Dashcam-Video überführt brutalen Fahrer

Vor einigen Monaten habe ich hier im Blog was über die Dashcam-Aufnahme von einem schweren Unfall geschrieben. Ein nachfolgender Motorradfahrer hatte gefilmt, wie ein Pkw-Fahrer einen Mann umfuhr, der auf einem Roller unterwegs war. Der Motorradfahrer verfolgte das Auto und stellte den Autofahrer vor laufender Kamera zur Rede. Nun ist die Sache juristisch aufbereitet worden.

Der Motorradfahrer und nunmehrige Zeuge hat mir einen Bericht von der Verhandlung zukommen lassen. Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung, Unfallflucht und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Zudem wurde der Führerschein entzogen und eine 15-monatige Sperre vor Wiedererteilung verhängt. Er trägt die Kosten des Verfahrens.

Wieso keine Verurteilung wegen Vorsatzes? Das fragt man sich nach Betrachten des Videos. Möglicherweise lag die juristische Zurückhaltung zu einem guten Teil an der schlechten Ausstattung des Gerichts. Laut dem Zeugen war es mit den vorhandenen Geräten unmöglich, das Video flüssig abzuspielen. Die Lautsprecher seien so schlecht gewesen, dass man die Unterhaltung am Ende des Videos schlicht nicht verstehen konnte.

Zu Gunsten des Autofahrers wurde berücksichtigt, der geständig ist und außerdem seit 2007 wegen Depressionen behandelt wird. Er nimmt nach eigenen Angaben auch ständig Psychopharmaka ein.

Kein großes Thema war die grundsätzliche Verwertbarkeit des Dashcam-Videos. Das Gericht ließ den Beweis zu.

De Maizière schürt die Angst

Ich habe gestern abend die Pressekonferenz von Bundesinnenminister Thomas de Maizière gehört. Unter anderem äußerte er sich zu der Frage, woher die Behörden ihre Informationen über einen bevorstehenden Anschlag auf das Fußballstadion in Hannover hatten und wie die Gefährdungslage ist.

De Maizière: Wenn er berichten würde, welcher Art die Hinweise auf den bevorstehenden Terrorakt gewesen und von wem diese Hinweise gekommen seien, würde er die „Sicherheit des Landes“ gefährden. Teile der Antwort würden „die Bevölkerung verunsichern“, andere Teile die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden erschweren.

In dieser Situation wäre es besser gewesen, einfach jede Auskunft zu verweigern. Es ist ja nichts Ungewöhnliches, wenn Behörden aus ermittlungstaktischen Gründen schweigen. Das gilt insbesondere für den Aspekt, Teile der Antwort würden die Bevölkerung verunsichern.

Denn zumindest mit diesem Teil seiner Antwort tut de Maizière genau das, was er angeblich vermeiden möchte. Er verunsichert. Er macht Angst. Er beschwört ein Risiko, das für uns nicht einmal ansatzweise greifbar ist. Aber nur deshalb nicht greifbar, weil man uns – dem angeblich mündigen Bürger – die Informationsverarbeitung intellektuell oder emotional offenbar nicht zutraut.

Kurz gesagt: Der Innenminister soll für Sicherheit sorgen. Es ist nicht seine Aufgabe, uns Angst zu machen. Das tun derzeit erfolgreich andere. Es würde sicher schon helfen, wenn er sich seine Worte etwas sorgfältiger überlegt.

Nachtrag: Ein gewisser Unmut macht sich auch bei Twitter Luft, und zwar unter dem Hashtag #DoItLikeDeMaiziere

Sozialplan darf nicht diskrimineren

Der Sozialplan eines Unternehmens darf behinderte Menschen nicht benachteiligen. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte ein Schwerbehinderter geklagt, weil ihm laut Sozialplan eine wesentlich geringere Abfindung zustand als vergleichbaren Kollegen. Die Richter gaben ihm gestern uneingeschränkt Recht und stellten einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fest.

Laut dem Sozialplan hätten dem Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden aus der Firma rechnerisch 64.558 Euro zugestanden – wenn er nicht schwerbehindert gewesen wäre. Für Schwerbehinderte sah der Sozialplan bei ihm nur insgesamt 11.000 Euro vor. Begründet wurde dies mit dem Rentenanspruch, den Schwerbehinderte hätten.

Dem erteilt das Bundesarbeitsgericht wie schon die Vorinstanzen eine klare Absage. Eine geringere Abfindung nur wegen einer Behinderung sei diskriminierend. Deshalb sei der Sozialplan in diesem Punkt unwirksam (Aktenzeichen 1 AZR 938/13).

Gewerkschaft für Gefangene

In ganz Deutschland ist eine neue Gewerkschaft auf dem Vormarsch. Die der Strafgefangenen. Die Initiatoren fordern insbesondere ihre Einbeziehung in die Rentenversicherung und eine angemessene Bezahlung.

„Wir fordern nur soziale Mindeststandards“, sagt einer der Organisatoren. Gleichwohl soll es erhebliche Repressionen gegen Gefangene geben, die sich für die Gewerkschaft einsetzen. So sollen Umschlüsse wegfallen und vermehrt Durchsuchungen stattfinden.

Näheres zu der neuen Gewerkschaft berichtet die Legal Tribune Online. / Früherer Beitrag zum Thema

Ohne rechtstreue Gesinnung geht es zu Fuß weiter

Auch kleinere Verkehrsverstöße können ein Fahrverbot rechtfertigen. So im Fall eines Autofahrers, der in knapp drei Jahren insgesamt fünf Mal zu schnell gefahren ist oder am Steuer telefonierte. Das Oberlandesgericht Hamm sieht darin eine beharrliche Pflichtverletzung, die im letzten Fall dann neben einer Geldbuße auch zu Recht zu einem Fahrverbot führte.

Auch kleinere Verkehrsverstöße lassen laut dem Gericht auf eine „mangelnde Rechtstreue“ schließen. Voraussetzung dafür sei, dass die Delikte eine „Unrechtskontinuität“ erkennen lassen. Das sei bei drei Handy- und zwei Tempoverstößen in knapp drei Jahren der Fall, zumal die Delikte auch ein gewisses Gefährdungspotenzial aufwiesen.

Hier könne geschlossen werden, dass es dem Betroffenen an der erforderlichen „rechtstreuen Gesinnung“ und der „notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht“ fehle. Da sei ein Fahrverbot angebracht, auch wenn die abgeurteilte Tat – Handy am Steuer – nach dem Bußgeldkatalog an sich kein Fahrverbot nach sich ziehe (Aktenzeichen 1 RBs 136/15).

Bitte melde dich

Es geht um kleinere Verkehrsdelikte. In der Sache ist jetzt die Ermittlungsakte gekommen, und da hätte ich mit dem Mandanten gern drüber geredet.

Anruf unter der Festnetznummer, die er mir gegeben hat. Es meldet sich seine Ex-Partnerin. Die hat ihn aus ihrer Wohnung geschmissen und weiß nur, dass er jetzt „irgendwo in Norddeutschland auf einem Pferdehof“ leben soll. Adresse, Handynummer oder E-Mail-Adresse hat sie nicht. Eine EMA-Anfrage brachte mittlerweile auch nichts.

E-Mails unter der mir bekannten Adresse kommen als unzustellbar zurück. Bei Google finden sich keine Spuren zu dem Namen. Und nichts auf Facebook, das muss man heutzutage ja erst mal schaffen. Ich werde wohl oder übel warten müssen, bis der Betroffene sich mal bei mir meldet. Irgendwas sagt mir, es wird nachts sein, und der Anruf wird von einem Polizeirevier aus kommen.

Abzocke hinter Gittern?

Kein Internet, kein Handy. Bei der Telekommunikation sind Gefangene auf die Anlagen angewiesen, die ihnen die Gefängnisverwaltung zur Verfügung stellt. Das ist seit vielen Jahren ein gutes Geschäft für einige wenige Firmen. Denn die Telefonanlagen werden meist privat betrieben.

Den Gefangenen werden teilweise exorbitante Gebühren berechnet, wie man sie allenfalls noch aus Zeiten des Postmonopols kennt. Allerdings kommt jetzt nach einem Bericht von Zeit Online langsam Bewegung in die Sache, denn Gerichte beschäftigen sich zunehmend mit der „Abzocke hinter Gittern“.

Zum Bericht.

Mieterin wehrt sich gegen Behördenkamera

In der Düsseldorfer City hat eine Frau jetzt das Innenministerium als Nachbarn. Und das hat erst mal Überwachungskameras aufgestellt – wegen des „besonderen Schutzbedürfnisses“. Dagegen klagt die Mieterin.

Eine der Kameras in dem früheren West-LB-Komplex ist nach Angaben der Frau genau so aufgebaut sei, dass sie nicht nur den Außenbereich des Dienstgebäudes der höchsten Polizeibehörde in NRW erfasst, sondern auch ihre Privatwohnung samt Außenterrasse, die vor der Küche liegt.

Den „erheblichen Überwachungsdruck“ möchte die Frau nicht hinnehmen, berichtet die Rheinische Post. Jetzt muss das Amtsgericht entscheiden, ob die Kamera die Persönlichkeitsrechte der Frau verletzt.

Anwaltskalender: die Gewinner

Im law blog gab es zehn Exemplare des Anwaltskalenders 2016 zu gewinnen.

Diese Teilnehmer haben Glück:

troet
Hades
Specki
vB
Falkner
Iris Speiser
Anno Nüm
Michael
AnsgarR
Steffen

Die Gewinner kriegen noch heute eine Mail mit weiteren Informationen. Vielen Dank an alle Teilnehmer.

Wer kein Glück hatte, kann den Anwaltskalender auch kaufen, und das sogar noch rechtzeitig vor Weihnachten. Es gibt den Kalender nur im Direktvertrieb bei wulkan. E-Mail: wulkan@arcor.de. Telefon: 0172 200 35 70. Der Kalender kostet 20,95 Euro zuzüglich 5,00 Euro Versandpauschale. Der Kalender ist auf hochwertigem Papier gedruckt, Format A 3, hochwertige Spiralbindung.

Anwaltskalender: Gewinnspiel bis Montag

Kleine Erinnerung an das aktuelle Gewinnspiel im law blog. Es gibt, wie jedes Jahr, den Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan zu gewinnen.

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Zehn Exemplare werden unter allen Teilnehmern verlost, die hier oder in der früheren Ankündigung einen Kommentar hinterlassen. Alle Kommentare, die bis einschließlich Montag eingegangen sind, machen mit.

RAK-2-2008 klein

Wer sich nicht auf sein Glück verlassen möchte oder gar mehrere Kalender haben möchte, kann diese auch kaufen. Es gibt den Kalender nur im Direktvertrieb bei wulkan. E-Mail: wulkan@arcor.de. Telefon: 0172 200 35 70. Der Kalender kostet 20,95 Euro zuzüglich 5,00 Euro Versandpauschale. Der Kalender ist auf hochwertigem Papier gedruckt und mit einer Spiralbindung versehen.

Heimspiel für Richter

Gar nicht wenige Richter besorgen sich mit Eintritt in den Ruhestand eine Zulassung als Rechtsanwalt. Sie vertreten dann Mandanten auch vor den Gerichten, an denen sie mitunter jahrzehntelang als Richter tätig waren. Der nordrhein-westfälischen Justizverwaltung gefällt das nicht besonders. Sie untersagt daher ehemaligen Richtern häufig eine Tätigkeit am ehemaligen Dienstgericht. Allerdings wohl zu Unrecht, wie sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster ergibt.

Gleich fünf Jahre sollte ein ehemaliger Richter nicht an seinem ehemaligen Landgericht tätig sein. Er ging jedoch gegen das Verbot vor und bekam im Eilverfahren nun Recht. Das Verwaltungsgericht Münster sieht zwar eine abstrakte Gefahr, dass der Neu-Anwalt seine ehemaligen Kontakte spielen lässt und dass Ex-Kollegen und Bedienstete ihm zuvorkommender begegnen als anderen Rechtsanwälten.

Das theoretische Risiko reiche aber nicht aus, um so heftig in die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts einzugreifen. Vielmehr bedürfe es schon konkreter Anhaltspunkte, dass in irgendeiner Form gemauschelt wird. Dass der ehemalige Richter die Abläufe im Gericht besser kenne als andere Anwälte, genüge sowieso nicht.

Außerdem beanstandet das Gericht die überzogene Dauer des Verbots, das für fünf Jahre verhängt wurde. Die Sache ist noch nicht abschließend entschieden, zumal das nächsthöhere Oberverwaltungsgericht Münster auch schon anders geurteilt hat (Aktenzeichen 4 K 1789/15).

Kein globaler Waffenschein

Sicherheitsfirmen dürfen keine Waffenscheine erteilt werden, die unabhängig vom konkreten Bewachungsauftrag sind und ganz allgemein gelten. Vielmehr müssen Security-Unternehmen in jedem Fall darlegen, warum ihre Mitarbeiter im Rahmen der Tätigkeit eine Waffe tragen sollen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Eine bayerische Firma wollte einen sogenannten Firmenwaffenschein erhalten. Sie hätte dann selbst entscheiden können, bei welchen Tätigkeiten ihre Mitarbeiter Waffen tragen. So eine globale Genehmigung ist laut dem Gericht nicht vom Waffenrecht gedeckt. Die Firma müsse vielmehr konkret vortragen, welche Objekte oder Personen sie schützen will und worin im Einzelfall die besondere Gefährdungslage besteht. Ohne Einzelnachweis dürfe das Tragen von Waffen nicht erlaubt werden (Aktenzeichen 6 C 67.14).

OLG Celle: Bußgeld für Blitzer-Apps

Ich habe gerade mal auf meine Blitzer-App geguckt. Dort sind in dieser Minute 41.045 Nutzer angemeldet. Mit ihren Meldungen an die Blitzer.de-Datenbank sorgen sie dafür, dass alle anderen Teilnehmer rechtzeitig von mobilen Tempomessungen erfahren. Doch die Nutzer von Blitzer-Apps spüren nun juristischen Gegenwind. Erstmals hat mit dem Oberlandesgericht Celle ein oberes Gericht entschieden, dass Autofahrer keine Blitzer-Apps nutzen dürfen. Sonst droht ihnen ein Bußgeld.

Bislang ist juristisch umstritten, ob Blitzer-Apps gegen § 23b Abs. 1b StVO verstoßen. Die Vorschrift lautet:

Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).

Das Oberlandesgericht Celle meint, auch eine Blitzer-App sei so ein verbotenes Gerät. Ob das im Ergebnis so richtig ist, darf man getrost bezweifeln. So haben die Richter offenbar überhaupt nicht verstanden, dass Blitzer-Apps keine Maßnahmen „anzeigen“, wie es etwa klassische Radarwarner machen. Vielmehr gegeben Sie nur Community-Meldungen über gesichtete Blitzer weiter.

Es gibt noch etliche andere Punkte, die man an dem Beschluss kritisieren kann. Fakt ist aber, dass er nun mal in der Welt ist. Und er wird sich mit Sicherheit auch in Polizeikreisen herumsprechen. Nachdem es mit der flächendeckenden Knöllchenschreiberei wegen der Warnwesten nichts geworden ist, könnte sich mit den Blitzer-Apps ein neues Betätigungsfeld für die Verkehrspolizei eröffnen. Zumal so eine App-Kontrolle ja auch bei jedem anderen Anlass gleich miterledigt werden kann.

Umso dramatischer wird die Sacher, dass es nach dem Celler Verständnis der Bußgeld-Vorschrift durchaus ja schon ausreichen kann, wenn man als Fahrzeugführer eine Blitzer-App „betriebsbereit mitführt“. Mehr verlangt das Gesetz von Warngeräten ja nicht. Das könnte im Zweifel darauf hinauslaufen, dass bei allgemeinen Verkehrskontrollen schlicht nach Blitzer-Apps auf dem Fahrer-Handy gesucht wird. Ein Bußgeld könnte es schon allein dafür geben, dass so eine App installiert ist.

An was sollte man als Autofahrer (und möglicher Nutzer einer Blitzer-App) also ab sofort verchärft denken? Hier einige Punkte:

In dem entschiedenen Fall hatte der Autofahrer sein Handy in eine Halterung am Armaturenbrett gesteckt. Für die Polizeibeamten, die ihn anhielten, war es deshalb schnell und leicht zu erkennen, dass er eine Blitzer-App in Betrieb hatte. Künftig wird sich natürlich jeder Autofahrer überlegen, ob er das Handy nicht sicherheitshalber gleich etwas tiefer und damit blickgeschützter im Auto platziert.

Wenn die Polizei mich künftig anhalten würde, wäre meine Kooperationsbereitschaft noch geringer als bisher. Ich würde mich absolut weigern, auch nur ein Wort dazu zu sagen, ob und welche Apps ich auf meinem Handy habe. Das ist mein gutes Recht. Denn wenn die Polizei einen Anfangsverdacht wegen einer Ordnungswidrig hat, bin ich als „Betroffener“ ebenso zum Schweigen berechtigt wie ein Beschuldigter im Strafverfahren. Also: kein Kommentar.

Das würde wahrscheinlich in die Bitte münden, mein Handy in Augenschein nehmen zu dürfen. Als Betroffener wäre ich aber in keiner Weise verpflichtet, die Ermittlungen aktiv zu unterstützen. Das heißt: Niemand kann mich zwingen, mein Handy an Ort und Stelle zu entsperren, damit sich die Beamten auf die Suche nach einer Handy-App machen können.

Ich würde es im Zweifel lieber riskieren, dass mein Mobiltelefon beschlagnahmt wird. Gegen die Beschlagnahme kann man sich dann mit guten Argumenten wehren – und zwar vor Gericht. Insbesondere wäre natürlich die Verhältnismäßigkeit ein Thema. Jedenfalls müssen die Beamten vor Ort entscheiden, ob sie den Papierkram wirklich auf sich nehmen wollen. Ich würde mal darauf tippen, dass es in vielen Fällen dann gerade nicht zu einer Beschlagnahme kommt. Das nächste pflegeleichte „Opfer“ dürfte ja nicht lange auf sich warten lassen.

Im Zweifel zahlt es sich künftig aus, einen Beifahrer zu haben. Der ist nämlich kein Fahrzeugführer im Sinne der Vorschriften. Deshalb darf er nach Lust und Laune eine Blitzer-App auf seinem Handy laufen und den Fahrer daran teilhaben lassen. Daran wird auch die Entscheidung aus Celle nichts ändern.

OLG Celle, Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 313/15

Unfallabrechnung: Mehr Geld für Geschädigte

Wie geht es nach einem Autounfall weiter? Der Bundesgerichtshof hat gestern in einem Urteil Leitlinien dafür aufgestellt, in welchem Umfang Haftpflicht- und Kaskoversicherungen den Sachschaden erstatten müssen. Konkret geht es um die Frage, ob der Geschädigte auch bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis die Reparaturkosten einer Fachwerkstatt verlangen kann.

Ja, sagen die Richter. Sie knüpfen das aber an Voraussetzungen. Zunächst sind auch bei Abrechnung auf Gutachtenbasis die höheren Kosten einer Fachwerkstatt zu erstatten, wenn freie Werkstätten die Reparatur nicht fachgerecht hinbekämen. Außerdem gibt es das volle Geld, wenn es sich um ein „neueres“ Auto handelt oder das Fahrzeug bisher immer in einer Fachwerkstatt gewartet und repariert wurde.

Im Zweifel muss der Eigentümer des Autos nachweisen, dass die Voraussetzungen vorliegen (Aktenzeiche IV ZR 426/14).

Von Wahlanwälten und Pflichtverteidigern

Im Münchner NSU-Verfahren wird es eng auf der Anklagebank. Dort nimmt ab dem nächsten Verhandlungstag nämlich ein weiterer Anwalt Platz: der Strafverteidiger Hermann Borchert. Borchert ist Inhaber der Kanzlei, in der auch der spät ins Verfahren gekommene Pflichtverteidiger Mathias Grasel sein Büro hat.

Die Angeklagte Beate Zschäpe hat mittlerweile also fünf Verteidiger, davon sind vier vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger. Borchert ist „Wahlanwalt“, das heißt frei von der Angeklagten zum Verteidiger bestimmt. Nach dem Gesetz darf niemand dem Beschuldigten in die Anwaltswahl reinreden, nur die Zahl seiner Wahlanwälte ist beschränkt. Mehr als drei Wahlanwälte dürfen es nicht sein. Die Zahl der vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger ist dagegen theoretisch unbegrenzt.

Die Deckelung bei den Wahlanwälten ist übrigens ein Relikt aus den RAF-Zeit. Sie steht im Zusammenhang mit den Kontaktsperregesetzen. Ziel war es damals, die Zahl der Personen möglichst gering zu halten, mit denen die beschuldigten RAF-Angeklagten Kontakt haben durften. Da ein Gesetz nur für RAF-Verdächtige aus rechtsstaatlicher Sicht nicht machbar war, irrlichtert die Regelung noch heute in der Strafprozessordnung.

Für einen neuen Wahlverteidiger ist es nie zu spät. Es gibt keinen Zeitpunkt, ab dem ein Angeklagter seine Verteidigerbank nicht mehr umbesetzen könnte. Für geschasste Wahlverteidiger bedeutet das gerade in größeren Verfahren nicht unbedingt mehr Freizeit. Denn oft bestellt das Gericht sie stante pede und zu den gesetzlichen Honorarsätzen zu Pflichtverteidigern, damit das Verfahren nicht platzt. Das ist ja derzeit auch der Grund, warum die bei Beate Zschäpe in Ungnade gefallenen Verteidiger der ersten Stunde vom Gericht noch im Verfahren gehalten werden, auch wenn diese Anwälte von vornherein als Pflichtverteidiger bestellt waren.

Interessant finde ich noch, dass der neue Wahlanwalt Hermann Borchert mit den Worten zitiert wird:

Ich werde an bestimmten Tagen im Prozess auftreten.

Damit beantwortet sich nach meiner Einschätzung die Frage, ob Beate Zschäpe im Knast zu Geld gekommen ist. Oder ob sie womöglich sogar geheimnisvolle Sponsoren hat. Denn ihren Wahlverteidiger muss Zschäpe aus eigener Tasche finanzieren. Borcherts Aussage deutet in die Richtung, dass der neue Wahlverteidiger sich keineswegs aus üppigen Mitteln bedienen kann.

Zu erwarten ist also schon nach Borcherts Ankündigung lediglich eine Verteidigung mit angezogener Handbremse. Ob das in so einem Verfahren wirklich Sinn macht, wird sich zeigen. Möglicherweise ist das ganze Manöver auch nur Vorbereitungsmaßnahme für den Versuch, das Verfahren platzen zu lassen. Ich habe zumindest eine leise Ahnung, was als Nächstes kommt…