Der gute Mensch aus der Zelle nebenan

Es sitzen ja nicht nur arme Leute im Knast. Einer davon ist mein Mandant. Auch wenn er selbst noch einige Jahre vor sich hat, hat er eine interessante Möglichkeit gefunden, mit seinem (absolut legalen) Vermögen Gutes zu tun. Er „kauft“ Mitgefangene frei …

… nämlich jene von denen er meint, dass sie eigentlich nicht in den Knast gehören. Schwarzfahrer oder kleine Ladendiebe zum Beispiel, die eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, weil sie ihre Geldstrafen nicht bezahlen konnten.

Wenn den Mandanten das Schicksal eines Mitgefangenen erweicht, ist die Abwicklung keine besonders komplizierte Angelegenheit. Jeder Gefangene kann bei der Anstalt ja den Saldo erfragen, der ihn von der Freiheit trennt. Und natürlich die Bankverbindung der Justiz, auf der das Geld eingehen sollte. Abgesehen davon kann man das Geld meist sogar an der Gefängnispforte bar einzahlen.

Mal sind es ein paar hundert Euro. Ab und zu aber auch viel höhere Beträge, neulich zum Beispiel fast 3.000 Euro. Woher die Zahlung kommt, spielt für die Anstaltskasse keine Rolle. Der Mandant freut sich jedes Mal, wenn aus „seiner“ Anstalt völlig unverhofft Leute rausmarschieren, die das Personal dort noch wesentlich länger verortet hätte.

Illegal handelt der Mandant übrigens nicht. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 1990 entschieden, dass gegen die Zahlung von Geldstrafen oder die Ablösung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Dritte nichts einzuwenden ist.

Keine Haft wegen nicht verhängter Fahrverbote

Das Land Bayern hat sich auf sehr merkwürdige Art und Weise gegen die eigenen Verwaltungsgerichte positioniert. Seit Jahren ignoriert der Freistaat Urteile, wonach in München Diesel-Fahrverbote zur Luftreinhaltung zu verhängen sind. Zwangsgelder haben auch nichts geholfen. Aber das ist ja kein Wunder, denn Zwangsgelder fließen ohnehin wieder in den Landeshaushalt.

Die bayerischen Richter wollten sich wohl auch nicht länger auf der Nase rumtanzen lassen. Deshalb fragten sie beim Europäischen Gerichtshof an, ob sie gegen verantwortliche Politiker und Beamte auch Zwangshaft verhängen können, um die streitige Luftreinhaltungs-Richtlinie durchzusetzen. So hatte es die Deutsche Umwelthilfe verlangt, die Klägerin in den Verfahren.

Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat heute erklärt, er halte eine Zwangshaft gegen Beamte und Amtsträger, allen voran den bayerischen Ministerpräsidenten, für unzulässig. Aber nicht weil er meint, dass Markus Söder und seine Untergebenen Recht haben. Sondern weil es im deutschen Recht keine Regelung gebe, welche die Verhaftung eines Staatsdieners zur Durchsetzung eines Gerichtsurteils gegen die öffentliche Hand für zulässig erklärt.

Eine Freiheitsentziehung bedürfe aber stets einer ausreichenden rechtlichen Grundlage, so der Generalanwalt. Ansonsten würde das Grundrecht auf Freiheit verletzt. Das ist eine sehr rechtsstaatliche Position, wie ich finde. Das gilt auch, wenn nun ausgerechnet Leute davon profitieren, die Gerichtsurteile offen missachten. Was übrigens auch Politiker in Baden-Württemberg machen, dort werden zu Gunsten der Deutschen Umwelthilfe ergangene Urteile auch nicht umgesetzt.

Ganz ausgestanden ist die Sache aber noch nicht. Der Europäische Gerichtshof ist an das Votum des Generalanwalts nicht gebunden. Ob und wann mit Aufrufen zu rechnen ist, die nun „entdeckte“ Gesetzeslücke zu schließen, dürfen wir gespannt abwarten (Aktenzeichen C-752/18)

„Section Control“ geht heute in Betrieb

In Niedersachsen wird ab sofort eine neue Form der Geschwindigkeitskontrolle scharf geschaltet. „Section Control“ ermittelt auf einer festgelegten Strecke die Durchschnittsgeschwindigkeit. Liegt das Tempo über dem zulässigen Wert, gibt es ein Bußgeld.

Das „Streckenradar“ ist auf der B 6 installiert, und zwar zwischen Gleidingen und Laatzen. Fertig ist die Anlage schon länger, jedoch konnte sie nach Klagen von Verkehrsteilnehmern nicht in Betrieb gehen. Es fehlte nämlich die Rechtsgrundlage für die (zumindest vorübergehende) Speicherung der Kennzeichendaten gemessener Autofahrer, wie Gerichte feststellten.

Diesen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat der niedersächsische Landtag repariert, indem er Section Control ausdrücklich für zulässig erklärt. Die neue Ermächtigungsgrundlage reicht für den Betrieb der Anlage aus, befand nun das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (Aktenzeichen 12 LC 79/19).

Die Polizei erklärte, die Anlage gehe heute in Betrieb. Eine Schonfrist sei nicht vorgesehen, vielmehr würden Tempoverstöße ab sofort geahndet. Nach einer einjährigen Testphase will das Land entscheiden, ob die „Section Control“ auch an anderen Ort eingeführt wird.

Gerne

Brief von der Sozialarbeiterin, die einen meiner Mandanten betreut:

Aufgrund seiner justiziellen Situation bitte ich Sie Unterstützungshilfen in seinem Problemkontext zu geben.

Mache ich gerne.

Kaufmannsrecht

Wenn ich die Mail des Interessenten richtig verstanden habe, kämpft er momentan gegen eine Anklage wegen Steuerdelikten, Insolvenzverschleppung und Betrug. Mit seinem Pflichtverteidiger ist er nicht zufrieden.

In meiner Antwort habe ich ihm geschrieben, wie hoch mein Honorar ist und auch, dass ein angemessener Kostenvorschuss fällig würde. Ich zitiere die Antwort:

Ich bin über 40 Jahre im selbständigen Bereich beruflich tätig und ich habe immer nach dem alten deutschen Kaufmannsrecht gelebt und bin gut damit gefahren, auch meine Geschäftspartner, zuerst die Leistung, dann das Honorar. Ich akzeptiere weder ihren Stundenlohn, noch ihre Vorauszahlung an wildfremde Menschen.

Ich könnte ja noch zurückschreiben, dass Anwälte keine Kaufleute sind. Aber ist auch so ok, man kann nicht immer zueinander finden.

„Schaffung von Bewusstsein“

Wozu ist das Strafrecht da? Vor gar nicht allzu langer Zeit hätte die Antwort vermutlich gelautet, das Strafrecht sei die „ultima ratio“, also das letzte Mittel, zur Beherrschung gesellschaftlicher Konflikte.

Eine offenkundig stark abweichende Sicht hat Justizministerin Christine Lambrecht. Lambrecht hat bekanntgegeben, dass Gaffer-Fotos künftig unter Strafe stehen sollen, ebenso das Fotografieren unter Röcke (Upskirting).

Interessant ist ihre primäre Legitimation für die neuen Straftatbestände, die man zum Beispiel auf Spiegel Online nachlesen kann:

Lambrecht sagte, ihr Ziel seien weniger die Verurteilungen als eine gesellschaftliche Debatte und die Schaffung von Bewusstsein bei den Menschen, mehr Respekt zu zeigen.

Das Strafrecht degeneriert auf diese Art und Weise zum Instrument einfacher politischer Steuerung. Der Straftatbestand dient sozusagen als – preiswertere – Alternative zu einer Social-Media-Kampagne. Kann man machen. Man sollte sich aber nicht wundern, wenn der Respekt vor dem Strafrecht selbst weiter den Bach runtergeht. Ernst genommen wird nämlich nur etwas, das auch ernst gemeint ist.

Verhaftung nach dem Urteil

Verhaftung im Gerichtssaal, das ist kein schönes Erlebnis. Natürlich nicht für den Angeklagten. Aber auch nicht für seinen Verteidiger. Genau das passierte heute einer Mutter in Lübeck. Diese soll vier ihrer fünf Kinder jahrelang in den Rollstuhl gezwungen haben (z.B. Bericht in der Welt) und erhielt nun eine Haftstrafe von acht Jahren. Direkt nach der Urteilsverkündung wurde sie in Haft genommen.

Für so einen Haftbefehl gelten die gleichen Kriterien wie auch sonst. Eine hohe Straferwartung alleine ist an sich kein ausreichender Anlass. Allerdings bewirkt die Aussicht auf eine hohe Strafe aber in den allermeisten Fällen einen Fluchtanreiz. Von da an ist es dann nicht weit, den meist herangezogenen Haftgrund der Fluchtgefahr zu bejahen.

Jetzt könnte man natürlich fragen, wieso das Gericht diese Fluchtgefahr nicht früher angenommen? Immerhin dürfte das hohe Strafmaß nicht vom Himmel gefallen sein – auch nicht für die Angeklagte. Allerdings hindert früheres Zögern ein Gericht nicht daran, dann doch noch einen Haftbefehl zu erlassen. Behördliches Trödeln hat in dieser Konstellation keine Sperrwirkung.

Etwas komplizierter ist es, wenn ein bereits bestehender Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden ist. Dieser Hafbefehl darf nur wieder aktiviert werden, wenn sich neue, überprüfbare Umstände ergeben haben, welche zum Beispiel die Fluchtgefahr verstärken. Ob dazu ein (für den Angeklagten absehbares hartes) Urteil gehört, darüber könnte man streiten.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Angeklagte in Lübeck von ihrer Verteidigung auf die Möglichkeit vorbereitet wurde, dass sie möglicherweise sofort in Haft geht. Hierfür muss man bei schweigsamen Gerichten dann durchaus die Zeichen zu deuten wissen. Fehlbewertungen sind keinesfalls ausgeschlossen.

Israel muss Siedlerwaren kennzeichnen

Obst und Gemüse aus Israel findet sich ja in vielen Supermärkten. Die Produkte stammen auch aus Gebieten, die an sich gar nicht zu Israel gehören, sondern von dem Land besetzt wurden. Das Westjordanland und Ost-Jerusalem zum Beispiel. Künftig muss auf diesen Umstand besonders hingewiesen werden, hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Verbraucher würden in die Irre geführt, wenn auf Lebensmitteln aus Siedlungen in besetzten Gebieten nur „Israel“ als Ursprungsland angegeben sei. Der Begriff „Land“ sei wie „Staat“ zu verstehen. Die besetzten Gebiete hätten aber völkerrechtlich einen anderen Status, weil Israel dort als Besatzungsmacht präsent sei. Die Besetzung stufen die Vereinten Nationen als völkerrechtswidrig ein; der Europäische Gerichtshof teilt diese Auffassung.

Die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel solle Verbrauchern eine „fundierte Wahl“ ermöglichen. Dazu gehörten auch ethische Erwägungen. Deshalb sei zur Vermeidung von Irreführung geboten, die Käufer über den Umstand zu informieren, dass Waren aus einer „israelischen Siedlung“ stammen. Dieser Hinweis muss nach dem Urteil künftig zusätzlich zu finden sein (Aktenzeichen C-363/18).

Private Firmen dürfen keine Autofahrer blitzen

Private Dienstleister dürfen keine Geschwindigkeitskontrollen durchführen, auch wenn sie im Auftrag einer Kommune handeln. Die Verkehrsüberwachung ist eine hoheitliche Tätigkeit, die von städtischen Mitarbeitern ausgeübt werden muss, betont das Oberlandesgericht Frankfurt in einem heute bekanntgewordenen Beschluss.

Die Richter kassieren damit die Praxis der Gemeinde Freigericht im Main-Kinzig-Kreis. Die Stadt hatte die Tempomessung im Rahmen eines „Arbeitnehmerüberlassungsvertrags“ mit einer privaten GmbH ausgelagert. Dadurch werde aber nicht das nötige Dienstverhältnis begründet, so das Gericht. Grundsätzlich müssten eigene Bedienstete den Verkehr überwachen, die Mitarbeiter müssten außerdem entsprechend qualifiziert sein.

Betroffen sind Bußgeldbescheide seit dem 23. März 2017. Da der Mitarbeiter auch in anderen Gemeinden des Main-Kinzig-Kreises eingesetzt war, etwa in Brachttal und Nidderau, können Autofahrer auch dort auf Rehabilitierung hoffen. So wie die Pressemitteilung der Justiz Hessen klingt, geht das OLG Frankfurt wohl nicht von einer formellen Bestandskraft der Bescheide aus. Somit würde es keine Rolle spielen, ob Einspruchsfristen abgelaufen sind (Aktenzeichen 2 Ss-Owi 942/19).

„Toter“ hofft auf Freilassung aus der Haft

In den USA möchte ein Gefangener aus der dort meist wirklich lebenslangen Haft entlassen werden. Weil er wegen einer Erkrankung kurzzeitig „tot“ war, aber erfolgreich wiederbelebt wurde. Wegen seines kurzzeitigen Ablebens, so der Inhaftierte, habe seine Haft geendet.

Nachlesen kann man die Geschichte zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung. Die amerikanischen Gerichte können der Argumentation des Mannes wohl wenig abgewinnen.

Auch in Deutschland hätte so ein Vorbringen doch eher wenig Aussicht auf Erfolg. Zwar gab es früher mal die Auffassung, dass der Tod eintritt, wenn das Herz nicht mehr schlägt. Das war aber zu Zeiten, als Reanimationen eher eine theoretische Möglichkeit waren. Schon vor langem hat sich im deutschen Strafrecht die Ansicht durchgesetzt, wonach der Hirntod eingetreten sein muss, um von einem endgültigen Ableben zu sprechen. Auch bei uns würde es also für ein komplett „neues Leben“ nicht reichen, wenn das Herz des Betroffenen kurzzeitig nicht mehr geschlagen hat und künstlich wieder in Gang gesetzt worden ist.

Anwaltskalender 2020 in der Lostrommel

Was, schon wieder Vorweihnachtszeit? Dann müssen wir hier im law blog einer Tradition huldigen, welche sicher auch viele Leser schätzen. Auch dieses Jahr gibt es den schmucken Anwaltskalender zu gewinnen. Praktischerweise verlosen wir die Ausgabe für 2020 – und das gleich 20 mal!

Der Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan zeigt zwölf Juristenmotive im Format DIN-A-3. Das Design ist klassisch schwarz-weiß, eine hochwertige Spiralbindung hält die einzelnen Blätter zusammen. Wer einen der Kalender gewinnen möchte, muss nur seine E-Mail-Adresse hinterlassen. Das geht auf folgenden Wegen:

– Einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen. Leider zeigt das Kommentarsystem die hinterlegte E-Mail-Adresse aus Datenschutzgründen nicht mehr vollständig an. Deshalb ist es wichtig, dass ihr auch als registrierte Nutzer die E-Mail-Adresse für einen möglichen Gewinn in den Kommentartext schreibt. Dort ist sie allerdings dann für alle Leser sichtbar, also bitte nur spamunsensible Adressen verwenden.

– Wer kein Risiko eingehen möchte, kann eine E-Mail an folgende Adresse senden: anwaltskalender@web.de. Die dort eingegangenen Mails werde nur ich sehen, und die angegebenen Adressen werden garantiert nur zur Benachrichtigung der Gewinner verwendet.

Beide Wege haben gleiche Gewinnchancen. Wulkan spendiert zehn Kalender, weitere zehn bezahle ich. Damit sind wir schon beim nächsten Punkt: Der Kalender kostet 26,45 € inklusive Versand. Er ist also auf jeden Fall ein schönes Geschenk für alle Juristen im Familien- und Bekanntenkreis, denen man rund um Weihnachten eine Freude machen möchte. Die Kalender versendet wulkan gerne auch an eine Wunschadresse, so dass man in diesem Fall nichts verpacken und zur Post bringen muss.

Wer sich also nicht auf sein Glück verlassen möchte oder mehr als einen Kalender braucht, kann den Kalender auch ordern. Er ist nur im Direktvertrieb erhältlich, Bestellungen bitte an wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172 200 35 70.

Teilnahmeschluss für die Verlosung ist der 21. November. Allein Teilnehmern viel Glück!

Parken auf Radwegen wird richtig teuer

Das Bundeskabinett hat einige Änderungen beschlossen, die das Leben von Radfahrern und Fußgängern sicherer machen sollen. Die wichtigsten Änderungen:

• Künftig gilt ein festgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 Meter innerorts und 2 Metern außerorts beim Überholen von Radfahrern.
• Auf Schutzstreifen für Radfahrer (rote Markierungen) gilt absolutes Halteverbot.
• Lkws über 3,5 Tonnen dürfen nach rechts nur noch mit Schrittgeschwindigkeit abbiegen.
• Für Radfahrer wird ein Grünpfeil eingeführt, der ausschließlich für sie gilt.
• Die Kommunen können Fahrradzonen einrichten.

Parallel dazu werden die einschlägigen Bußgelder drastisch erhöht. So kostet das Halten auf einem Schutzstreifen für Radfahrer künftig 100 Euro, das gilt auch für das Halten in zweiter Reihe. Auch die Geldbußen für das Parken auf Geh- und Radwegen wird drastisch erhöht. Bis zu 100 Euro kann das ebenfalls künftig kosten (statt bisher 15 Euro). Das hat wohl zur Folge, dass man künftig auch wegen „einfacher“ Parkverstöße Punkte in Flensburg kriegen kann, sofern das Bußgeld die Eintragungsgrenze von 60 Euro erreicht.

Die Regierung will den Bußgeldkatalog bis Frühjahr anpassen.

Schmerzensgeld nahe der Millionengrenze

Die deutschen Gerichte stehen seit jeher im Ruf, bei Schmerzensgeldern eher sparsam zu sein. Das scheint sich aber teilweise zu ändern. Das Landgericht Gießen hält in einem aktuellen Urteil zum Beispiel ein Schmerzensgeld von 800.000 Euro für angemessen – wenn auch in einem wirklich schrecklichen Fall.

Bei der Operation eines 17-Jährigen waren die Schläuche des Beatmungsgeräts nicht richtig angeschlossen. Der Patient war 25 Minuten nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Er erlitt unter anderem einen schweren Hirnschaden und wird, wie es das Gericht formuliert, nie wieder „zu einem selbstbestimmten Leben“ in der Lage sein.

Die Klinik hatte freiwillig 500.000 Euro gezahlt, der Kläger verlangte eine Million Euro. Seine Entscheidung für ein bemerkenswert hohes Schmerzensgeld begründet das Gericht auch mit dem jungen Alter des Betroffenen. Außerdem würdigt es erschwerend, dass Ursache für die Schäden eine fehlerhafte Bedienung des Beatmungsgeräts gewesen sei. Dabei handele es sich – anders als bei vielen anderen Behandlungsfehlern – um ein voll beherrschbares Risiko (Aktenzeichen 5 O 376/18).

Mobilfunkanbieter darf nicht mit Sperre drohen

Mobilfunkanbieter dürfen Kunden nicht mit einer Sperrung des Anschlusses drohen, wenn es Streit über die Höhe von Telefongebühren gibt. Eine derartige Drohung ist auch wettbewerbswidrig und kann abgemahnt werden, hat jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden.

In dem Fall ging es um 1.300 Euro „Roaminggebühren“, die ein Kunde bezahlen sollte. Zu Unrecht, meinte dieser. Der Anbieter verzichtete von sich aus auf 50 % der Kosten, den Rest machte er aber nachdrücklich geltend, unter anderem drohte er mit einer Sperrung des Anschlusses.

Darin sieht das Oberlandesgericht eine „aggressive“ Geschäftspraktik und damit einen Wettbewerbsverstoß. Nutzer seien heute auf ihr Mobiltelefon angewiesen, deshalb dürfe ihnen nicht wahrheitswidrig vorgegaukelt werden, eine Anschlusssperre sei zulässig.

Außerdem, so das Gericht, hätten die juristischen Voraussetzungen für eine Sperre auch definitiv nicht vorgelegen. Die Sperre sei nämlich nur zulässig, wenn der Rückstand mehr als 75 Euro betrage. Dabei werde aber der streitige Betrag (hier die noch offenen 650 Euro angebliche Roaminggebühren) nicht eingerechnet, da der Kunde die Rechtmäßigkeit der Rechnung nachvollziehbar angezweifelt habe. Die Zweifel ergäben sich normalerweise schon aus der ungewöhnlichen Höhe der Einzelrechnung. Besondere Begründungen könne der Kunde normalerweise müsse der Kunde nicht liefern, ihm fehle nämlich der Zugriff auf die Erfassungsdaten (Aktenzeichen 6 U 147/18).

Vorformulierte Ausflüchte

Die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei ist nicht immer ganz so reibungslos, wie mal als Außenstehender denken könnte.

Eine gewisse Zurückhaltung des zuständigen Polizeibeamten bei der Erledigung seiner Aufgaben brachte jetzt zum Beispiel eine Staatsanwältin in Rage. Die Staatsanwältin hatte angeordnet, einen mutmaßlich Geschädigten als Zeugen zu vernehmen. Dieser sitzt derzeit eine Haftstrafe ab, was dann wohl bedeutet hätte, dass der Polizeibeamte den Betroffenen aufsuchen muss.

Stattdessen schickte der Beamte dem Zeugen einen Vordruck, auf dem dieser ankreuzen konnte, ob er gar nicht mit der Polizei reden will, ob er eine schriftliche Aussage machen will oder ob er einen Rechtsanwalt beauftragen wird. Das Ganze passt nicht mehr so ganz zur neuen Rechtslage, nach der Zeugen bei der Polizei grundsätzlich zu einer Aussage verpflichtet sind. Die Möglichkeiten „will nichts sagen“ und „beauftrage einen Rechtsanwalt“ sind, sagen wir es mal vorsichtig, jedenfalls nicht mehr sonderlich up to date, wenn sie es denn jemals waren.

Die offenkundige Arbeitsverweigerung quittierte die Staatsanwältin mit folgendem Schreiben:

… wird die Akte zurückgesandt mit dem Auftrag, den Zeugen in der JVA aufzusuchen (statt ihm einen unpassenden Fragebogen mit schon vorformulierten Ausflüchten präsentieren zu lassen), ihn auf seine Zeugenpflicht aufmerksam zu machen, ihn darauf hinzuweisen, dass im Weigerungsfall Ordnungsgeld und Ordnungshaft drohen, und ihn zu vernehmen.

Ich hätte es allerdings lieber gesehen, wäre wäre der Polizist mit seiner laxen Einstellung durchgekommen. Der Zeuge hat dann tatsächlich ausgesagt – und meinen Mandanten belastet.