Hip-Hop gehört zu Deutschland

Das Bundesverfassungsgericht rettet den Hip-Hop. Klingt theatralisch, passt aber dennoch auf eine aktuelle Entscheidung aus Karlsruhe. Die Richter rügen nämlich den Bundesgerichtshof, der das „Sampling“ als Urheberrechtsverletzung eingestuft hatte. Hintergrund ist der seit vielen Jahren dauernde Rechtsstreit zwischen dem Komponisten Moses Pelham und der Band Kraftwerk. Pelham hatte für einen Song von Sabrina Setlur kurze Tonschnipsel von Kraftwerk ungefragt verwendet.

Der Bundesgerichtshof war der Meinung, selbst kürzeste Musiksequenzen dürften nicht einfach übernommen werden, ohne dass dafür ein Lizenzvertrag geschlossen und gezahlt wird. Oder der Künstler muss die Tonfolge selbst nachspielen. Beides wird aber der (neuen) Kunstform des Hip-Hop nicht gerecht, sagen die Verfassungsrichter. Sie machen deutlich: Neue Kunstformen haben ihre Existenzberechtigung, die Kunstfreiheit schützt sie ebenso wie etablierte Ausdrucksformen. Deshalb müsse hinreichend berücksichtigt werden, dass Sampling, also die Verwertung fremder Musik in einem neuen Werk, ein stilprägendes Element des Hip-Hop ist.

Der Bundesgerichtshof muss den Rechtsstreit nun noch einmal entscheiden (Aktenzeichen 1 BvR 1585/13).

Unzüchtig im Chat

Videochats in sozialen Netzwerken bergen ja auch immer die Gefahr, dass Nutzer mehr zeigen, als andere sehen wollen. Wie aber ist jemand gegebenenfalls zu bestrafen, der zum Beispiel in einem nicht einschlägigen Chat für andere sichtbar masturbiert? Juristisch gar keine einfache Frage, wie aktuell ein Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe zeigt.

Während in einem Videochat andere nur plaudern wollten, befriedigte sich der Angeklagte selbst. Damit handelte er sich eine Anzeige ein. Das Landgericht sah darin eine „Zugänglichmachung pornografischer Darstellungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste“ (§ 184d StGB) und verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

Das klingt zunächst plausibel, ist aber wohl mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, so das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Vorschrift gelte nur für Programmverantwortliche von Sendern und sonstigen Medien. Der Angeklagte selbst habe aber keine Einflussmöglichkeiten auf Dauer und Modalitäten seiner „Internet-Ausstrahlung“ gehabt, also einen Zugriff auf die technische Infrastruktur. Vielmehr hätten die Betreiber des Chats und die Moderatoren die „Sendehoheit“.

Eher in Frage kommt für das Oberlandesgericht eine Strafbarkeit wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB) durch öffentliche sexuelle Handlungen. Die nach dem Gesetz nötige „Öffentlichkeit“ lag wohl vor, weil die Teilnehmer des Chats keine geschlossene Gruppe bildeten. Beim Vorsatz ist dann die Hauptfrage, ob der Angeklagte tatsächlich ein „Ärgernis“ verursachen wollte. Ob dies der Fall war, soll das Landgericht neu prüfen (Aktenzeichen 1 (3) Ss 163/15 – AK 51/15).

Stöckelschuhe – nur auf eigenes Risiko

Stöckelschuhe und Schmutzfangmatten sind zweifellos eine gefährliche Kombination. Wer hierbei zu Fall kommt, darf die Schuld aber nicht bei anderen suchen. So sieht es zumindest das Oberlandesgericht Hamm. Die Richter lehnen Schadensersatz und Schmerzensgeld für eine Theaterbesucherin ab, der so eine Schmutzfangmatte am Eingang des Marler Stadttheaters zum Verhängnis wurde.

2.000 Euro Schmerzensgeld und weitere 3.750 Euro Schadensersatz wollte die Frau einklagen. Sie sei nach ihrem Sturz über zwei Monate arbeits- und sportunfähig gewesen. Selbst schuld, meint dagegen das Oberlandesgericht Hamm wie schon das Landgericht Essen als Vorinstanz.

Schmutzfangmatten hätten an Eingangstüren eine Existenzberechtigung, da sie die Besucher vor Stürzen durch Nässe und Verschmutzungen schützen. Außerdem sei die Matte selbst farblich gut erkennbar gewesen, auch die Löcher in der Matte waren für jeden Passanten zu sehen. Mit ihren kleinflächigen, mindestens 4,5 Zentimeter hohen Absätzen habe die Klägerin einfach vorsichtiger sein müssen. Der Stadt Marl habe dagegen keine Pflicht verletzt (Aktenzeichen 11 U 127/15).

Darf Sky seinen Kunden höhere Preise diktieren?

Der Bezahlsender Sky dreht kräftig an der Gebührenschraube. Derzeit werden viele Kunden darüber informiert, dass ab Sommer ihre Abos deutlich teurer werden – um bis zu drei Euro pro Monat. Allerdings beträgt die individuelle Kostensteigerung maximal 5,0 Prozent. Was wenig überraschend ist, denn ab einer Preissteigerung von 5,1 % müsste Sky dem betroffenen Kunden ein Sonderkündigungsgrecht gewähren. So bestimmt es ausdrücklich das Kleingedruckte von Sky.

Dementsprechend lakonisch weist Sky in einer Infomail an seine Kunden auch darauf hin, dass diese wegen der Preiserhöhung leider, leider nicht vorzeitig aus ihrem Vertrag aussteigen dürfen. Allerdings ist dies möglicherweise nicht die ganze Wahrheit. Denn vorrangig stellt sich natürlich die Frage, ob die Preiserhöhungsklausel selbst überhaupt wirksam ist.

Die aktuelle Fassung des Textes, mit dem Sky nun die Preise erhöhen möchte, kann man auf der Webseite des Senders nachlesen. Danach darf Sky die Abogebühren erhöhen, wenn sich die Gesamtkosten des Senders erhöhen, und zwar in den Bereichen „Entgelte für Programmlizenzen, Entgelte für Technikleistungen, Kundenservice- und sonstige Umsatzkosten, allgemeine Verwaltungskosten“.

Die Punkte sind nicht ohne Grund so ausführlich aufgezählt. Denn der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2007 eine ähnlich formulierte Preiserhöhungsklausel von Sky (Name damals: PREMIERE) für unwirksam erklärt (Aktenzeichen III ZR 247/06). Darin führen die Richter an, der Kunde müsse erkennen können, bei welchen Kostengruppen eine Steigerung auf ihn umgelegt werden kann. Dem trägt die neugefasste Klausel Rechnung, denn sie zählt die einzelnen Sendersparten auf.

Dabei hat es der Bundesgerichtshof aber nicht belassen. Vielmehr hat er auch gefordert, dass die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente offengelegt wird, so dass der Kunde bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann. Eine dementsprechende „Gewichtung“ enthält die aktuelle Klausel jedenfalls nicht, die einzelnen Positionen werden als gleichwertig aufgezählt. Was natürlich nur dann korrekt wäre, wenn die Kosten für Lizenzen, Technik und Kundendienst absolut jeweils gleich hoch sind.

In seiner Kundeninformation sagt Sky nicht, welche Kosten sich konkret in welcher Höhe geändert haben. Mangels absoluter und relativer Zahlen dürften Kunden auf jeden Fall das Recht haben, von Sky aussagekräftige Informationen zu verlangen, damit sie die Preiserhöhung entsprechend der Vorgabe des Bundesgerichtshofs inhaltlich nachvollziehen können.

Im Zweifel könnte sich auch die Nachfrage lohnen, ob Sky im fraglichen Zeitraum nicht auch Kosten eingespart hat. Denn diese Kostenersparnisse müssten zumindest gegengerechnet werden (Ziff. 4.4 der Sky-AGB). Nach den eigenen Bedingungen muss Sky auch nachweisen, dass Kostensteigerungen „nicht vorhersehbar“ waren und „nicht im Belieben von Sky stehen“. Gerade Kostensteigerungen sind doch für ein Unternehmen mit funktionierendem Controlling sehr oft vorhersehbar, jedenfalls jene im normalen Rahmen.

Ich verstehe auch nicht, was Kosten sein könnten, die im „Belieben“ von Sky stehen. Das alles klingt jedenfalls reichlich vage. Da stellt sich schnell die Frage, ob solche Formulierungen noch dem Transparenzgebot entsprechen. Das Risiko trägt bei AGB immer der Verwender, hier also Sky. Bei einem Verstoß wäre im Zweifel die gesamte Preiserhöhungsklausel unwirksam.

Selbst wenn die Klausel wirksam wäre, müsste Sky den eigenen AGB Rechnung tragen und dem Kunden nachvollziehbar mit Zahlen belegen, dass die Voraussetzungen vorliegen. Mit der bloßen Behauptung, die Preiserhöhung sei schon in Ordnung, muss sich ein Sky-Abonnement jedenfalls nicht abspeisen lassen.

Selbst wenn die aktuelle Sky-Klausel den Vorgaben des Bundesgerichtshofs genügen sollte, wäre es also interessant, wie Sky auf gezielte Nachfrage zu den einzelnen Kostensteigerungen und möglichen Einsparungen antwortet. Bleibt das Unternehmen konkrete Angaben schuldig, könnte nämlich auch dies dem Kunden das Recht geben, jedenfalls die Preiserhöhung zu verweigern und einer Kündigung oder Leistungsverweigerung durch Sky gelassen zu begegnen.

Anwalt fälscht Urteil, wird aber nicht bestraft

Kurios auf jeden Fall, aber auch lehrreich. So lässt sich eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zusammenfassen. Es ging um einen Anwalt, der seinem Mandanten vorspiegelte, er habe für diesen einen Prozess vor dem Arbeitsgericht gewonnen. Tatsächlich hatte der Anwalt sich wohl nicht um die Sache gekümmert. Eine Klage hatte er jedenfalls nicht erhoben. Dafür bastelte er ein passendes Urteil selbst und schickte dem Mandanten eine „Abschrift“. Der Schwindel flog auf, und der Anwalt landete wegen Urkundenfälschung vor Gericht.

Zwei Instanzen hatten keine großen Probleme damit, das nicht existierende Urteil als strafbare Urkundenfälschung (§ 267 StGB) zu bewerten. Doch die Richter am Oberlandesgericht schauten in letzter Instanz etwas genauer hin und sprachen den Anwalt frei. Genau an diesem Punkt wird das Urteil lehrreich. Denn es zeigt sehr schön, dass vor allem (ausgedruckte) E-Mails, Fotokopien und Faxe, auf die wir uns zum Beispiel bei Vertragsschlüssen im Alltag sehr oft verlassen, normalerweise gar keine strafrechtlich „geschützten“ Dokumente sind.

Das betreffende Papier selbst muss nämlich die Erklärung des Ausstellers „verkörpern“. Das tun aber gerade Fotokopien keineswegs, denn sie sind halt nicht das Original. Den Anwalt rettete deshalb, dass er dem Mandanten eben nur eine Abschrift des vermeintlichen Urteils schickte und nicht ein vermeintliches Original, also eine von der Geschäftsstelle des Gerichts mit Stempel und Unterschrift bestätigte „Ausfertigung“. (Das von den Richtern unterschriebene Original bleibt ja sowieso stets in der Akte.)

Allerdings sollte man nicht übersehen, dass der Anwalt vor seinem Freispruch zwei Mal verurteilt wurde. Das bestätigt auch meine Erfahrung, dass die strenge Unterscheidung zwischen Original und Kopie bei Gerichten heute kaum noch salonfähig ist. Selbstverständlich wird auch dort je nach Bedarf schon mal einer einer Urkunde ein Beweiswert zugesprochen, obwohl sie gar keine Urkunde ist. Vor allem natürlich dann, wenn nicht ernsthaft zur Debatte steht, dass irgendwo das passende Original existiert.

Als Freibrief für Trickser und Täuscher sollte man das Urteil deshalb nicht ansehen (Aktenzeichen 1 RVs 18/16).

Ich werde nur 3 Fragen stellen…

Mir wird die todsichere Verteidigungsstrategie skizziert:

Der Richter kann gar kein Verfahren eröffnen.

Zunächst einmal werde ich dem Richter zur Klärung der Rechtsunsicherheit 3 Fragen stellen, verlange seinen Amtsausweis, frage ob er ein staatlicher Richter ist und ob es sich um ein staatliches Gericht handelt. Diese Fragen kann er mir nicht mit „ja“ beantworten, da es keine staatlichen Gerichte und auch keine staatlichen Richter mehr gibt, es sei denn, sie sind ausdrücklich von den Alliierten dazu legitimiert.

Ich habe mir eine eidesstattliche Versicherung vorbereitet, die er mir dann bitte unterschreiben möchte. Wenn er das alles nicht macht, kann er kein Verfahren eröffnen. Dann macht er eine Aussageverweigerung wegen Eigenbelastung gem. § 55 Strafproz.O.

Ich poste das nur ungern und ausschließlich in Erfüllung meiner Chronistenpflicht. Immerhin mache ich mich als Strafverteidiger ja völlig überflüssig und darf mich damit quasi nach einem neuen Job umsehen.

Frau verschwindet mit Briefkastenschlüssel

Wer eine gerichtliche Frist versäumt, kann sich nicht darauf berufen, die eigene Ehefrau habe mit dem Briefkastenschlüssel das Weite gesucht. Mit genau dieser Entschuldigung kam jedenfalls ein 24-Jähriger vor dem Oberlandesgericht Hamm nun nicht weiter.

Der Mann konnte nach eigenen Angaben knapp elf Tage nicht an seine Post, weil ihn seine Frau mitsamt des Briefkastenschlüssels vorübergehend verlassen hatte. Deshalb versäumte er die Frist, um sich gegen einen Bewährungswiderruf zu wehren.

Das Oberlandesgericht Hamm verweigerte dem Betroffenen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Jeder sei verpflichtet, regelmäßig der Post zu schauen. Der 24-Jährige hätte den Briefkasten von jemandem öffnen lassen können, der sich damit auskennt. Oder er habe zumindest bei seiner Frau auf Rückgabe des Schlüssels drängen müssen. Da er beides versäumt habe, habe er die Frist nicht unverschuldet versäumt.

Der Betroffene muss nun seine Freiheitsstrafe absitzen. Im Knast werden seine Gedanken voraussichtlich viel häufiger um Schlüssel kreisen (Aktenzeichen 4 Ws 103/16).

Alle erinnern sich genau, nur leider falsch

„Können vier Polizisten irren und mit ihrem Irrtum einen Angeklagten hinter Gitter bringen?“ Diese Frage stellt die Märkische Allgemeine in einem Prozessbericht. Die Antwort gibt es auch: Das geht – hier aber nur fast. Denn ein Gutachter deckte zumindest in zweiter Instanz auf, dass die Beamten die Unwahrheit gesagt hatten.

Es ging um die Festnahme eine Mannes wegen Drogenhandels. Die Beamten hatten behauptet, der Verdächtige sei mit seinem Auto auf der Flucht absichtlich auf sie zugefahren, obwohl ihr Auto bereits gestanden habe. Der Angeklagte beteuerte dagegen, er habe gar nicht gewusst, dass es sich um Polizisten handelte. Außerdem sei ihr Fahrzeug auch noch gefahren, so dass er einfach nicht ausweichen konnte.

Erst ein eigenes Gutachten, das der Angeklagte in zweiter Instanz vorlegte, entlarvte die Angaben der Polizisten als falsch. So könne sich der Unfall nicht zugetragen haben, lautete das Fazit des Sachverständigen. Das Polizeiauto habe keinesfalls gestanden. Am Ende kriegte der Angeklagte vom Landgericht Potsdam noch anderthalb Jahre wegen Drogenhandels – auf Bewährung. Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hatte zunächst auf zweieinhalb Jahre Haft befunden, die nicht mehr zur Bewährung hätten ausgesetzt werden können.

Missglückter Schülerspaß oder sexueller Angriff?

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat entschieden, dass sexuelle Übergriffe eines Schülers gegenüber einer Mitschülerin auch dann einen Schulausschluss rechtfertigen, wenn diese von ihm als „Spaß“ verstanden wurden.

Ein Sechstklässler, 12 Jahre alt, solle eine Mitschülerin auf dem Nachhauseweg aufgefordert haben, „ihm einen zu blasen“. Er soll dabei auf die Elfjährige zugegangen sein, Hose und Unterhose heruntergezogen haben. Die Schule quittierte dieses Verhalten mit einem sofortigen Schulausschluss, nachdem die Eltern der Schülerin Strafanzeige erstattet hatten.

Der Schüler klagte gegen den Rauswurf aus der Schule, bekam aber vor dem Verwaltungsgericht im Eilverfahren kein Recht. Das Gericht glaubte ihm nicht, dass er tatsächlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite gestanden habe und das ganze nur lustig gemeint gewesen sei. Das Gericht schließt aus den Angaben des Mädchens und eines anderen Schülers, dass der Schüler tatsächlich viel näher an dem Mädchen gestanden habe.

Obwohl der Schüler in seinem jungen Alter möglicherweise nicht die gesamte Tragweite seines Verhaltens überblickt habe, könne dies nicht als alterstypisches (vor-)pubertäres Verhalten angesehen werden. Denn es müsse auch dem Antragsteller klar gewesen sein, dass ein solches Verhalten die Grenze zum „Spaß“ bei weitem überschreite, zumal sich der Antragsteller und die Geschädigte nur vom Sehen gekannt hätten. Zu Lasten des Jungen wertete das Gericht auch, dass er schon früher Mitschüler beleidigt, provoziert oder auch körperlich angegangen habe.

Ein Verbleib des Antragstellers an der Schule lasse auch „eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung und Sicherheit der Mitschüler befürchten“. Zudem dürfte es dem Mädchen auch nicht zumutbar sein, weiter dieselbe Schule wie der Antragsteller zu besuchen, da es im Schulhaus und Schulgelände stets zu einem Zusammentreffen kommen und die Geschädigte damit jederzeit mit der Tat konfrontiert werden könne.

Der 12-Jährige ist mittlerweile an einer anderen Schule (Aktenzeichen 12 K 2336/16).

Richter lassen Schockwerbung auf Zigarettenpackungen zu

Zigarettenhersteller müssen Schockbilder auf Zigarettenpackungen anbringen. Zumindest vorläufig. Das Bundesverfassungsgericht lehnt den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Ein Zigarettenhersteller wollte damit das neu gefasste Tabakerzeugnisgesetz stoppen. Die Vorschriften verlangen drastische Gesundheitswarnungen auf jeder Zigarettenpackung. Die Pflicht gilt seit heute.

Die Richter sehen jedoch keinen Grund, die Vorschriften außer Kraft zu setzen. Das Gesetz beruhe auf Vorgaben der Europäischen Union. Es verfolge deshalb den wichtigen Zweck, das europäische Recht zu harmonisieren. Überdies gehe es um Gesundheitsschutz, und dieser sei ein „überragend wichtiges Gemeinwohlziel von Verfassungsrang“.

Die befürchteten wirtschaftlichen Einbußen des Herstellers seien dagegen nicht so gravierend. Insbesondere sei der Firma nicht der Nachweis gelungen, dass Schockwerbung ihre Existenz gefährdet. Das Gericht betont allerdings, es handele sich um eine vorläufige Abwägung. Ob die Schockwerbung tatsächlich verfassungsgemäß ist, wird erst im Hauptsacheverfahren geprüft (Aktenzeichen 1 BvR 895/16).

Niemals pusten, bloß nicht pinkeln

Wenn in einem Fall größere Mengen Alkohol eine Rolle spielten, konnte ich als Anwalt meinen Mandanten früher leicht beruhigen. Nach dem Motto: Kein Zusammenhang mit dem Straßenverkehr? Kein Risiko für den Füherschein. Diese Zeiten sind längst vorbei, wie beispielsweise ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier zeigt.

Ein Mann war gut betankt (2,5 Promille) in Trier durch die Stadt gegangen. Er wurde beobachtet, wie er aus einem Fahrrad die Luft abließ. Außerdem habe er sich „äußerst aggressiv“ gezeigt, indem er mit den Füßen gegen Häuserwände, Straßenschilder und sonstiges Straßenmobiliar trat. Das erfuhr das Straßenverkehrsamt aus einem Polizeibericht. Die Behörde verlangte von dem Mann einen Idiotentest.

Zu Recht, findet das Verwaltungsgericht. Ein einmalig festgestellter erhöhter Alkoholwert sei allein zwar kein ausreichender Hinweis auf eine Untauglichkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Doch biete das „auffällige Verhalten“ des Betroffenen „in der Gesamtschau“ Hinweise auf einen „Verlust der affektiven Steuerungsfähigkeit gegenüber der Umwelt“. Deshalb seien Zweifel an seiner Fahreignung erlaubt – auch ohne einen direkten Bezug zum Straßenverkehr.

Solche Gerichtsbeschlüsse sollten ein Warnsignal für alle sein, die an ihrem Führerschein hängen. Wie schnell wird man zum Beispiel auf einer Kneipentour in irgendeinen Polizeieinsatz verwickelt und zu einem Atemalkoholtest aufgefordert? Wenn so ein Ergebnis dann, kombiniert mit einigen fragwürdigen Anmerkungen, Eingang in den Polizeibericht findet, kann das also schon Ärger mit dem Straßenverkehrsamt nach sich ziehen. Und das, ich wiederhole es, obwohl der Tatvorwurf des Fahrens unter Alkoholeinfluss gar nicht zur Debatte steht.

Die Lehre aus einem so gestiegenen Risiko kann nur sein, grundsätzlich nicht zu pusten sowie Wisch- und Pinkeltests zu verweigern. Gleiches gilt für die berühmten Koordinationstests (z.B. auf der Linie gehen). Die Verweigerung eines Test ist nicht nur das gute Recht jedes Betroffenen, sondern auch sonst fast immer das richtige Mittel der Wahl. Fällt der Test positiv aus, muss man ohnehin zur Blutprobe. Nur im Fall der Weigerung besteht die Möglichkeit, dass der Polizist den Aufwand scheut und einen unbehelligt lässt (Aktenzeichen 1 L 1375/16 TR).

Dashcam-Videos können Verkehrssünder überführen

Ordnungsämter dürfen mit privaten Dashcam-Aufnahmen Verkehrssünder überführen – allerdings nur in Grenzen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hält Dashcam-Bilder in einer Entscheidung für taugliche Beweismittel im Bußgeldverfahren. Im konkreten Fall konnte ein Rotlichtsünder nur überführt werden, weil ein anderer Autofahrer die Bilder seiner Dashcam zur Verfügung gestellt hatte.

Nach Auffassung des Gerichts spricht im Ergebnis nichts dafür, solche Aufnahmen als Beweismittel im Bußgeldverfahren abzulehnen. Da Dashcam-Videos aber in die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten und aller Passanten eingriffen, müssten die Behörden stets abwägen. Bei relativ geringfügigen Verstößen hätten sie die Möglichkeit zur Einstellung des Verfahrens, vor allem wenn das Dashcam-Video der einzige Beweis sei. Das kam vorliegend allerdings nicht in Betracht, weil dem Betroffenen ein schwerer Verkehrsverstoß zur Last gelegt wurde. Er überfuhr die Ampel, als diese schon sechs Sekunden rot zeigte.

Auch für einen weiteren Fall mahnt das Gericht Zurückhaltung an. Nämlich insbesondere dann, wenn Bürger sich zu Hilfssheriffs aufschwingen und gezielt Jagd auf Verkehrssünder machen (Aktenzeichen 4 Ss 543/15).

WhatsApp muss Kunden in deutscher Sprache informieren

WhatsApp ist der beliebteste Messenger in Deutschland. Obwohl es also massenweise Kunden bei uns hat, stellt das Unternehmen seinen Nutzern bei Vertragsschluss keine Nutzungsbedingungen auf deutsch zur Verfügung. Vielmehr sollen die „Terms of Service“ und die Datenschutzerklärung in englischer Sprache akzeptiert werden. Gegen diese Praxis hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nun erfolgreich geklagt.

Das Berliner Kammergericht schreibt in seinem Urteil, Alltagsenglisch sei hierzulande zwar verbreitet, nicht aber juristisches, vertragssprachliches und kommerzielles Englisch. Kein Kunde müsse damit rechnen, „einem umfangreichen, komplexen Regelwerk mit sehr, sehr vielen Klauseln“ in einer Fremdsprache ausgesetzt zu sein.

So lange die Bedingungen nicht ins Deutsche übersetzt sind, seien sämtliche Klauseln intransparent und damit unwirksam. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 5 U 156/14).

Abmahnung für Unitymedia

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mahnt Unitymedia ab. Unitymedia möchte ein WLAN-Netz aufbauen, in dem jeder Kundenrouter gleichzeitig als Hotspot dient. Jeder Kunde, der mitmacht, soll dann unterwegs alle sogenannten „WiFiSpots“ mit seinen Geräten nutzen dürfen.

Ich habe in meiner Wohnung Unitymedia und kann bestätigen, was die Verbraucherschützer jetzt monieren. Zwar hat Unitymedia ein Informationsschreiben geschickt. Allerdings ist es meine Aufgabe als Kunde, der Öffnung meines Routers als WiFiSpot zu widersprechen.

Die Verbraucherzentrale sieht darin eine unzulässige, einseitige Vertragserweiterung durch Unitymedia. So sähen die Bedingungen für den WifiSpot vor, dass der Kunde nach Aktivierung seinen Router nur für Neustarts vom Strom trennen darf. Das ist natürlich ein Albtraum für alle, die alle elektronischen Geräte ausknipsen, wenn sie schlafen gehen oder in Urlaub fahren.

Auf mögliche andere Bedenken oder Risiken geht die Verbraucherzentrale in ihrer Pressemitteilung nicht ein. So viele dürfte es auch nicht geben, denn Unitymedia versichert, dass der WiFiSpot keine Überschneidungen mit dem WLAN des Verbrauchers aufweise. So werde die Bandbreite des Kunden nicht angetastet. Außerdem sichert Unitymedia zu, dass das Unternehmen allein die Störerhaftung übernimmt.

Dennoch ist der Standpunkt der Verbraucherschützer nachvollziehbar, denn eine Vertragsänderung liegt allemal vor. Da wäre es nur fair, vom Kunden eine aktive Zustimmung einzuholen (was dann allerdings die Beteiligungsquote drastisch senken dürfte).

Ich persönlich bleibe erst mal dabei. Denn schlecht ist die Idee mit dem großflächigen WLAN-Netz jedenfalls nicht.

„Steinzeiternährung, Low Carb, Low Fat, Rohkost, Trennkost, Fruitarismus, Veganismus“

Berliner Schüler haben keinen Anspruch auf ein veganes Mittagessen. Das Verwaltungsgericht Berlin lehnte jetzt den Prozesskostenhilfeantrag eines Vaters ab. Der wollte für seine neunjährige Tochter vegane Kost an der Schule einklagen.

Der Vater berief sich auf ethische Gründe. Er machte geltend, diese Gründe seien genau so gewichtig wie religiöse oder gesundheitliche, auf die an Berliner Schulen Rücksicht genommen werde. Die Behörde verlangte dagegen ein ärztliches Attest, wenn das Kind ein veganes Mittagessen erhalten solle.

Das Verwaltungsgericht Berlin weist in seinem Beschluss darauf hin, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehle gerade keine vegane Ernährung für Kinder. Es gebe auch keine rechtliche Verpflichtung der Schulen, auf alle Ernährungsüberzeugungen Rücksicht zu nehmen. So gebe es beispielsweise Steinzeiternährung, Low Carb, Low Fat, Rohkost, Trennkost, Fruitarismus, Veganismus und andere Strömungen. So eine Vielfalt könnten Großküchen nicht bewältigen.

Das Mädchen habe die Möglichkeit, eigenes Essen mitzubringen und aufzuwärmen. Sie dürfe sich auch veganes Essen liefern lassen. Da es ohnehin schon ein vielfältiges Angebot in den Schulküchen gebe, äßen die Kinder sowieso nicht das Gleiche. Deshalb bestehe auch keine Gefahr der Ausgrenzung (Aktenzeichen 3 K 503.15).