Bloß keine Gegenbeweise, bitte

Heute konnte ich mich vor Gericht mal richtig staunen. Über die Prozesstaktik einer Nebenklage. Oder das, was jene dafür hält.

Die Nebenklägerin beschuldigt meinen Mandanten, ihren früheren Ehemann, einer Sexualstraftat. Die Wahrheitsfindung ist in solchen Fällen fast immer mühsam. Vor allem, wenn wie hier, die angebliche Tat schon etliche Jahre zurück liegt und dann auch noch erst Jahre später angezeigt wurde. Da gibt es fast nie objektive Beweismittel. Sondern nur die Aussage der mutmaßlichen Geschädigten. Letztlich stellt sich dem Gericht die schwierige Frage: Sind die Angaben glaubhaft? Oder sind sie es nicht?

Das Gericht und natürlich auch die die Verteidigung müssen in solchen Fällen regelmäßig alles hinterfragen, was sich hinterfragen lässt. Nur so lässt sich feststellen, wie es die mutmaßlich Geschädigte mit der Wahrheit hält. Hier kommen wir dann zum konkreten Fall. Da behauptete die Betroffene doch sehr nachhaltig, sie habe ihrem damaligen Ehemann keinen Grund zur Eifersucht gegeben. Insbesondere habe sie mit einem ehemaligen Jugendfreund Jahre später die alte Affäre nicht wieder belebt.

Der Jugendfreund bestätigte das ebenfalls vor Gericht. Es sei nichts gelaufen. Als Verteidiger ist man dann natürlich froh, wenn man bei der Überprüfung dieser Aussage nicht allzu sehr im Nebel stochern muss. In diesem Fall gibt es einen seeeeeeehr langen Verlauf mit allen SMS, welche die Nebenklägerin und der Jugendfreund austauschten. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen kamen da ein paar tausend Nachrichten zusammen.

Die Nebenklage wusste allerdings nicht, dass wir diese SMS haben. Vor Gericht wollte ich die SMS dann mit der Nebenklägerin besprechen und abklopfen, wie deren Inhalt mit ihrer bisherigen Aussage zusammenpasst. Das gab dann ein – wie ich finde – sehr überraschendes Zeter und Mordio durch die Nebenklägervertreterin. Diese rief gleich Verwertungsverbot (juristisch sehr gewagt, aber was soll’s) und irgendwas mit Persönlichkeitsrechten. Es ging ihr ersichtlich darum, sich mit Händen und Füßen dagegen zu wehren, dass die SMS zum Gegenstand des Verfahrens werden.

Interessant fand ich das deswegen, weil die Nebenklägervertreterin noch nicht mal eine Minute darauf verwendete, sich die SMS überhaupt anzuschauen. An sich sollte man doch erwarten, dass sich auch die Seite einer Hauptbelastungszeugin darüber freut, wenn mal handfeste Belege dafür auftauchen, was da seinerzeit so gesimst worden ist. Wenn’s keinen Sex gab, sind ja auch sicher keine entsprechenden Treffen verabredet worden, und eindeutige Turteleien über viele hundert SMS sollte es auch nicht geben.

Insoweit hatte die Nebenklägerin also gar nichts zu befürchten, wenn wir die SMS auf den Tisch legen. Aber selbst wenn es so wäre – und, unter uns gesagt, natürlich ist es so – bringt Abwiegelei in dieser Situation doch auch nichts mehr. Da hätte es nach meiner Meinung näher gelegen, die Sache ruhig anzugehen, das Material erst mal zur Kenntnis zu nehmen – und dann von Seiten der Nebenklage noch das Beste draus zu machen.

So, finde ich, hat sich durch die halbhysterische Reaktion der Nebenklage nur noch der Eindruck vertieft, dass es mit der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin nicht zum Besten steht. Aber ich bin der Verteidiger, ich will mich darüber nicht beschweren.