BtM-Handel gefährdet das Dach über dem Kopf

Eher wenig überraschend hat das Amtsgericht Frankfurt festgestellt, dass ein konkreter Verdacht auf Drogenhandel aus der eigenen Wohnung heraus den Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigen kann. Es ging um mehrere Verfahren, mit denen die Vermietfirma der Frankfurter „Platanensiedlung“ gegen Mieter der bekannten Wohnanlage in Frankfurt-Ginnheim vorgeht.

Insgesamt hatte die Vermieterin sechs Mietern gekündigt, gegen die Ermittlungsverfahren wegen Drogenhandels liefen. Schon seit langer Zeit gibt es Klagen über zunehmende Kriminalität in der Siedlung (Bericht der Frankfurter Rundschau). Die Polizei hatte angekündigt, mehr Präsenz zu zeigen.

Das Amtsgericht sagt in seiner Entscheidung über zwei Räumungsklagen, dass „strafrechtlich relevante Verhaltensweisen“ des Mieters nur dann eine Rolle spielen, wenn entweder das Gebäude selbst gefährdet wird oder eine „Außenwirkung“ eintritt.
Diese Außenwirkung liege aber vor, wenn aus der Wohnung heraus gedealt werde oder die Wohnung als Drogenlager diene. Der Fund einer Rauschgiftmenge, die über den Eigenbedarf hinausgeht, ist nach Meinung des Gerichts ein wichtiges Indiz. Der Mieter hafte insoweit auch für das Verhalten von Mitbewohnern (Aktenzeichen 33 C 2815/18 (51) und 33 C 2802/18 (50).

Ein anderer Grund

Eine Aufhebung des Urteils durch das Revisionsgericht ist erst mal erfreulich.

Etwas zwiespältig ist es für mich als Anwalt, wenn das Gericht auf kein einziges meiner Argumente (21 Seiten!) eingeht, sondern einen anderen Grund „findet“, warum die Entscheidung keinen Bestand haben kann.

Immerhin nimmt es der Mandant mit Humor. Er meint außerdem, am Ende zählt nur, was hinten rauskommt. Nun ja.

Die Personalien, bitte!

Zeuge/Zeugin in einem Strafverfahren wird man oft schneller, als es einem lieb ist. Was die PolizeibeamtInnen dann mit als Erstes interessiert, sind Name und Adresse des Zeugen. Gern auch Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Jetzt gibt es aber auch sehr gute Gründe, als Zeug/in oder Geschädigte/r in einem Strafverfahren die eigene Adresse und andere persönliche Daten nicht durch irgendwelche Akten schwirren zu lassen. Gerade dann, wenn man selbst Opfer einer Straftat geworden ist.

Im Rahmen der Akteneinsicht, die jedem Beschuldigten (über seinen Anwalt) zusteht, ist es nämlich durchaus möglich, dass der/die Beschuldigte Kenntnis von der Anschrift und anderen persönlichen Daten erlangt und einem dann eventuell einen ungebetenen Besuch abstattet, telefonisch oder online nervt oder gar Schlimmeres.

Aber ganz so einfach muss ein Opfer bzw. Zeuge nicht die Hoheit über seine persönlichen Daten aufgeben. Es hilft eine Vorschrift in der Strafprozessordnung. Es handelt sich um § 68 StPO, der leider eher ein Schattendasein fristet. Das Wichtige steht in diesem Absatz des Paragrafen:

Einem Zeugen soll zudem gestattet werden, statt des Wohnortes seinen Geschäfts- oder Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben, wenn ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Angabe des Wohnortes Rechtsgüter des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt werden wird.

Eine ladungsfähige Adresse kann zum Beispiel auch die des/der Anwalts/Anwältin des Vertrauens sein. Die Unterlagen mit der Adresse des/der Zeugen/Zeugin werden dann bei der Staatsanwaltschaft verwahrt und erst zu den Akten genommen, wenn die Besorgnis einer Gefährdung entfällt.

Ist die Adresse aber durch die Polizei erst einmal in der Zeugenvernehmung protokolliert, wird es schwierig, sie wieder aus der Akte zu entfernen. Daher sollte man die BeamtInnnen direkt zu Beginn der Zeugenvernehmung auf die Vorschrift hinweisen (glücklicherweise ist der Inhalt meist auf den Vorblättern zur Zeugenvernehmung abgedruckt). Wenn einem da – wie leider zu erwarten – Skepsis entgegenschlägt, sollte man so ausführlich wie möglich schildern, warum man nicht möchte, dass die eigene Adresse in die Ermittlungsakte gelangt. Dabei immer freundlich bleiben, denn die Entscheidung, ob ein Fall des § 68 Abs. 2 StPO vorliegt, obliegt in einer polizeilichen Vernehmung zunächst einmal den BeamtInnen.

Jennifer Leopold, Assessorin

Was Handelsübliches

Zur Frage, was ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 StGB sein kann, gibt es unzählige Entscheidungen. Heute habe ich am Amtsgericht zu einem ganz alltäglichen Gegenstand verhandelt, den die Staatsanwaltschaft juristisch adeln wollte, in dem sie ihn als als gefährliches Werkzeug einstuft. Sie klagte meinen Mandanten nämlich an, während eines Streits seine damalige Ehefrau mit dem Handstück eines schnurlosen Festnetztelefons geschlagen und damit eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben.

Für die Straferwartung machte es einen fetten Unterschied, ob man das Handstück als gefährliches Werkzeug einstuft. Dann beträgt die Mindeststrafe für die Körperverletzung sechs Monate Gefängnis. Bei einfacher Körperverletzung kommt auch eine Geldstrafe in Betracht. Und auch eine Einstellung des Verfahrens liegt viel näher, zum Beispiel gegen ein Bußgeld.

Der Zeugin konnte ich entlocken, es habe sich um ein ganz normales Mobilteil gehandelt. Entweder ein Siemens Gigaset oder ein Teil von HTC. Auf jeden Fall was Handelsübliches, untere Preiskategorie. Ob man mit so einem Plastikteil tatsächlich erhebliche Verletzungen hervorrufen kann? Oder fliegt einem das Gerät beim Einsatz als Schlagwerkzeug nicht eher sofort um die Ohren?

Der Richter musste sich nicht zu der Frage positionieren. Er glaubte der angeblichen Geschädigten, die meinen meinen Mandanten schon einmal nachweislich falsch verdächtigt hatte, schon gar nicht, dass mein Mandant das Festnetztelefon überhaupt in die Hand genommen hatte.

Definitiv ein Prozessverlauf, den ich als Verteidiger natürlich sehr begrüßte. Aber leider kriegten wir keine Antwort auf die aufgeworfene juristische Frage. Doch womöglich geht die Staatsanwaltschaft ja in Berufung…

Nicht ohne Beleg

Ich habe es geahnt. Die 12-Euro-Posse war spätestens nach zwei Minuten Beschäftigung mit der Sache ein betriebswirtschaftliches Fiasko. Aber jetzt wird’s gerade lustig.

Es geht darum, dass andere Anwälte versehentlich 12 Euro Aktenversendungskosten an die Justiz gezahlt haben, die eigentlich wir zu zahlen hatten. Diese 12 Euro haben wir auch gezahlt, aber wohl wieder erstattet erhalten, weil ja die anderen Anwälte schon vor uns (versehentlich) den Betrag überwiesen hatten. Die Justiz hatte also 12 Euro zu viel, was die öffentliche Hand natürlich nicht dulden kann. Jetzt wollen die anderen Anwälte die 12 Euro von uns.

Grundsätzlich würde ich die Summe ja sogar zahlen. Allerdings ist mir klar, dass unsere ebenso liebe wie pingelige Steuerberaterin nachfragt, wenn wir 12 Euro ausgeben – ohne einen vernünftigen Beleg. Ich habe deshalb proaktiv bei ihr nachgefragt, durchaus in Kenntnis ihres Stundensatzes. Die Frage war, ob wir von den Anwälten nicht eine Rechnung brauchen. Denn nach meiner Meinung können wir die Zahlungsaufforderung der Justizkasse ja nicht guten Gewissens buchen, weil wir im Ergebnis nix an die Justiz gezahlt haben.

Die Steuerberaterin meinte wenig überraschend, dass wir irgendeinen Beleg brauchen, am besten eine Rechnung von den Anwälten. Oder zumindest eine Art Bestätigung. Also schrieb ich den Anwälten eine Mail, die in Kenntnis meines eigenen Stundensatzes relativ kurz, aber dennoch höflich ausfiel. Ich bat um Übersendung einer Rechnung.

Die Antwort:

… teilen wir Ihnen mit, dass wir über die 12 Euro Akteneinsichtsgebühr keine Rechnung erstellen können. Es handelt sich um ungerechtfertigte Bereicherung gemäß § 812 BGB. Wir bitten daher um kurzfristige Anweisung.

Ich bin mir nicht ganz sicher, vor was ich jetzt mehr Angst habe. Vor den Anwälten, die mich auf 12 Euro verklagen. Oder meiner Steuerberaterin, die vielleicht am Ende unsere Bilanz nicht testiert, wenn ein Beleg fehlt. Ich habe mich jetzt gegen die Anwälte entschieden. Ausschlaggebend war natürlich auch die Aussicht auf eine Fortsetzungsgeschichte hier im Blog.

Auch wenn’s schon jetzt nicht ganz billig ist, haben wir am Ende wenigstens was zum lachen.

Kein open end

In einer Strafsache war heute eigentlich der Showdown geplant. Dritter Prozesstag, es stand noch die Vernehmung eines Zeugen aus. Dann die Plädoyers und das Urteil. Da die Sitzung erst um 13 Uhr begann, hatte ich mich auf einen durchaus langen Prozesstag eingestellt, aber eben auch auf ein Ende des Verfahrens. Die anderen Beteiligten ebenso, den Richter eingeschlossen.

Eine Ausnahme gab es allerdings im Raum. Um 15.45 Uhr war nach der Rückkehr von einer Pinkelpause die zeitliche Planung völlig über den Haufen geworfen – der Protokollführerin sei Dank. Diese hatte den Richter gerade informiert, dass sie spätestens um 16.30 Uhr Feierabend machen wird. Das ist tarifvertraglich wahrscheinlich ihr gutes Recht, aber in die verbleibenden 45 Minuten waren die Plädoyers einer Staatsanwältin, von vier Anwälten, die Urteilsberatung des Gerichts und die Verkündung der Entscheidung offenkundig nicht zu pressen.

Leider, so erfuhr der Richter auf Nachfrage in der Gerichtsverwaltung, gab es am ganzen Amtsgericht, einem der größten in NRW, angeblich auch keinen einzigen Bediensteten, der in der Lage und / oder willens war, ab 16.30 noch etwas Dienst zu machen. Dem Richter blieb deshalb nichts anderes übrig, als die Sache zu vertagen. Wir kommen also alle in zwei Wochen noch mal zusammen. Dann zwar sogar erst um 15 Uhr. Aber der Richter hat uns versprochen, er werde für ein „open end“ sorgen.

Ich bin gespannt.

Feinwaagen etc.

Aus einem Durchsuchungsbeschluss:

… wird die Beschlagnahme von Betäubungsmitteln, Verpackungsmaterialien, Feinwaagen etc. angeordnet.

Im Gerichtstermin ging es um die Frage, ob mein Mandant Betäubungsmittel im Internet bestellt hat. Die Lieferung kam von einem unbekannten Absender. Sie wurde schon auf dem Postweg vom Zoll abgefangen. So wäre es schon interessant gewesen zu erfahren, ob mein Mandant in seiner Wohnung vielleicht irgendwelche Bestell- oder Zahlungsbelege aufbewahrt. Oder ob so was auf seinen Rechnern gespeichert ist.

Auf die Frage des Strafrichters, ob er denn nicht daran gedacht und entsprechend ermittelt habe, reagierte der Polizeibeamte recht schlagfertig:

Ich habe nach den Dingen gesucht, die im Durchsuchungsbeschluss stehen. Wenn Sie wollen, dass ich Computer und Handys beschlagnahme, schreiben Sie das doch bitte rein.

Damit war die Sache weitgehend erledigt. Wir konnten ohne Verurteilung nach Hause gehen.

Privilegiert

Aus der Homepage eines Anwaltskollegen:

Beachten Sie, dass wir in unserer Kanzlei ausnahmslos keine Beratung per Mail oder Telefon anbieten.

Tatsächlich scheint es nur Besprechungstermine vor Ort zu geben. Das ist sicherlich eine sehr privilegierte Situation. Ich persönlich wäre wahrscheinlich schon pleite, wenn ich es so handhaben würde.

Dem folgenden Satz kann ich mich allerdings anschließen:

… es gibt in unserer Kanzlei auch keinerlei kostenlose Tätgkeit!

Wobei ich die Einschränkung machen möchte, dass ich durchaus auch mal pro bono tätig bin. Aber nur dann, wenn ich es möchte und es aufgrund besonderer Umstände für richtig halte.

Ein Laufzettel für den Tag

Bei meinem Mandanten gab es eine Hausdurchsuchung. Als die Polizei weg war, fand mein Mandant auf einem Tisch diverse handschriftliche Notizen der Polizei. Darunter eine Art Laufzettel für den Einsatz, worauf der verantwortliche Beamte alles achten wollte. Dann natürlich die Dinge, die er sich während des Einsatzes notiert hat. Und überdies eine schöne Wohnungsskizze.

Bislang hat sich niemand wegen der Unterlagen gemeldet. Nicht, dass es deswegen noch eine Durchsuchung gibt…

Anwälte dürfen Geld fordern, Mandanten müssen aber nicht zahlen

Darf ein Pflichtverteidiger von seinem Mandanten ein zusätzliches Honorar verlangen? Ja, darf er. Dies hat der Bundesgerichtshof aktuell entschieden. Allerdings muss der Mandant der Honorarforderung nicht zustimmen, wenn er nicht will, denn verteidigen muss der Anwalt ihn auch ohne zusätzliches Honorar. Überdies trifft den Anwalt die Pflicht, den Mandanten genau darüber aufzuklären, dass dieser zwar zahlen darf, aber nicht muss.

In dem Fall ging es um 12.500,00 €, die ein Anwalt für eine Strafsache wollte. Der Jurist war als Pflichtverteidiger beigeordnet, hatte es aber trotzdem geschafft, mit dem Mandanten eine Honorarvereinbarung über 12.500,00 € zu schließen (Hochachtung, Herr Kollege). Der Mandant verweigerte allerdings die Zahlung mit der Begründung, er habe nicht gewusst, dass der Anwalt aufgrund der Beiordnung sowieso verpflichtet ist, ihn sachgerecht zu verteidigen.

Gegen die Gebührenvereinbarung als solche hat der Bundesgerichtshof nicht einzuwenden. Anders als in Zivilverfahren (Prozesskostenhilfe) dürfen Pflichtverteidiger Extrahonorar von ihren Mandanten nehmen. Allerdings, so das Gericht, ist vielen Beschuldigten womöglich nicht klar, dass der Pflichtverteidiger auch ohne zusätzliches Honorar die gleiche Arbeit erbringen muss. Deshalb, so das Gericht, gilt eine vorvertragliche Aufklärungspflicht.

An dieser Stelle vielleicht auch noch der Hinweis, dass Pflichtverteidiger zwar zunächst von der Staatskasse bezahlt werden. Sollte es aber zu einer Verurteilung kommen, holt sich die Justiz die Anwaltskosten vom Betroffenen wieder. Aber auch der Pflichtverteidiger muss sich nicht unbedingt mit den (eher niedrigen) Gebührensätzen zufrieden geben. Hat der Mandant nämlich ein ausreichendes Einkommen, kann der Pflichtverteidiger nachträglich die sogenannten Wahlverteidigergebühren verlangen, also die normalen Anwaltshonorare nach dem Vergütungsgesetz. Ob der Mandant ausreichende Mittel hat, prüft im Streitfall das Gericht.

Bericht in der Legal Tribune Online