Wie wird es wirklich gewesen sein?

Manchmal lese ich Ermittlungsakten der Polizei und frage mich, wie es wohl wirklich gewesen ist. Beziehungsweise wer wen komplett falsch verstanden hat. Oder verstehen wollte.

Dabei denke ich etwa an den Fall einer Verkehrskontrolle. Mein Mandant wurde mit seinem Auto angehalten. Den Beamten war wohl schnell klar, dass mein Mandant Betäubungsmittel konsumiert hat. Tatsächlich wurde bei ihm auch etwas Amphetamin gefunden. Aber nur eine klitzekleine Menge, offensichtlich für den Eigengebrauch.

Etwas anderes versetzte die Polizisten allerdings in höchste Aufregung. Mein Mandant hatte die unerhörte Summe von 1.100 Euro bei sich. In bar! Bei dieser Beweislage finden sich leider ab und an willige Staatsanwälte, die ebenso wie die Polizeibeamten gleich Betäubungsmittelhandel rufen. So kam es, dass gegen meinen Mandanten zu nachtschlafener Zeit eine Hausdurchsuchung für unvermeidlich gehalten wurde.

In der Strafanzeige klingt es so, als habe mein Mandant von sich aus die Polizei quasi noch angestachelt. Indem er angeblich was von größeren Drogenmengen in seiner Wohnung erzählte und dass er die Verstecke gerne zeigt, wenn er Strafrabatt kriegt. Dumm nur, dass bei der Wohnungsdurchsuchung nichts gefunden wurde. Außer ein paar Krümel Marihuana. Die dürften nicht mal für einen Joint reichen, also vernachlässigenswert.

Immerhin ergibt sich aus der Akte auch, dass mein Mandant ab dem Zeitpunkt der Kontrolle nicht die Möglichkeit hatte, mit Dritten Kontakt aufzunehmen. Er stand nämlich unter ständiger Beobachtung, sein Handy war einkassiert. Von daher mutet die Theorie der Polizeibeamten, ein großer Unbekannter habe was mitgekriegt und die angeblichen Drogen aus der Wohnung geräumt, doch reichlich gewagt. Aber so ließ sich die „Story“ halt vielleicht doch noch retten, deshalb wurde es dann auch so aufgeschrieben.

Ich habe ja meine eigene Theorie. Der Mandant war dank eines Alkohol-Marihuana-Amphetamin-Mix exakt in dem Zustand, den er sich gewünscht hatte. Vernünftige Aussagen macht man dann allerdings nicht mehr. Er wird also unter dem Druck der Ermittler jede Menge Quatsch erzählt haben, aber nur der interessante Quatsch wurde niedergeschrieben.

War wahrscheinlich einfach sonst nichts los in der Nacht.