Vor Gericht sitzt man gerade und hat die Hände im Schoß

Die Verhandlung hatte gewisses Potenzial. Was einen der Zeugen anging. Aber auch ein bisschen, was meinen Mandanten angeht. Deshalb wollte ich es der Richterin nicht verdenken, dass sie für den Sitzungstag zwei Wachtmeister angefordert hatte.

Das mögliche Gefährdungspotenzial war aber weitgehend nicht existent. Das erwies sich zum Glück sehr schnell. Was allerdings nicht dazu führte, dass einer der beiden Wachtmeister einfach mal das Sonnenlicht genoss, welches so schön durch die großen Seitenscheiben des Gerichts auf alle fiel.

Mitten in der Verhandlung, ich glaube die Richterin sagte gerade was, stand der ältere Wachtmeister plötzlich neben meinen Mandanten und beugte sich etwas zu ihm runter. Dann forderte er meinen Mandanten auf, sich gerade hinzusetzen und den Arm vom freien Stuhl neben sich zu nehmen, dessen Lehne der Mandant als Stütze nutzte.

Sicherlich saß mein Mandant jetzt nicht so da wie ein echter Wachtmeister-Kadett. Aber es konnte nun auch keine Rede davon sein, dass er durch seine etwas lockere Haltung besonders auffiel. Oder gar jemand störte. Ich erlaubte mir deshalb den höflichen Hinweis, dass es keine Pflicht gibt, im Gerichtssaal kerzengerade zu sitzen. Und schon gar nicht sei es verboten, den Arm auf die Lehne des nächsten Stuhls zu legen.

Die Vorsitzende reagierte so, wie ich es erwartet hatte. Sie sagte einfach nichts, was ja auch eine souveräne Geste sein kann. Der Wachtmeister erkannte jedenfalls sehr schnell, dass nicht er, sondern die Richterin hier das Sagen hat. Und indem sie nichts sagte, sagte sie recht viel.

Der Wachtmeister nahm wieder Platz. Die Sitzhaltung meines Mandanten hatte auch im Weiteren keinen erkennbaren Einfluss auf die Wahrheitsfindung.