanwälten wegen verfassungsrechtlicher Hindernisse ab. Die Staatsanwaltschaften bedürften parlamentarischer Kontrolle, betont der DAV in einer Stellungnahme.

„Gemäß der Gewaltenteilung ist die Staatsanwaltschaft der Exekutive zuzurechnen und nicht der Judikative“, erläutert DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. Als Bestandteil der Exekutive müsse die Staatsanwaltschaft den Weisungen der Landesjustizverwaltung unterliegen.

Dies ergebe sich aus dem Grundsatz des demokratischen Rechtsstaates. „Wir dürfen nicht vergessen, die Exekutive wird dabei durch das Parlament kontrolliert“, so Schellenberg weiter. Die Fachminister trügen die parlamentarische Verantwortung. Würde sich dies ändern, drohe eine nicht zu akzeptierende Demokratielücke.

Eine nicht weisungsgebundene Staatsanwaltschaft würde einen parlamentarisch nicht kontrollierten Teil der Exekutive darstellen. Dies sei dem System der parlamentarischen Demokratie fremd.

Aggressiver Rottweiler soll sterben

Muss Pascha, ein 13 Monate alter Rottweiler, eingeschläfert werden? Ja, meint die Stadt Duisburg. Nicht ganz ohne Grund. Das Tier hatte am 6. Juli ein zweijähriges Mädchen am Rheindeich angefallen und dem Kind lebensbedrohliche Bisswunden zugefügt. Er riss dem Kind große Teile der Kopfhaut ab und fügte ihr schwerste Verletzungen an Ohren, Auge, Mund, Bauch und Beinen zu. Die Halterin des Hundes wehrt sich jedoch juristisch gegen die Tötung ihres Tieres.

Vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte sie zunächst allerdings keinen Erfolg. Die Richter sehen keine andere Möglichkeit, als Pascha zu töten. Ein Gutachten des Amtstierarztes habe ergeben, dass der Rottweiler ein fehlgeleitetes und inadäquates Jagdverhalten sowie mangelnde Beißhemmung aufweise. Er habe ohne Droh- oder Warnsignale angegriffen und sich auch nicht von weiteren Attacken auf das bereits verletzte Mädchen abhalten lassen.

Die Stadt Duisburg beruft sich auf das Landeshundegesetz, das die Tötung gefährlicher Hunde erlaubt. Mildere Mittel gibt es nach Auffassung der Richter nicht. Eine Therapie des Hundes sei wegen seines Alters nicht möglich. Außerdem sei es möglich, dass das Tier an einem irreparablen Hirnschaden leide.

Pascha war laut den Behörden von einer Bekannten der Halterin ausgeführt worden, und das ohne den vorgeschriebenen Maulkorb. Strafrechtliche Ermittlungen laufen noch.

Nachdem die Halterin gegen den Düsseldorfer Eilbeschluss Beschwerde eingelegt hat, muss nun das Oberverwaltungsgericht Münster entscheiden (Aktenzeichen 18 L 2369/15).

Diktiergerät ist kein Fahrtenbuch

Ein Kölner Steuerberater hatte keine rechte Lust auf ein Fahrtenbuch für seinen Dienstwagen. Um dennoch die 1%-Regelung zu umgehen, griff er in seinem Porsche Carrera zum Diktiergerät und hielt alle seine Fahrten auf Tonband fest. Das Finanzamt wollte sich aber nicht mit den Tonbändern abgeben. Zu Recht, meint das Finanzgericht Köln.

Ein Fahrtenbuch darf laut den Richtern nicht manipulierbar sein. Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sei es aber sehr leicht, Tonaufnahmen zu löschen, zu verändern oder neu anzuordnen. Der Steuerberater hatte geltend gemacht, schließlich seien auch die Hintergrundgeräusche wie das Radio zu hören. Es sei deshalb leicht feststellbar, ob die Aufnahme „original“ ist. Das überzeugte die Richter jedoch nicht.

Dem Autofahrer half es auch nicht, dass er seine Wegnotizen von seiner Sekretärin abtippen und in Excel-Tabellen übertragen ließ. Zunächst mal handele es sich nur um lose Blätter, die erst am Ende des Jahres gebunden werden. Außerdem seien Excel-Tabellen änderbar, ohne Spuren zu hinterlassen.

Grundsätzlich, so das Finanzgericht, müsse ein Fahrtenbuch auch mit vertretbarem Aufwand überprüfbar sein. Dem Finanzamt sei es nicht zumutbar, Tonbänder abzuhören oder gar zu vergleichen, ob Tonbänder und Excel-Tabellen inhaltlich übereinstimmen (Aktenzeichen 10 K 33/15).

1,6 Promille sind keine starre Grenze

Wenn die Fahrerlaubnis nach einer Alkoholfahrt weg ist, verlangen die Behörden normalerweise ab 1,6 Promille eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU). Unter gewissen Voraussetzungen darf ein Betroffener aber auch bei niedrigeren Alkoholwerten zur MPU geschickt werden. Etwa bei einer Alkoholkonzentration von „lediglich“ 1,49 Promille. Das entschied jetzt der Verwaltungerichtshof Baden-Württemberg.

Nachdem seine vom Gericht verhängte Führerscheinsperre vorüber war, wollte der Betroffene die Faherlaubnis neu machen. Die Behörde verweigerte ihm aber die Wiedererteilung ohne MPU, denn er habe bei seiner Alkoholfahrt keine (!) Ausfallerscheinungen gezeigt. Das deute auf „Alkoholmissbrauch“ in Form starker Alkohlgewöhnung hin, und dieser sei unabhängig vom Blutalkoholwert ein Grund, die MPU anzuordnen. Diese Auffassung bestätigte das Gericht.

Allerdings wurde die Revision zugelassen, denn andere Gerichte haben schon gegenteilig entschieden. Ein Rückgriff auf den Tatbestand des Alkoholmissbrauchs ist nach deren Auffassung nicht zulässig, wenn ein Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen hat. Das Bundesverwaltungsgericht soll nun die Frage klären – sofern der Kläger tatsächlich in Revision geht (Aktenzeichen 10 S 116/15).

Die richtige Botschaft

Heute morgen hat sich Generalbundesanwalt Harald Range weinerlich darüber beklagt, die Politik setze ihn als Teil der „unabhängigen Justiz“ unter Druck. Die Quittung hierfür folgte auf dem Fuß, der angesprochene Bundesjustizminister setzte Range vor die Tür. Damit handelte Minister Heiko Maas nachvollziehbar und konsequent. Und sein Verhalten ist alles andere als ein schändlicher Angriff auf die unabhängige Justiz.

Das liegt ganz einfach schon daran, dass der Generalbundesanwalt und seine Behörde keineswegs unabhängig sind. Sie sind keine Richter, die dieses Privileg bei Ausübung ihres Amtes tatsächlich genießen. Die Bundesanwälte gehören anders als Richter nicht zur Rechtsprechung. Sie sind Teil der Exekutive und damit durchaus weisungsgebunden. Ranges Chef ist in diesem System nun mal der Politiker Maas, und dem hat er sich zu fügen, sofern dieser ihm Weisungen gibt. Schon von daher machte sich Range in seiner Erklärung heute unabhängiger als er ist.

Außerdem reden wir ja nun auch nicht gerade über einen Sachverhalt, bei dem sich eine Einflussnahme der Politik offensichtlich verbietet. Netzpolitik.org hat die Pläne des Verfassungsschutzes veröffentlicht, dich und mich in sozialen Netzwerken stärker auszuspionieren als bisher. Netzpolitik.org erledigte den Job, der die Presse in unserem Land zur „vierten Gewalt“ macht – im positiven Sinne.

Die Frage, ob das Ganze dennoch ein „Landesverrat“ sein kann, ist dabei nur vordergründig juristisch. Tatsächlich geht es darum, wie viel Respekt der Staat vor der Pressefreiheit hat. Und wie ernst er das mit der Demokratie und der hierfür notwendigen Wechselwirkung von „checks und balances“ insgesamt nimmt.

Von daher ist es es sowohl dem Bundesjustizminister als auch der Kanzlerin positiv anzurechnen, dass sie die letztlich politische Frage beantwortet haben, ob wir so etwas wie „publizistischen Landesverrat“ in ohnehin engstirnigster Auslegung des Strafgesetzes wollen, einschließlich der dann zu erwartenden und im aktuellen Fall zu besichtigenden Repression in Form von Ermittlungsverfahren gegen kritische Journalisten. (Zu deren Verurteilung es am Ende dann doch nie und nimmer gereicht hätte.)

Wollen wir nicht. So lautet derzeit völlig richtig die Botschaft, der sich seit heute auch der Generalbundesanwalt zu beugen hat.

Nur eine Bettwäsche fürs Baby?

Wie viel Bettwäsche steht einem Neugeborenen zu? Das Jobcenter in Heilbronn vertritt hier eine ganz eigene Auffassung. Für den Säugling einer Hartz-IV-Bezieherin sollte eine Garnitur Bettwäsche reichen. Zur Begründung ließ die Behörde verlauten, im Falle einer ausgelaufenen Windel genüge es ja wohl, wenn die Mutter das Laken mit einem Handtuch abdeckt.

Das Sozialgericht Heilbronn hat diese Einschätzung korrigiert. Grundsätzlich stehe einem Säugling eine komplette Babyausstattung zu, die die Befriedigung von einfachen und grundlegenden Bedürfnissen zulässt und im unteren Segment des Preisniveaus liegt. Das bedeute aber, dass mindestens zwei Sätze Bettwäsche zur Verfügung gestellt werden, da diese bei einem Säugling schon aus Hygiengründen besonders häufig gewechselt werden muss.

Das Gericht verurteilte das Jobcenter, die 25 Euro für eine zweite Bettwäschegarnitur zu bezahlen. Außerdem muss das Jobcenter den Kindersitz für das Auto der Großeltern bezahlen, in dem das Kind öfter mitfahren muss. Das war mit der Begründung verweigert wurden, ein Baby könne auch in der Tragetasche eines herkömmmlichen Kinderwagens im Auto transportiert werden. Das Gericht weist dagegen darauf hin, dass Kinder bis zwölf Jahren nur im Auto mitfahren dürfen, wenn sie mit einem speziellen Rückhaltesystem gesichert sind. Auch für den Kindersitz muss das Jobcenter nun die erforderlichen 20 Euro zahlen (Aktenzeichen S 11 AS 44/15).

Hab-keine-Lust-Modus

In einem Betrugsverfahren waren dem Richter die Ermittlungen zu dünn. Er reichte die komplette Akte an die Staatsanwaltschaft zurück und fragte, warum so ziemlich Gott und die Welt befragt wurde – ein offensichtlicher Entlastungszeuge aber nicht.

Statt den Zeugen nun einfach zu vernehmen, schaltete die Polizei in den Hab-keine-Lust-Modus. Der Zeuge sei doch der Lebensgefährte der Angeklagten und der Vater ihrer Kinder. Weiter heißt es, die beiden seien bereits gemeinschaftlich in erheblichem Maße als Beschuldigte in Betrugsverfahren in Erscheinung getreten. Der Zeuge wurde also gar nicht zur Vernehmung geladen.

Dem Staatsanwalt, der ja „Herr des Ermittlungsverfahrens“ ist, kam es nicht in den Sinn, die zuständige Kriminalkommissarin darauf hinzuweisen, dass Zeugen auch dann Zeugen bleiben, wenn sie mit der Angeklagten liiert sind.
Und dass irgendwelche andere Verfahren ebenfalls kein Grund sind, einen Zeugen von vornherein als unglaubwürdig abzutun.

Nein, der Herr Staatsanwalt sekundierte der Polizeibeamtin mit dem Hinweis, es sei eine bekannte Masche der Beschuldigten: Sie bediene sich ständig des Zeugen, um ihre Tatbeteiligung zu verschleiern.

Tja, daran ist nur richtig, dass der Zeuge in der Vergangenheit schon mal in Verfahren ausgesagt hat. Und das jeder Prozess ohne Verurteilung endete, obwohl das eigentlich nie was mit seiner Aussage zu tun hatte. Sondern einfach mit dem Umstand, dass an den Vorwürfen nichts dran war.

Ich bin jetzt gespannt, wie der Richter solch offensichtliche Voreingenommenheit quittiert. Gefühlsmäßig würde ich sagen, wir sind einem Freispruch näher denn je.