Einfache Schlamperei

Kaum von der re:publica zurück in Düsseldorf, darf ich mich ärgern. Ein Mandant informiert mich, das Amtsgericht habe ihm eine Anklageschrift zugestellt. Das ist schon ziemlich verwunderlich, denn ich hatte mich in der Sache für den Mandanten gemeldet. Die zuständige Staatsanwältin hat mir auch einmal geschrieben. Sogar etwas Positives, nämlich die Entscheidung, dass mein Mandant seinen beschlagnahmten Führerschein zurück bekommt und damit weiter Auto fahren darf.

An „fehlender Vollmacht“ oder einer sonstige Lappalie kann es also nicht liegen, dass die Akteneinsicht nicht gewährt wurde. Obwohl spätestens mit Abschluss der Ermittlungen (und vor Erhebung der Anklage) die Unterlagen zur Verfügung gestellt werden müssen.

Es gibt allerdings einige wenige Staatsanwälte, welche diese Regel ignorieren und sich Arbeit sparen. Nach dem Motto: Der Verteidiger kann schreiben, was er will. Ich erhebe doch sowieso Anklage. Soll halt das dann zuständige Gericht die Akte übersenden.

Das ist natürlich nicht nur verfahrenswidrig, sondern auch kurz gedacht. Schließlich lassen sich viele Verfahren schon vor der Anklage lösen. Zum Beispiel durch eine Einstellung. Vielleicht mit Geldauflage. Und die Verteidigungsschrift eines Anwaltes soll ja mitunter auch zur Aufklärung beitragen. In diesem Fall ist nun ein wichtiger Verfahrensabschnitt beendet worden, ohne dass der Beschuldigte, der eben erst frühestens nach der Akteneinsicht was sagen wollte, was sein gutes Recht ist, sich überhaupt zu den Vorwürfen geäußert hat.

Ich gehe aber erst mal von einfacher Schlamperei aus. So lange erspare ich mir nämlich auch was – die Dienstaufsichtsbeschwerde.

Teleshopping: Teure Nummern

Vor Abzocke beim Teleshopping warnt die nordrhein-westfälische Verbraucherzentrale (VZ NRW). Sie kritisiert Parktiken der „Teleshop Versandhandels AG“ aus Liechtenstein, die offensiv auf gleich mehreren Fernseh-Kanälen für ihr Soriment wirbt.

Wer bestellt, der erlebt laut den Verbraucherschützern mitunter, „dass die Wirklichkeit jenseits des Bildschirms von tiefem Grau ist“. Es gebe erstens viele unerwartete Kosten, zweitens geldschneiderische Vorschläge zur Rück­sendung von Waren. Schließlich erstatte die Teleshop Versandhandels AG den Kunden mit Widerrufsrecht häufig kein Geld, sondern stelle „wider das Gesetz“ nur eine Gutschrift für die nächste Bestellung aus.

Thomas Bradler, Jurist der VZ NRW, hat jetzt das „dreiste Abkassieren durch die Hintertür“ abgemahnt. Dazu zählt für Bradler auch die Empfehlung der Firma, bei einer Rücksendung eine Rücksendenummer anzugeben. Das Foul dabei: Die Kun­den müssen die Ziffern erst telefonisch erfragen – zum Beispiel über eine teure Auskunftsnummer mit Kosten von 1,99 Euro je Minute. Dabei brauche es tatsächlich zur Rücksendnung gar keiner Nummer.

Bradler rät: „Unerwünschte Artikel ohne Nummer, aber mit Ein­schrei­­ben/Rückschein zurückschicken. Rechtliche Nachteile entstehen dadurch nicht.“ (pbd)

Minister hofft auf brave Autofahrer

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer versucht zu retten, was zu retten ist. Er erklärt kurzerhand eine bereits in Kraft getretene Änderung der Straßenverkehrsordnung für „nichtig“. Die Streichung eines Absatzes hatte im Herbst letzten Jahres zur Folge, dass Uraltverkehrsschilder, deren Design mittlerweile geändert wurde, nicht mehr gelten. Angeblich, so Ramsauers Erkenntnis, ist das „Zitiergebot“ nicht beachtet worden. Das kann bei Verordnungen tatsächlich zur Nichtigkeit führen (Wikipedia).

Was genau falsch gelaufen ist, erläutert die Pressemitteilung des Ministeriums leider nicht. Insbesondere fehlt jede Erklärung, welche gesetzliche Vorschrift in der Änderung eigentlich hätte zitiert werden müssen. Immerhin fiel ja nur eine Übergangsregelung weg.

Die Novelle der Straßenverkehrsordnung ist am 13. August 2009 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (hier gibt es ein – großes – PDF). Der Text beginnt jedenfalls mit einer ausführlichen Aufzählung diverser gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen. Wenn der Minister richtig liegt, was ich jetzt nicht auf die Schnelle eruieren kann, wäre aber doch wohl die gesamte Novelle, welche den Schilderwald ja reduzieren sollte, „nichtig“. Sind dann womöglich die neu gestalteten Schilder auch nicht wirksam?

Ganz so überzeugt scheint Peter Ramsauer von seiner Rechtsauffassung aber ohnehin nicht zu sein. Immerhin zitiert ihn Spiegel online mit einem bemerkenswerten Wunsch:

Ramsauer … appellierte an Autofahrer, nicht gegen Bußgeldbescheide vorzugehen, die aufgrund der Missachtung eines Verkehrsschilds alter Art ausgestellt worden seien.

Eine mehr als fromme Bitte, zumal im Land der Rechtsschutzversicherungen.

Informationen zur Schildernovelle

Schnellllllllllll

Gestern abend habe ich die Rechnung an den Mandanten diktiert. Heute morgen wurde die Rechnung geschrieben und dem Mandanten gemailt. Das war um 9.57 Uhr.

Als ich vorhin gegen halb vier ins Online-Konto schaute, war der Rechnungsbetrag schon als Zahlungseingang vorgemerkt.

Spielregeln

Ich sage morgen auf der re:publica 2010 in Berlin was zu den „Spielregeln für den zweiten Lebensraum“. Das Ganze ist gedacht als kleines Rechts-ABC für Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Los geht’s um 14 Uhr im Großen Saal der Kalkscheune.

Link zum Tagesprogramm

Schief und gleich verboten

Für seinen Prozess gegen Oberschiedsrichter Manfred Amerell hatte ich DFB-Präsident Theo Zwanziger alles Gute gewünscht. Auch wenn mir Zwanziger sonst nicht sympathisch ist, spricht doch die Meinungsfreiheit für ihn. Leider hat auch der Einsatz des Medienanwalts Christian Schertz, der mal pro Meinungsfreiheit argumentieren konnte, nicht geholfen. Das Landgericht Augsburg bestätigte heute die einstweilige Verfügung gegen Zwanziger.

Der DFB-Vorsitzende darf Folgendes nicht mehr sagen:

In anderen Lebensbereichen stellen wir fest, dass nach 40 Jahren die Leute sich melden, weil sie vorher keinen Mut dazu gehabt haben.

Für den Richter handelte es sich um eine „unwahre Tatsachenbehauptung“, berichtet Zeit Online. Das Zitat verletze das Persönlichkeitsrecht, denn sexueller Missbrauch von Kindern werde mit einer Beziehung zwischen zwei Erwachsenen gleichgestellt.

Ich tue mich schon mit der Tatsachenbehauptung schwer. Überdies ist ja auch nicht jeder Vergleich verboten, bloß weil er schief ist. Immerhin liegt es nahe, dass Zwanziger andeuten wollte, wie schwer die Aufarbeitung von fragwürdigem Verhalten innerhalb gewachsener Organisationen sein kann. Dass er Amerell tatsächlich auf die Ebene eines Kindesmissbrauchers stellen wollte, ist dem kurzen Statement für mich einfach nicht zu entnehmen.

Entgegen dem Anreißer der Zeit handelt es sich übrigens nicht um ein Urteil zweiter Instanz. Das Landgericht hat lediglich seine eigene einstweilige Verfügung bestätigt. Dagegen kann Zwanziger jetzt Berufung einlegen. Erst dann wird der Rechtsstreit in zweiter Instanz verhandelt.

Drucker mit Spionagefunktion

Die Farbe Gelb verwenden viele Laserdrucker, obwohl der Nutzer dies gar nicht will. Ungefragt tragen die Drucker fast unsichtbare Codes auf das Papier auf, aus denen sich Hersteller, Gerätenummer, Druckdatum uns so manches andere ersehen lässt.

Offiziell eine Maßnahme gegen Geldfälschung. Aber für alle interessierten Kreise natürlich auch eine gute Möglichkeit, den Ursprung von Dokumenten zu ermitteln.

Welche Drucker unsichtbare Botschaften zu Papier bringen, ergibt sich aus dieser Liste.

Quelle des Links

Unvermeidlich

Ein Mandant verlässt mich. Ich will ihm, so seine Einschätzung, nicht mit der nötigen Überzeugung auf dem „Weg zu einem unvermeidlichen Freispruch“ folgen.

Wo mancher einen Weg sieht, erblicken andere halt eine massive Wand. Sofern die Wand ein Fenster hat, dann nur eines mit Gittern.

Aber natürlich hoffe ich, alsbald eines Besseren belehrt zu werden…

Ob man da was machen kann

Es ist doch immer erstaunlich, wie lange ehemalige Mandanten schweigen können. Einer rührte sich sich nicht, als ich ihm meine Rechnung schickte. Auch die Mahnung veranlasste ihn nicht, das bescheidene Beratungshonorar zu überweisen. Gegen den Mahnbescheid legte er keinen Widerspruch, gegen den Vollstreckungsbescheid keinen Einspruch ein.

Stattdessen zog er um, sicher nur nicht wegen mir. Google und den sozialen Netzwerken sei Dank, kam ihm die „vergessene“ Ummeldung nur mittelfristig zu Gute. Jedenfalls stand dieser Tage der Gerichtsvollzieher in meinem Auftrag vor seiner Tür.

Plötzlich konnte die Kontaktaufnahme mit meinem Büro nicht schnell genug gehen. Am besten fand ich die Frage, ob wir an der Forderung denn was machen können. Grundsätzlich bin ich natürlich auch zu einem, wenn auch unverdienten Rabatt bereit. Hauptsache, die Akte kann geschlossen werden.

Hier war es allerdings so, dass die Hauptforderung stolze 50 Euro betrug. Die restlichen knapp 150 Euro waren reine Vollstreckungskosten. Einen großen Teil davon sind auch noch Auslagen, zum Beispiel Gerichtsvollziehergebühren. Selbst der Schuldner sah ein, dass
wir jetzt nicht wegen 15 oder 20 Euro Nachlass auf die Hauptforderung rumkaspern sollten.

Er hat dann tatsächlich alles gezahlt. Einen Tag, bevor ihn der Gerichtsvollzieher zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen hatte.

Kleckerbeträge

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat es mehrfach bemängelt: In Deutschland gibt es keinen vernünftigen Rechtsschutz gegen überlange Verfahren. Die Bundesregierung will das jetzt ändern. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger stellte heute einen Gesetzentwurf vor. Kernpunkt:

Für jeden vollen Monat der Verzögerung sieht das Gesetz eine Entschädi­gung von in der Regel 100 Euro vor.

Wenn es die Umstände rechtfertigen, kann die Entschädigung auch höher ausfallen. Der Regelbetrag lässt allerdings erahnen, wie ernst es die Regierung mit ihrem Vorhaben meint. Die stolze Summe von 100 Euro pro Monat werden die meisten Betroffenen eher als Provokation empfinden, zumal sie für diesen Betrag ja auch noch mal einen getrennten Prozess anfangen dürfen.

Bei solchen Kleckerbeträgen dürfte der Fiskus womöglich gern zahlen – wenn er dafür weitaus mehr Geld für eine zügig arbeitende Justiz sparen kann…

Der Schnitzelraub von Aachen

Die Polizei Aachen berichtet über einen Fall energischer Selbstjustiz:

Als nahezu bühnenreif entpuppte sich gestern Abend eine Begebenheit in einem Restaurant in Aachens Süden.

Wie allabendlich brachte auch gestern der Haus- und Hoflieferant feinste Ware, Steaks und Schnitzel, in die Küche des Gasthauses. Alsdann sollte dieser Zeremonie gleich, die Begleichung der Lieferung vom Vortage in Höhe von 400 Euro erfolgen. Da Bares nicht gleich griffbereit, wurde der Lieferant „auf ein Wiederkommen“ vertröstet.

Diese Lösungsmöglichkeit jedoch nicht annehmend, erfolgte ein lautstarker Disput in der Küche, den selbst die Gäste im Restaurant gebannt verfolgen konnten. Schließlich, unter lautstarkem Getöse, sammelte der Warenlieferant sämtliche Fleischstücke ein, auch jene, die sich gerade in der Zubereitungsphase, so denn in der Pfanne oder Marinade befanden.

Sein kaufmännischer Überschlag ergab jedoch, dass der finanzielle Ausgleich noch nicht annähernd herbeigeführt war. Folglich der Gang in die Gaststube. Hier nahm er den verdutzten bis erschrockenen Gästen – Augenzeugen berichten von ca. 20 – die Fleischstücke vom Teller, schmiss sie in eine Kiste und eilte von dannen.

Zurück blieben ein erstauntes, auf nunmehr vegetarische Kost umgestiegenes Publikum und ein verdatterter Gastwirt.

Bei dem Fleisch auf den Tellern der Gäste wird es natürlich interessant. Wem gehörten Schnitzel oder Steak? Welche Ansprüche haben die Gäste gegen den Lieferanten und gegen den Wirt? Hat sich der Lieferant womöglich strafbar gemacht?

Jurastudenten werden dies sicherlich bald in Klausuren beantworten dürfen.

Karlsruhe stärkt Meinungsfreiheit

Eine Äußerung ist nicht schon deshalb unzulässig, weil das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Äußerung bzw. Berichterstattung überwiegt. Diese eingefahrene Betrachtung einiger Pressekammern in Deutschland hält das Bundesverfassungsgericht für unzulässig.

In einer heute veröffentlichten Entscheidung stellen die Verfassungsrichter klar, dass die Meinungsfreiheit nicht an ein öffentliches Interesse geknüpft ist:

Vielmehr gewährleistet das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen.

Wer sich über einen Dritten äußert, muss also nicht erst fragen, ob ein öffentliches Interesse an der Aussage besteht. Vielmehr ist es Teil seines Persönlichkeitsrechts, mit anderen über ihn interessierende Themen zu kommunizieren.

Das öffentliche Interesse am Thema kann, so das Bundesverfassungsgericht, das Recht auf Meinungsäußerung lediglich verstärken. Die Äußerung wahrer Tatsachen, zumal solcher aus dem Bereich der Sozialsphäre, müsse regelmäßig hingenommen werden.

Daran werden einige Gerichte zu knabbern haben.