Die Hundesohn-Frage (Schwachkopf II)

Die Noch-Vorsitzende der Grünen Jugend engagiert sich in der Fortbildung des deutschen Strafrechts – indem sie Markus Söder öffentlich als „Hundesohn“ tituliert.

Nachdem Schwachkopf ja schon erledigt ist, stellt sich somit erstmals brandaktuell die Hundesohn-Frage, denn ich kann kein veröffentlichtes Strafurteil hierzu finden. Es gibt nur ein Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf in einem Zivilprozess. Dieses Urteil billigt die Kündigung eines Mietvertrags, wenn der Vermieter als „Huso“ tituliert wird, wobei offenbleibt, ob nicht vielleicht auch Hurensohn gemeint war. Außerdem hat mal jemand seinen Twitter-Account verloren, weil er die Hamburger Polizei als „Hundesöhne“ bezeichnet hat.

Wir Anwälte sind gespannt!

Bericht auf NIUS

Sie haben Recht, bekommen es aber nicht

Sie haben als Bürger mit Ihrem Anliegen zwar Recht, bekommen es aber nicht. Dafür fallen aber ein paar warme Worte ab. Niemand beherrscht diese Methode besser als die Richter am Bundesverfassungsgericht. Eine aktuelle Entscheidung zeigt sehr schön, wie das mitunter so läuft in Karlsruhe.

Das Anliegen der Beschwerdeführerin wird in dem Beschluss mit dem Hinweis abgebügelt, der Rechtsweg sei nicht ausgeschöpft. Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig eingestuft. Deshalb, so das Gericht, müsse man sich nicht inhaltlich mit dem Anliegen auseinandersetzen. Um genau das dann aber zu tun, und zwar in einem sogenannten obiter dictum, einer beiläufigen Anmerkung zur Sache. Die freilich hat es in sich.

In dem Fall ging es um eine Verkehrskontrolle. Die Auseinandersetzung eskalierte, der kontrollierende Beamten aktivierte seine Bodycam. Daraufhin filmte auch die Betroffene, und zwar mit ihrem iPhone. Die Polizei beschlagnahmte das Smartphone auf telefonische Anordnung der Staatsanwaltschaft, und zwar wegen des Verdachts auf Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB. An sich machte die Betroffene alles richtig, auch wenn sowohl das Amts- als auch das Landgericht die Beschlagnahme des Telefons für zulässig hielten. Ihr Fehler lag nur darin, die sogenannte Anhörungsrüge (§ 33a StPO) nicht zu erheben.

Auch wenn sich die Frau nichts dafür kaufen kann, geht das Gericht mit seiner lässigen Bemerkung inhaltlich auf sie zu. Der Senat zeigt sich skeptisch, dass nach Aktivierung einer Bodycam durch einen Polizeibeamten noch ein schützenswertes vertrauliches Wort gesprochen werden könne – immerhin zeichnet die Polizei ja selbst auf. Außerdem zweifelt das Gericht an der Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme. Diese dauerte schon länger an, mehr als drei Monate hält das Gericht für fragwürdig. Schon wegen der geringen Strafdrohung des fraglichen Paragrafen. Aber auch aufgrund des Umstandes, dass es die Bodycam-Aufnahmen gibt. Was also sollen die möglichen Bilder auf dem Smartphone also noch beweisen?

Immerhin können wir als Allgemeinheit etwas mitnehmen. Nicht alle Strafanzeigen, die Polizeibeamte gern erstatten, wenn sie gefilmt werden, müssen begründet sein. Und die Beschlagnahme eines Mobiltelefons darf nicht unzumutbar lange dauern. Wird sicher interessant, ob sich jemand diese warmen Worte aus Karlsruhe zu Herzen nimmt (1 BvR 975/25).

Karikatur: wulkan

Verurteilter Mörder erhält weiter seine Beamtenpension

Ein seit 2011 pensionierter Beamter behält sein volles Ruhegehalt, obwohl er seine getrennt lebende Ehefrau und einen gemeinsamen Sohn getötet hat und nun lebenslänglich im Gefängnis sitzt. Die Pensionsansprüche des Mannes können schon aus formalen Gründen nicht entfallen, urteilt das Bundesverwaltungsgericht. Grund: Die Morde geschahen im Jahr 2019 auf Teneriffa, dementsprechend urteilte ein spanisches Strafgericht.

Die spanische Justiz fällte ein durchaus hartes Urteil. Neben dem lebenslänglich erhielt der Mann noch zwei Freiheitsstrafen von 23 und 16 Jahren, auch weil er versucht hatte, seinen zweiten Sohn zu töten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erhob eine Disziplinarklage, um dem Beamten das Ruhegehalt streichen zu lassen. Dies lehnten die Gerichte jedoch ab, nun in letzter Instanz.

Bei Pensionären ist das Beamtenversorgungsgesetz eindeutig: Nur das Urteil eines deutschen Gerichts kann automatisch zum Verlust der Pensionsansprüche führen. Da die Verurteilung in Spanien erfolgte, greift diese Regelung in dem Fall nicht. Eine Aberkennung des Ruhegehalts setzt laut dem Bundesverwaltungsgericht überdies ein Dienstvergehen voraus, wobei für Ruheständler nur eingeschränkte Pflichten gelten – vor allem die fortdauernde Verfassungstreue. Das spanische Gericht stellte jedoch fest, dass die Tat privat motiviert war.

Auch der Vorwurf eines möglichen „Femizids“ wurde geprüft. Das spanische Gericht hatte jedoch ausdrücklich festgestellt, dass die Tat nicht geschlechtsspezifisch motiviert war, sondern aus einem familiären Konflikt resultierte. Das Bundesverwaltungsgericht sah auch hier keinen Ansatzpunkt. Ausdrücklich weisen die Richter darauf hin, dass der Begriff „Femizid“ bislang im deutschen Strafrecht nicht definiert ist.

Der ehemalige Beamte bekommt also seine vollen Bezüge weiter ins Gefängnis überwiesen (Aktenzeichen 2 C 13.24).

Widerrufsbutton soll kommen

Wenn man im Internet einfach bestellen kann, sollte man auch ebenso einfach kündigen können. Ist aber bekanntlich kaum der Fall. Die Bundesregierung will hierfür einen weiteren Schritt umsetzen: Ein Widerrufsbutton soll auf Webseiten verpflichtend werden. Hiermit sollen Verbraucher ihr Widerrufsrecht (meist 2 Wochen) unkompliziert ausüben können. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der eine EU-Richtlinie umsetzt, wurde nun auf den Weg gebracht.

Verbesserungsbedarf wird auch im Patientenrecht gesehen. Patienten sollen künftig eine Kopie ihrer Gesundheitsakte verlangen können, ohne dass hierfür etwas berechnet werden darf. Aber auch Verschärfungen sind geplant. Bei Finanzprodukten sind allerdings auch Verschlechterungen geplant. Bei Finanzprodukten und auch Versicherungen mit oft langer Laufzeit gilt momentan oft ein lebenslanges Widerrufsrecht, wenn die Widerrufsbelehrung mangelhaft war. Das soll sich künftig ändern. Wenn eine Belehrung zwar erfolgte, aber nicht ganz in Ordnung war, sollen sich die Widerrufsfristen nun um ein bzw. zwei Jahre verlängern.

Rechtsfragen zu einem schrecklichen Mord

Der Bundesgerichtshof hat in einem krassen Fall von ehelicher Gewalt geurteilt: Ein Unfalltod bei der Flucht vor einem Messerangriff ist als vollendeter Mord zu werten. In einem Beschluss vom 12. August 2025 verwarf der 5. Strafsenat die Revision des Angeklagten und änderte das Urteil des Landgerichts Flensburg ab. Statt versuchten Mordes und Körperverletzung mit Todesfolge lautet das Urteil nun auf Mord.

Der Angeklagte hasste seine Ex-Frau. Diese hatte sich von ihm getrennt und das Sorgerecht für die Kinder erhalten. Der Angeklagte täuschte eine Versöhnung vor, wollte jedoch in Wirklichkeit seine Frau aus dem Weg schaffen. Der Tatverlauf klingt wie ein Horrorfilm: Auf einer nächtlichen Autofahrt von Aarhus nach Polen, die eine Auswanderung vortäuschen sollte, attackierte der Angeklagte seine Frau auf einem Parkplatz in Flensburg mit einem vorbereiteten Messer. Er hatte bereits Hacke und Spaten besorgt, um die Leiche zu vergraben.

Als die Frau misstrauisch wurde, stach er mindestens 40 Mal zu – Wunden, die ohne medizinische Hilfe tödlich gewesen wären und stark bluteten. Um der Entdeckung zu entgehen, fuhr er auf die A7 und setzte den Angriff auf einem Standstreifen fort. In Panik floh die Schwerverletzte aus dem Auto auf die Fahrbahn, wo sie von einem LKW erfasst und getötet wurde. Der blutverschmierte Täter wurde kurz darauf festgenommen. Das Landgericht hat den Angeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt, sah aber nur einen versuchten Mord, da der Lastwagen den Tod verursacht habe.

Der Bundesgerichtshof korrigiert dies. Der Lkw-Unfall sei eine „unwesentliche Abweichung“ vom sogenannten Kausalverlauf, für die der Angeklagte aber haftet – schließlich habe er die Frau genau in so eine lebensgefährliche Situation getrieben. Damit folgt das Gericht einer eher weiten Auslegung der Kausalität, die gerade bei Fluchtszenarien immer wieder vorkommt. Der Täter, so das Gericht zusammenfassend, müsse für vorhersehbare Folgen seines Handelns einstehen. Bei dem Tatablauf ist es in der Tat nicht ganz fernliegend, wenn das Opfer von einem Lkw überfahren wird (Aktenzeichen 5 StR 688/24).

Unfall unter Freunden

Ein Urlaub unter Freunden endete vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth: Ein Mann forderte von seinem Kumpel 2.250 Euro Schmerzensgeld plus 228 Euro Zahnarztkosten, nachdem er beim Wasserballspielen im Pool einen Schneidezahn verlor. Das Gericht wies die Klage ab – das Risiko sei selbst gewählt.

In einer südeuropäischen Ferienanlage spielten die Freunde Ball im Pool. Der Kläger beteiligte sich zunächst aktiv, stand später mit Bierdose am Beckenrand und warf Bälle zurück. Ein Wurf traf ihn am Hinterkopf, er fiel hin, stieß sich am Rand und verlor dabei den Zahn.

Das Landgericht-Nürnberg-Fürth sieht hier – wenig überraschend – ein allgemeines Lebensrisiko. Der Kläger habe sich auf das Spiel eingelassen, ohne klar auszusteigen. Er hätte den Pool verlassen müssen, um sich zu schützen – stattdessen erhöhte die Bierdose in der Hand das Verletzungsrisiko, was ihm selbst zuzurechnen sei. Das Amtsgericht Erlangen hatte bereits ähnlich geurteilt. Nach dem Hinweisbeschluss des Landgerichts zog der Kläger die Berufung zurück (Aktenzeichen 15 S 7420/24).

Für 13.000 Euro kommt der Ex zurück

Falls gerade Liebeskummer, bitte unbedingt weiter lesen. Ein Hellseher verspricht seinen Kunden, dass der verlustige Partner ohne Aufwand wieder erobert werden kann – im Wege einer „energetischen Partnerrückführung“. Ganz bilig ist das natürlich nicht. 20.000 Euro berechnet der Experte, wenn alles innerhalb eines Monats wieder gut werden soll.

Eine Kundin entschied sich für das Silberpaket zum reduzierten Preis von 13.000 Euro. Dafür hätte der Hellseher für seine Wundertätigkeit aber zwei Monate Zeit gehabt. Als diese Zeit verstrichen war und der Verflossene noch immer nicht vor der Tür stand und die Ex vermutlich noch nicht mal auf WhatsApp entblockt war, kamen der Auftraggeberin Zweifel. Sie forderte ihr Geld zurück und zog schließlich vor Gericht.

Das Landgericht Düsseldorf zeigt wenig Verständnis für das Geschäftsmodell des Hellsehers, der sich auch als Kartenleser und Fluchbefreier empfiehlt. Der Vertrag ist nach Auffassung des Gerichts schlicht sittenwidrig, der Mann habe die emotionale Belastung und die damit verbunden Verletzlichkeit der alleinerziehenden Mutter ausgenutzt (Aktenzeichen 9a O 185/24).

Karikatur: wulkan

Richterin in den USA droht Knast

Mehr als tatkräftig war die Unterstützung einer amerikanischen Strafrichterin für einen ihrer Angeklagten. Sie lotste den Mann, einen illegalen Einwanderer, persönlich aus dem Gerichtssaal über einen Dienstgang aus dem Gericht, um ihn vor dem Zugriff von Agenten der US-Einwanderungsbehörde zu schützen. Nun hat die Richterin selbst mächtig Ärger. Sie muss sich vor einer Grand Jury verantworten und könnte selbst im Gefängnis landen.

Richterin Hannah Dugan vom Milwaukee County Circuit Court bestreitet die Vorwürfe – obwohl es Videos aus Überwachungskameras gibt. Überdies machte sie vor dem zuständigen Bundesrichter geltend, sie habe nur Ordnung in ihrem Gerichtssaal aufrecht erhalten. Alle damit verbundenen Maßnahmen seien folglich von ihrer richterlichen Unabhängigkeit gedeckt und könnten nicht verfolgt werden. An deutschen Gerichten nennt sich das Sitzungspolizei. Doch die Ablenkung von Polizisten und das Türöffnen für einen Gesuchten ist womöglich mehr als gelebte richterliche Unabhängigkeit. Dugan muss sich vom Vorsitzenden der Grand Jury, die über die Anklage befindet, sagen lassen, dass auch förmlich rechtmäßige richterliche Handlungen strafbar sein können. Zum Beispiel Bestechlichkeit. Eine sofortige Abweisung der Anklage wurde abgelehnt.

Der Einwanderer wurde kurz nach der Aktion vor dem Gerichtsgebäude festgenommen.

Bericht

Mehr als eine Lässlichkeit

Der Beklagte oder der Kläger in einem Gerichtsverfahren kann nicht einfach ausgetauscht werden, jedenfalls nicht im Rahmen einer Fehlerberichtigung. Das Jugendamt hatte eine Mutter auf Unterhalt für ein Kind verklagt, das Amtsgericht Michelstadt setzte jedoch den Vater als Schuldner ein. Als der Fehler auffiel, setzte die Rechtspflegerin am Amtsgericht einfach die Mutter als korrekte Schuldnerin in und titulierte dies als bloße „Berichtigung“.

So geht es nicht, entschied nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Laut dem Gesetz darf eine Berichtigung nur Schreibfehler und andere kleine Lässlichkeiten beseitigen. Die Umschreibung auf eine komplett andere Prozesspartei sei unzulässig, schon wegen der Rechtssicherheit. In der Tat war der Mutter, die verklagt werden sollte, der zunächst erlassene Beschluss nie zugestellt worden. Im Kern wäre sie also über die Berichtigung zu Unterhalt „verurteilt“ worden, ohne überhaupt von dem Verfahren zu wissen (Aktenzeichen 6 UF 146/25).

Kriminalbeamtin soll 10 Euro gestohlen haben

In Darmstadt steht seit dieser Woche eine 54-jährige Kriminalpolizistin vor Gericht, weil sie im November 2022 gemeinsam mit einem Kollegen Geld aus der Wohnung eines Verstorbenen in Ober-Ramstadt gestohlen haben soll. Die Beamtin wird der Hehlerei beschuldigt, da sie mindestens 10 Euro vom gestohlenen Geld ihres Kollegen angenommen haben soll. Ihr Kollege, der als Haupttäter gilt, wurde bereits 2024 rechtskräftig wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 10.400 Euro verurteilt.

Der Vorfall ereignete sich im Rahmen einer routinemäßigen Todesermittlung. In der Wohnung des Verstorbenen soll der Polizist Geldscheine aus einem Portemonnaie entwendet haben. Beide Beamten bemerkten danach eine Überwachungskamera und nahmen eine Netzwerkfestplatte mit, um mögliche Aufnahmen zu löschen. Der Vertuschungsversuch blieb allerdings vergeblich. Die relevanten Videos waren auf einem separaten Speicherchip gespeichert. Der Bruder des Verstorbenen entdeckte die Aufnahmen und leitete sie an die Polizei weiter, wodurch der Fall ans Licht kam. Die Beamtin bestreitet die Vorwürfe, die Videoaufnahmen sollen sie nach Auffassung der Staatsanwaltschaft jedoch überführen.

Die genaue Höhe des gestohlenen Geldes bleibt unklar, da der bereits verurteilte Polizist keine Angaben machte.

Karikatur: wulkan

Keine Fragen, bitte: Worum es Christina Block wirklich geht

Im Entführungsprozess gegen die Steakhaus-Erbin Christina Block und weitere Angeklagte in Hamburg entfaltet sich seit einigen Tagen ein strafprozessuales Drama, das man zum Beispiel gut im Ticker der Bild-Zeitung verfolgen kann. Christina Block hat sich entschlossen, auszusagen. Sie nahm stundenlang gegenüber dem Gericht Stellung. Allerdings möchte sie keine Fragen der Nebenklage beantworten. Sicherlich ist die Annahme berechtigt, dass ihr der Rechtsanwalt ihres früheren Ehemanns, dem die gemeinsamen Kinder entzogen worden sein sollen, besonders kräftig zusetzt. Aber führt dies dazu, dass der Nebenklageanwalt nun gar nichts fragen darf, wie es die Block-Anwälte durchsetzen möchten? So einfach ist das alles nicht…

… aber auch nicht sonderlich kompliziert. Es gilt zunächst der uneingeschränkte Grundsatz: Kein Angeklagter muss sich selbst belasten. Er kann was sagen, muss es aber nicht. Überdies ist es absolut unbestritten, dass der Angeklagte sich zu jedem Zeitpunkt auf sein Schweigerecht berufen kann, ohne dies begründen zu müssen. Redselig vor ein paar Minuten, nun eisernes Schweigen – für einen Angeklagten formal kein Problem. Dabei ist es völlig egal, ob das Gericht fragt, der Staatsanwalt, die Nebenklage oder der eigene Verteidiger. Der Angeklagte kann also jederzeit die Antwort auf Fragen verweigern. Kurz gesagt: Er muss gar nichts.

Hat der Angeklagte aber mal was zur Sache gesagt, kann ein Schweigen auf spätere Fragen für ihn trotzdem Probleme mit sich bringen. Und genau darum geht es im Hamburger Prozess. Die Verteidigung hat demgemäß nachvollziehbar versucht, die erwartbar unliebsamen Fragen der Nebenklage von vornherein zu verhindern. Denn jede Frage der Nebenklage, die unbeantwortet bleibt, kann dem Angeklagten schaden. Es gibt zwar den Grundsatz, dass aus dem Schweigen eines Angeklagten keine negativen Schlüsse gezogen werden müssen. Aber genau in dieser Konstellation gibt es – so zumindest die Gerichte – eine Einschränkung: Wenn ein Angeklagter Fragen beantwortet hat, also anfangs typischerweise die Fragen des Gerichts, muss er auch den anderen Frageberechtigten antworten. Ein selektive Schweigen kann das Gericht später als taktisches oder widersprüchliches Verhalten werten, und zwar allgemein bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten. Mit seiner Aussage macht sich der Angeklagte also selbst zum Beweismittel. Wenn er dann aber nicht mehr mitspielt, ist dieser Beweis sozusagen kompromittiert. In welchem Umfang, ist dann gerne Thema von Revisionsprozessen.

Allerdings ist die Verteidigung im Fall Block erwartbar mit dem Versuch gescheitert, die Fragen der Nebenklage insgesamt zu verhindern. Die Nebenklage hat nämlich das Recht zu fragen. Eine Frage nach der anderen. Der Angeklagte muss dann jedes Mal entscheiden, ob er antwortet. Wenn es sich um gute, also für den Angeklagten unangenehme Fragen handelt, können sich verweigerte Antworten natürlich schon gewaltig aufaddieren. Dementsprechend wird die Nebenklage also versuchen, möglichst viele Fragen zu stellen, selbst wenn die Angeklagte sich möglicherweise jeder Antwort verweigert. An Ansatzpunkten für die Nebenklage wird es nicht mangeln, denn die Verteidigungslinie der Angeklagten ist ja, sie habe so gut wie nichts gewusst. Das macht es für einen Nebenkläger leicht, mit Fragen zu Details Widersprüche offen zu legen.

Karikatur: wulkan

Ludwigshafen: In Wirklichkeit Wahlhilfe für die AfD

Für die AfD wird bei der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen im nächsten Monat voraussichtlich niemand antreten. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz wies heute die Beschwerde des Kandidaten Joachim Paul endgültig ab. Dem beamteteten Lehrer und Landtagsabgeordneten hat der zuständige Wahlausschuss Verfassungsfeindlichkeit nachgesagt, auf Grundlage eines bestellten Dossiers des Verfassungsschutzes.

Auch in Nordrhein-Westfalen wurde heute ein AfD-Kandidat nicht zugelassen. Für mich besteht zwischen diesen traurigen Abgesängen auf eine faire Demokratie und den aktuellen Umfrageerfolgen der AfD ein innerer Zusammenhang. Wenn sich angebliche Demokraten so dreist ihrer Konkurrenten entledigen, geht ein ganz wichtiges Abgrenzungskriterium zu vermeintlich Autoritären verloren. Aber das scheint niemand zu merken.

Vielleicht zieht Paul ja noch vors Bundesverfassungsgericht und versucht es mit einer einstweiligen Anordnung. Die Richter hätten Gelegenheit für ein Machtwort.

Meldung

Nacktbilder „vorab per Mail“

„Vorab per Mail“ steht auf dem Schreiben mit dem sehr schön gestalteten Briefkopf einer mittelgroßen Anwaltskanzlei. Bei dem PDF handelt es sich um eine eher langatmige Abmahnung, jedoch gespickt mit sehr vielen privaten Details. Bei den Details handelt es sich allerdings nicht um Informationen über den Abgemahnten Herrn J. Sondern um Nacktbilder der eigenen Mandantin, die in der Anwaltskanzlei Hilfe gesucht hat. Das gute Dutzend Nacktfotos hat die zuständige Rechtsanwältin liebevoll in den Text eingepflegt, wohl um den geltend gemachten Unterlassungsansprüchen Nachdruck zu verleihen. Bei Nacktbildern macht „Vorab per Mail“ natürlich immer Sinn. Vor allem, wenn man sie ins geschäftliche Postfach des Empfängers pumpt…

Doch vom Anfang an. Unschwer zu erahnen, wird in dem Fall eine gescheiterte Beziehung aufgearbeitet. Herrn J. wird vorgeworfen, er habe sich nicht nur an den übersandten textilfreien Selfies erfreut. Vielmehr habe er diese nach Ende der Beziehung auf irgendwelchen Portalen veröffentlicht und über Burner-Adressen rumgeschickt. Das stört die Ex-Partnerin natürlich. Herr J. bestreitet das alles entschieden, weniger was die Freude beim Betrachten der Bilder angeht, umso mehr aber deren angebliche Verbreitung.

Aber bleiben wir beim Thema. Welchen Sinn macht es zunächst grundsätzlich für einen Anwalt, dem juristischen Gegner Nacktbilder der eigenen Mandantin zu schicken und gleichzeitig zu behaupten, dass dieser Gegner die Bilder ja ohnehin kennt? Natürlich keinen. Noch weniger Sinn macht es, die reich bebilderte Abmahnung „vorab per Mail“ ans Firmenpostfach des Abgemahnten zu schicken. Ist es schön, wenn nun auch die Sekretärin oder gar die ganze Poststelle der Firma weiß, wie die Betroffene nackt aussieht? Ich meine, wenn es neben der Abmahnung auch um eine sofortige Rufschädigung von Herrn J. ging, hätte der Brief alleine genügt. In Unternehmen können die Mitarbeiter normalerweise lesen, und schon alleine der Inhalt hätte Herrn J. zuverlässig zum Mittelpunkt jedes Teeküchentalks gemacht.

Mit der Mail ist Herr J. nicht nur vermeintlicher Täter, sondern nun auch selbst Geschädigter. Auch er hat Persönlichkeitsrechte, eine Privat- und Intimsphäre. Es wird sich von seiner Seite die Frage stellen, ob seine Ex-Partnerin überhaupt wusste, dass die Abmahnung bebildert wird. Ebenso interessant wird sein, ob die Ex-Partnerin der Übersendung der Abmahnung per Mail zugestimmt hat. Grundsätzlich dürfen Anwälte mandatsbezogene Daten nur per Mail übermitteln, wenn sie dafür eine ausdrückliche Freigabe haben. Ich gebe zu, das ist nicht sehr praxistauglich, aber viele Anwaltskammern betrachten E-Mails ohne schriftlichen Zustimmung des Mandanten als Verletzung der Schweigepflicht. Und ich rede von E-Mails ohne angehängte Nacktbilder der Mandantin. Für die Ex-Partnerin ist das insgesamt keine schöne Situation. Hat sie die Abmahnung „vorab per Mail“ ausdrücklich gebilligt, dürfte sie selbst mitverantwortlich für die Folgen sein. Hat sie es nicht, muss sie mit ihrer Anwältin wahrscheinlich ein klärendes Gespräch führen.

Fassen wir zusammen: „Einschreiben/Rückschein“ hätte dicke gereicht.

Karikatur: wulkan

Verfahren gegen den Anwalt von Christina Block

Der Anwalt der Hamburger Steakhaus-Erbin Christina Block ist juristisch unter Beschuss. Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Düsseldorfer Strafverteidiger Dr. Ingo Bott ein. Es geht um Titelmissbrauch.


Bis gestern hatte sich Bott auf seiner Homepage als Prof. Dr. Dr. Ingo Bott vorgestellt. Der Professoren- und ein Doktortitel sollen Bott aber „ehrenhalber“ (h.c.) verliehen worden sein – von peruanischen Universitäten. Nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht müssen Ehrentitel so mit Zusätzen gekennzeichnet sein, dass man sie als solche problemlos erkennen kann. Zum Beispiel mit dem bekannten h.c. für honoris causa. Auch der Erwerb der Titel im Ausland muss normalerweise aufgedeckt werden. Auf Botts Homepage fanden sich zwar Hinweise auf den Ursprung der Titel, aber wohl nur auf einer Unterseite. Der Juraprofessor Holm Putzke hatte öffentlich auf Botts Selbstdarstellung hingewiesen und den Verdacht auf eine Straftat geäußert. Die Staatsanwaltschaft Hamburg bejaht nun immerhin einen Anfangsverdacht.

Bott bezeichnet sich auf seiner Homepage nun nur noch als „Dr.“. Diesen einen Doktortitel hat er übrigens mit einer Dissertation zum Thema „Strafrecht in Extremlagen“ an der Universität Passau erworben. Juraprofessor Holm Putzke, der Bott anzeigte, unterrichtet ebenfalls an der Universität Passau.

Karikatur: wulkan

Wer ist der Verteidiger?

Staatsanwaltschaften wissen natürlich, wer der Anwalt des Beschuldigten ist. Aber dürfen oder gar müssen die Strafverfolger das auch Journalisten verraten, selbst wenn der betreffende Anwalt (noch) nicht zugestimmt hat? Mit genau dieser Frage hat sich jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschäftigt. Die Antwort ist ein klares nein.

Ein Journalist der Bild-Zeitung recherchierte wegen eines Mordfalls in München. Von der Staatsanwaltschaft wollte er wissen, wer den Verdächtigen verteidigt, erhielt aber keine Auskunft. Sein Antrag auf einstweilige Anordnung blieb erfolglos. Laut dem Münchner Gericht geht der gesetzliche Auskunftsanspruch nicht so weit wie vom Journalisten erhofft. Das Gericht verweist auf die anwaltliche Schweigepflicht. Diese verpflichte den Anwalt alles geheim zu halten, was er im konkreten Fall erfahre. Daraus wird auch das Recht des Anwalts hergeleitet, ohne eigene Zustimmung nicht kontaktiert zu werden. Das sei auch im Interesse des Mandanten. Überdies sei der presserechtliche Auskunftsanspruch auf Fakten gerichtet. Hier gehe es aber eher um die Möglichkeit des Journalisten, Kontakte zu knüpfen und darüber weitere Informationen zu erhalten.

In Hamburg wird die Sache übrigens anders gesehen. Das dortige Oberverwaltungsgericht hat die Staatsanwaltschaft zur Nennung des Anwalts verpflichtet, das Berichterstattungsinteresse der Medien gehe den Rechten des Anwalts vor. Der Bild-Reporter kann im Münchner Fall noch in der Hauptsache klagen (Aktenzeichen 7 CE 1263/25).