Die eine – oder keine

Ein Bauer wurde Kunde einer Partnervermittlung, weil er unbedingt die in einer Annonce angepriesene Daniela kennenlernen wollte. Die Dame war laut Anzeige Kinderkrankenschwester und suchte einen „treuen Landwirt“.

Dumm nur, dass die Partnervermittlung keinen Kontakt mit Daniela herstellen konnte. Der 50-jährige Landwirt forderte daraufhin das Honorar von 1.200 Euro zurück. Erfolgreich, denn seine Mutter konnte im Prozess bestätigen, dass für ihn galt: „Die eine oder keine.“

Das Amtsgericht Augsburg verurteilte die Partnervermittlung, weil es einen Anfechtungsgrund auf Seiten des Landwirts bejahte.

Bericht in der Welt

Kein Laufband im Beamtenbüro

Eine Bibliotheksdirektorin, die an der Universität Trier arbeitet, darf in ihrem Dienstzimmer weder ein Laufband haben noch ein Sofa. Beide Gegenstände hat die Universität zu Recht zwangsweise vom Arbeitsplatz der Mitarbeiterin entfernen lassen, befand jetzt das Verwaltungsgericht Trier.

Die Mitarbeiterin hatte erklärt, sowohl das Sofa als auch das Laufband seien Teilkomponenten eines sogenannten „dynamischen Arbeitsplatzes“. Das untermauerte die Beamtin mit entsprechenden Attesten. Das Verwaltungsgericht äußert aber erhebliche Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit so einer privaten Aufrüstung des Dienstzimmers.

Aber in jedem Fall sei es der Klägerin verwehrt, ohne Information ihres Dienstherrn eigenmächtig ein Laufband und ein Sofa aufzustellen. Die Universität Trier biete überdies selbst Unterstützung für körperlich beeinträchtigte Mitarbeiter. Hiervon habe die Klägerin aber nie Gebrauch gemacht. Letztlich berücksichtigt das Gericht auch, dass durch die privaten Möbel die Brandgefahr steigt und ein zusätzlicher Reinigungsaufwand entsteht (Aktenzeichen 1 K 3238/15.TR).

Rechtsbeugung: Staatsanwalt verurteilt

+++ In Freiburg ist ein Staatsanwalt wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Der Jurist soll Akten einfach nicht bearbeitet haben. In zwei Fällen haben laut dem Landgericht Freiburg sogar Geständnisse vorgelegen; die Taten sind nun aber verjährt. +++

+++ Wegen Gotteslästerung musste sich ein pensionierter Rentner vor dem Amtsgericht Lüdinghausen verantworten. Der Senior hatte sein Auto mit kritischen Slogans beklebt, unter anderem „Wir pilgern mit Martin Luther: Auf nach Rom! Die Papstsau Franz umbringen. Reformation ist geil!“. Das Amtsgericht verwarnte den Senior. Wenn er so was noch mal macht, muss er 500 Euro Geldstrafe zahlen. +++

+++ Weil eine Strafkammer am Landgericht Frankfurt überlastet ist, hat sie den Haftbefehl gegen einen Terrorverdächtigen aufgehoben. Der Vollzug des Haftbefehls war allerdings von Anfang an ausgesetzt; der Verdächtige musste sich aber regelmäßig auf der Polizei melden. +++

+++ Ein Prozess um einen möglichen Mitarbeiter des Online-Marktplatzes Silk Road macht klar, dass die US-Behörden weiter intensiv daran arbeiten, TOR-Nutzer zu deanonymisieren. Ein Bericht auf golem.de. +++

+++ Im Fall Natascha Kampusch wird in Frage gestellt, dass sich Kampuschs Entführer selbst getötet hat. Entsprechende Strafanzeigen, unter anderem vom Bruder eines früheren Chefermittlers in dem Fall, sind bei den Wiener Behörden eingegangen. +++

Alkoholmissbrauch einer Schwangeren ist keine Straftat

Wenn eine Mutter während der Schwangerschaft Alkoholmissbrach betreibt, kann das Kind keine Entschädigungsansprüche gegen den Staat geltend machen. Das Kind sei kein Opfer im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes, urteilt das Landessozialgericht Düsseldorf.

Der heute 58-jährige Kläger klagte, weil bei ihm 2012 eine fetales Alkoholsyndrom (FASD) festgestellt wurde. Seine Mutter habe während der Schwangerschaft mit ihm Alkohol getrunken und ihn dadurch massiv geschädigt.

Die 1. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf konnte keine Gewalttat im Sinne des Gesetzes gegen den Kläger feststellen. Der Alkoholkonsum einer Mutter während der Schwangerschaft sei keine Straftat. Die Leibesfrucht könne kein Opfer einer Körperverletzung sein. Nur das ungeborene Leben als solches selbst sei strafrechtlich geschützt. Der Versuch eines illegalen Schwangerschaftsabbruchs sei jedoch nicht erwiesen.

Der Lebenswandel einer Schwangeren, so das Gericht, unterliege deren Persönlichkeitsrechten und lasse sich außerhalb des Strafrechts nicht durch staatliche Eingriffe beeinflussen (Aktenzeichen S 1 VG 83/14).

Pro Urteil nur ein Fahrverbot

Wenn in einem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsdelikten mehrere selbständige Taten verhandelt werden, stellt sich die Frage: Gibt es für jede Tat ein gesondertes Fahrverbot? Oder darf für alle Taten nur ein Fahrverbot verhängt werden? Diese Grundsatzfrage hat der Bundesgerichtshof jetzt entschieden.

Ein Autofahrer war zwei Mal auf der A2 geblitzt worden. Im Aril und Juni 2014. Das Oberlandesgericht Hamm war der Meinung, dass der Mann mit zwei Fahrverboten von jeweils einem Monat zu belegen ist. Das sieht der Bundesgerichtshof anders, wie auch die meisten anderen Oberlandesgerichte in Deutschland.

Laut dem BGH ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung, der Gesetzessystematik und der Gesetzesgeschichte, dass bei mehreren Taten, die gemeinsam verhandelt werden, am Ende nur ein einheitliches Fahrverbot herauskommen kann. Die Einzelheiten kann man hier nachlesen.

Es kann sich durchaus lohnen, mal von dem Thema gehört zu haben. Gerade in den Bußgeldabteilungen der Amtsgerichte geht es ja oft robust zu, der Zeitdruck ist groß und oft werden Berufsanfänger als Richter eingesetzt. Da kann es durchaus vorkommen, dass die Regel „Pro Urteil höchsten ein Fahrverbot“ nicht beachtet wird. Oder im schlimmsten Fall sogar unbekannt ist.

Dashcams dürfen Nachbarn nicht beobachten

Auch Dashcams in stehenden Autos können ein Ärgernis sein. Zum Beispiel wenn das Auto ständig gegenüber einem Wohngrundstück geparkt ist und die Bewohner dort das Gefühl haben, aus dem Auto heraus gefilmt zu werden. Mit diesem Fall musste sich das Landgericht Memmingen befassen.

Eine Erzieherin parkte ihren Wagen während ihrer Arbeitsstunden häufig gegenüber dem Haus der Klägerin. Damit hatte die Dashcam des Wagens das Grundstück stets im Blick. Die Kamera schaltete sich auch über einen Bewegungsmelder ein und zeichnete dann für mehrere Minuten auf, was auf dem Grundstück und hinter den Fenstern passierte.

In seinem Urteil verbietet das Landgericht Memmingen der Frau, ihren Wagen künftig mit betriebsbereiter Dashcam so zu parken, dass das Haus der Klägerin im Blickfeld ist. Die Richter sehen einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wiege schwerer als das mögliche Interesse der Beklagten, mit der Kamera einen Unfall oder eine Sachbeschädigung an ihrem Auto zu dokumentieren. Denn die Klägerin sehe sich einem permanenten Überwachungsdruck ausgesetzt, den sie nicht hinnehmen müsse.

Da praktisch überall geparkte Autos mit Dashcam stehen, kann das Urteil bei einem entsprechenden Klima in der Nachbarschaft große Bedeutung gewinnen (Aktenzeichen 22 O 1983/13).

Mit allem einverstanden

Aus einer Strafanzeige der Polizei NRW:

Am 02.01.2016 um 23:45 Uhr befuhren die Beamten den …-Platz in R…., als Ihnen der BES auffiel.

Dieser war den Beamten aus vorangegangenen Einsätzen bekannt.

Im Rahmen der folgenden Personenkontrolle wurde der BES mit seinem Einverständnis in seiner Oberbekleidung nach verbotenen Gegenständen durchsucht.

Hierbei konnte in der rechten Jackentasche ein Schlagring aufgefunden werden.

Tja, fragt man sich da. Warum schreiben die Polizeibeamten extra in die Anzeige, dass die Durchsuchung mit dem „Einverständnis“ des Betroffenen erfolgte? Natürlich deswegen, weil den Polizisten selbst klar ist, dass sie sich rechtswidrig verhalten.

Damit meine ich gar nicht so sehr die dreiste Lüge, mein Mandant sei mit der Durchsuchung einfach mal so „einverstanden“ gewesen. Schauen wir uns diesen Punkt aber zunächst an. Ich kenne den Betreffenden schon länger. Der ist garantiert mit gar nichts einverstanden, was die Polizei mit ihm machen will. Dazu kennt er zu gut seine Rechte. Aber so ein Einverständnis ist natürlich deshalb wichtig, weil es eine rechtswidrige polizeiliche Maßnahme mit einem Schlag legitimieren kann.

Das nennt sich dann Grundrechtsverzicht durch den Betroffenen. Das ist anscheinend so eine Art spontaner juristischer Selbstenzündung. Man könnte auch von einem Blackout-Syndrom sprechen. Es befällt seit einigen Jahren verstärkt ansonsten mündige Staatsbürger im Angesicht der Damen und Herren in grün blau. Da wird dann nach Aktenlage seitens des Betroffenen fast schon darum gebettelt, einer polizeilichen Maßnahme unterzogen zu werden.

So ein Grundrechtsverzicht ist erstaunlicherweise bei uns möglich und nicht nur bei Personenkontrollen beliebt. Sondern zum Beispiel auch bei Hausdurchsuchungen, für die kein richterlicher Beschluss vorliegt. Da heißt es dann auch oft: „Der Beschuldigte war mit einer Durchsuchung seiner Wohnung einverstanden.“ Eine Unterschrift holen sich die Bamten dafür in den wenigsten Fällen. Nicht, weil es kein Formular dafür gibt. Sondern weil sie in Wirklichkeit keine Unterschrift vom Betroffenen kriegen würden, wenn ihm tatsächlich klar wäre, dass er sich mit seinem angeblichen Einverständnis fast alle Rechte abschneidet – und das ohne jede Not.

Nun zum zweiten Punkt. Hier gab es überhaupt keine handfesten Gründe für die Annahme, dass mein Mandant verbotenen Gegenstände mit sich führt. Der Umstand, dass er irgendwie polizeibekannt ist, reicht für eine Durchsuchung so vage jedenfalls nicht aus. Zumal mein Mandant nun auch kein Schwerverbrecher ist und auch noch nie mit einer Waffe irgendwo angetroffen wurde. Auch die anderen Voraussetzungen, die im Polizeigesetz NRW für eine Durchsuchung genannt werden, sind nicht erfüllt. Wären sie es, hätten die Beamten es natürlich auch mit Freude aufgeschrieben.

Kurz gesagt: Die Filzerei ohne Grund mag polizeilicher Alltag sein, zulässig ist sie deswegen noch lange nicht.

Mit einem Lerneffekt bei der Polizei ist übrigens frühestens dann zu rechnen, wenn wir endlich mal Verwertungsverbote für rechtswidrig erlangte Beweismittel bekommen. Aber leider sind wir davon derzeit sehr viel weiter entfernt als jemals zuvor.

Richter stolpert über sein Facebook-Profil

Das Facebook-Profil eines Richters als Befangenheitsgrund. Bis heute hätte man drüber geschmunzelt, doch nun ist es harsche Wirklichkeit. Der Vorsitzende einer Rostocker Strafkammer hat sich auf Facebook so weit aus dem Fenster gelehnt, dass der Bundesgerichtshof nun eines seiner Urteil aufhob.

Der Verteidiger eines Angeklagten hatte sich die Facebook-Seite des Vorsitzenden Richters angesehen. Dazu heißt es in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs:

Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „.,.sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde.

Dazu findet der Bundesgerichtshof klare Worte:

Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig.

Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität.

Der Vorsitzende ist noch im Amt, seine Facebook-Seite weiter auffindbar, allerdings ohne das Foto im T-Shirt. Ich habe bei dem Gericht momentan selbst keinen Prozess. Aber es werden sich sicher etliche Kollegen finden, die jetzt ganz flink in laufenden Verfahren Befangenheitsanträge für ihre Mandanten stellen – und sie dann zumindest am Ende des Instanzenzuges wohl auch durchbekommen.

Würde mich nicht wundern, wenn das Präsidiums des Landgerichts Rostock bei nächster Gelegenheit ebenfalls überlegt, was der Richter bis zu seiner Rente denn so machen könnte. Vielleicht beschreibt er ja mal auf Facebook seinen Blick, wenn er das Ergebnis erfährt (Link zum Beschluss; Anmerkungen von RA Detlef Burhoff).

Nachtrag: Heribert Prantl schreibt in der Süddeutschen Zeitung über den Fall

Nachtrag 2: Der Richter soll nach Angaben des Landgerichts Rostock weiter Strafsachen verhandeln

Rülpsen als grob ungehörige Handlung

Für einen lauten Rülpser, an dem sich ein Wiener Polizist störte, soll ein Österreicher 70 Euro Bußgeld zahlen. „Verletzung des öffentlichen Anstands“ wird dem Betroffenen zur Last gelegt. Die Sache schlägt hohe Wellen, wie diverse Berichte (u.a. hier und hier) zeigen.

Kann so was auch bei uns passieren? Ich meine die Geldbuße, nicht den Rülpser. Strafbar, also mit Geldstrafe oder gar Gefängnis bedroht, ist so etwas natürlich nicht. Das hat schon zutreffend Rechtsanwalt Dr. Rainer Hamm für den Deutschen Anwaltverein klargestellt:

Sich unanständig zu verhalten und gegen Benimmregeln zu verstoßen, ist in Deutschland nicht strafbar.

Aber wie sieht es denn eine Stufe drunter aus? Im Bereich der Ordnungswidrigkeiten lauert ein Paragraf, der jedenfalls schon mal gar nicht unpassend klingt:

Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

Bis zu 1.000 Euro kann so eine ungehörige Handlung kosten. Ich habe mal einige angeblich grob ungehörige „Kleinigkeiten“ zusammengesucht, wegen derer Bürger schon mal vor Gericht mussten:

– Sex in der Öffentlichkeit (Stadtpark);
– Nacktjoggen;
– Absingen anstößiger Lieder;
– Notdurft auf der Straße;
– Äußerungen obszönen Inhalts in der Öffentlichkeit;
– Umarmen fremder Frauen auf der Straße;
– Umstellen einer Parkbank (aber am Ende Freispruch!);
– Umdrehen eines Wegweisers;
– Werfen eines Spazierstocks in die Fahrbahn eines Radfahrers;
– Animieren zum Nacktanz in einer Discothek.

Da liegt es jedenfalls nicht ganz fern, dass auch das Rülpsen mal ins Visier gestrenger Ordnungshüter kommen könnte. Vielleicht nicht der dönerbedingte Verdauungsrülpser wie im Wiener Fall. Aber womöglich, wenn in irgendeiner Form organisiert gerülpst wird und das jemanden belästigen könnte. Der Ausgang des Verfahrens wäre dann sicher auch bei uns interessant.

Beim gezielten Anrülpsen von Personen kann übrigens auch wieder das Strafrecht ins Spiel kommen. Eine Beleidigung ist nicht nur durch Worte, sondern auch durch schlüssiges Handeln möglich.

Wie man sieht, ist Wien gar nicht so weit weg. Weder geografisch noch juristisch.

Weiter unwürdig

Einem vorbestraften Mitglied der Partei „Die Rechte“ bleibt die Zulassung zum Rechtsreferendariat auch weiter verwehrt. Das Verwaltungsgericht Minden lehnte es heute nun auch im Hauptsacheverfahren ab, den Mann nach seinem Ersten Staatsexamen für den Juristischen Vorbereitungsdienst zuzulassen. Er sei wegen seiner Vorstrafen „unwürdig“, auch wenn keine der Strafen die an sich geltende Grenze von einem Jahr erreicht.

Ich habe mich schon mal zu dem Fall geäußert. Mit dem Deutschlandfunk habe ich heute über das Thema gesprochen.

Urteil gegen Middelhoff rechtskräftig

Der frühere KarstadtQuelle-Chef Thomas Middelhoff muss in Haft. Das gegen ihn verhängte Urteil von drei Jahren Freiheitsstrafe ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof verwarf Middelhoffs Revision gegen das Urteil des Landgerichts Essen als unbegründet.

Middelhoff stand nicht wegen seiner Managerleistungen vor Gericht, sondern wegen Spesenbetrugs und damit verbundener Umsatzsteuerhinterziehung. Middelhoff soll zwischen November 2005 und Februar 2009 in 26 Fällen KarstadtQuelle Kosten in Höhe von rund 300.000 Euro aufs Auge gedrückt haben, die rein privat veranlasst waren oder zu anderen Mandaten Middelhoffs gehörten. Es ging um Charterflüge, Hotelübernachtungen und Limousinenservice. Außerdem soll Middelhoff eine Festschrift für einen Mentor privat beauftragt, aber über KarstadtQuelle (später Arcandor) abgerechnet haben. Die Festschrift kostete rund 180.000 Euro.

Middelhoff saß schon fünf Monate in Untersuchungshaft, bevor das Landgericht Essen seinen Haftbefehl außer Vollzug setzte (Aktenzeichen 1 StR 209/15).

„Mord ohne Leiche“ – der Fall geht weiter

Der Bonner Fall „Mord ohne Leiche“ geht in die Verlängerung. Der Bundesgerichtshof hob die Verurteilung eines Mannes zu elf Jahren Freiheitsstrafe auf.

Die Karlsruher Richter sehen erhebliche Fehler in der Beweiswürdigung. Das Landgericht Bonn war davon überzeugt, dass der Angeklagte seine Ehefrau getötet und die Leiche zerstückelt hat. Von der Leiche fehlt bis heute aber jede Spur.

Seine Überzeugung stützte das Landgericht maßgeblich auf die Zeugenaussage einer Frau, die nach der Ausstrahlung des Falles bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ in einem Internetforum über die Täterschaft des Angeklagten spekuliert hatte. Später ging die Frau sogar eine intime Beziehung zu dem Angeklagten ein, mutmaßlich in erster Linie, um „etwas aus ihm herauszukriegen“. Der Angeklagte soll der Frau im Verlauf der Beziehung die Tötung gestanden haben.

Der Bundesgerichtshof kritisiert, das Landgericht Bonn habe die Aussage der Frau nicht kritisch genug hinterfragt. Insbesondere sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die Frau eine weitere intime Beziehung davon abhängig machte, dass der Angeklagte ihr „die Wahrheit“ sagt. Auch sei es nicht nachvollziehbar, wieso das Landgericht dem Angeklagten in einigen Punkten geglaubt habe, in anderen aber nicht (Aktenzeichen 2 StR 4/15).

Pflegenotstand kein Thema für Karlsruhe

Wenig überraschend weigert sich das Bundesverfassungsgericht, allgemeine Beschwerden wegen des „Pflegenotstandes“ zu behandeln. Die Richter nahmen Verfassungsbeschwerden von einigen Klägern nicht zur Entscheidung an, die nach eigener Einschätzung in absehbarer Zeit pflegebedürftig werden.

Nur in seltenen Fällen dürfe das Verfassungsgericht den Gesetzgeber zu einem konkreten Handeln verpflichten, nämlich wenn eindeutig Schutzpflichten verletzt seien. Das hätten die Beschwerdeführer aber nicht hinreichend dargelegt, so da Gericht in Karsruhe. Hinzu komme, dass noch gar nicht sicher sei, ob die Betroffenen später einmal wirklich stationär gepflegt werden müssten. Komme es tatsächlich zu Mängeln bei der Pflege, könne Klage vor den Fachgerichten erhoben werden (Aktenzeichen 1 BvR 2980/14).

Kindesmissbrauch durch Whats-App-Nachricht

Auch ein Whatsapp-Chat kann sexueller Missbrauch von Kindern sein, hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Ein Erwachsener hatte mit einer Neunjährigen in der Weise gechattet, dass er ihr ein sexuelles Erlebnis mit mehreren Beteiligten vorschlug.

Ende des Jahres 2014 chattete der 55 Jahre alte Angeklagte über Whatsapp mit einer Neunjährigen, die er, ebenso wie ihre Mutter, bereits einige Zeit kannte. Im Rahmen des Chats fragte der Angeklagte das Kind zunächst nach ihrem Freund und ob sie glücklich mit ihm sei. In den nächsten Tagen erkundigte er sich, ob die Nacht mit ihrem Freund „schön“ gewesen sei, ob sie für ihn „eine Freundin“ habe, „die nicht erwachsen“ sein müsse. Dann fragte er, ob man „zu 4 was machen“ können, „du und dein Freund und ich mit ihr“.

Die weiteren Nachrichten, die der Angeklagte über Whatsapp an die Geschädigte versandte, erhielt ihre Mutter, die zwischenzeitlich das Telefon ihrer Tochter an sich genommen hatte. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung.

Die Revision des Angeklagten blieb erfolglos. Nach Auffassung des OLG Hamm hat sich der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Der genannte Straftatbestand sei erfüllt, wenn ein Täter auf ein Kind mittels Schriften oder mittels Informations- oder Kommunikationstechnologie einwirkt, um das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen. Das könnten sexuelle Handlungen sein, die das Kind an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll.

Das Einwirken im Sinne des Gesetzes könne auf verschiedene Weise erfolgen, etwa durch wiederholtes Drängen, Überreden, Versprechungen oder das Erwecken von Neugier.

Im vorliegenden Fall sei es zwar noch nicht zu einem wiederholten Drängen oder zu einem Überreden gekommen, da die zuvor übersandten Nachrichten noch keinen hinreichenden sexuellen Hintergrund gehabt hätten. Die letzte Nachricht diene aber dem Wecken von (sexueller) Neugier, zumal die Nacht mit dem Freund vorher ein Thema gewesen sei (Aktenzeichen 4 RVs 144/15).

Zug ohne Klo: doch kein Schmerzensgeld

Eine Frau bekommt nun doch kein Schmerzensgeld, weil sie sich wegen einer fehlenden Toilette in einem Regionalsverkehrszug der Bahn in die Hose machte. Das Landgericht Trier hob nun eine frühere Entscheidung des Amtsgerichts auf, das der Frau 200 Euro als Entschädigung zugesprochen hatte.

Unstreitig in dem Prozess war, dass es in der Regionalbahn zwischen Koblenz und Trier Toiletten gab. Von denen aber keine funktionierte. Dass die Reisende ihrem Handrang letztlich nachgeben musste, wertete das Amtsgericht als Pflichtverletzung der Bahn. Ein Zug ohne funktionierendes Klo sei eine Pflichtverletzung, lautete das Urteil.

Die Richter am Landgericht sehen die Sache differenzierter. Sie lassen in ihrem Urteil ausdrücklich die Frage offen, ob in einem Regionalzug für Kunden eine Toilette nutzbar sein muss. Vielmehr, so das Gericht, sei letztlich doch „eigenverantwortliches Handeln“ der Frau ausschlaggebend für das Malheur gewesen. Zwischen Koblenz und Trier gebe es 29 Haltestellen. „Unter bestimmten Umständen kann es Reisenden zugemutet werden, den Zug zu verlassen und die Reise nach einem Toilettengang mit der nachfolgenden Bahn fortzusetzen“, zitiert die Rheinische Post aus dem Urteil.