Viruslast unter der Nachweisgrenze

Einer meiner Mandanten ist in einer forensischen Klinik untergebracht. Ein Hauptargument gegen seine Entlassung ist seit Jahren, er sei wegen einer HIV-Infektion für andere gefährlich. Denn auch bei einvernehmlichen Sexualkontakten neige er im Zweifel dazu, auch ungeschützten Sex zu haben. Verminderte Triebkontrolle, so nennt man das wohl.

Auf mein Drängen hin hat das Gericht nun endlich mal den Fokus nicht mehr auf die HIV-Infektion gelegt. An der gibt es nichts zu diskutieren. Vielmehr wurde einem Gutachter die Frage gestellt, wie groß das Ansteckungsrisiko trotz der HIV-Infektion tatsächlich ist. Mein Mandant nimmt nämlich brav Aids-Medikamente, die auch gut wirken. So gut, dass HI-Viren in seinem Blut nicht mehr nachweisbar sind.

Aus dem Gutachten:

Im Hinblick darauf, dass Herr J. stabil eine Viruslast unter der Nachweisgrenze aufweist, verbleibt nur ein theoretisches Restrisiko, dass er andere Menschen bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr infiziert.

Dies wird laut dem Gutachter auch so bleiben, so lange mein Mandant regelmäßig seine Medikamente einnimmt. Das aber muss nicht unbedingt in einer Klinik kontrolliert werden. Vielmehr könne das sogar ein Pflegedienst erledigen, der täglich kommt und die Tabletteneinnahme beaufsichtigt. Oder der Mandant könnte täglich in eine Arztpraxis gehen.

Bald werden wir wieder eine Anhörung haben, in der es darum geht, ob der Mandant endlich mal wieder in Freiheit kommt, wobei das aufgrund anderer Umstände auch ein offenes Heim oder eine betreute Wohngemeinschaft sein könnte. Es wird aber jetzt wirklich Zeit, denn in der Klinik geht der Mandant auf Dauer kaputt.