NACH RIGA

Der polnische Verfassungsgerichtshof hat den Europäischen Haftbefehl für verfassungswidrig erklärt. Das meldet der Spiegel (Nr. 20/2005, S. 97). Auch im Nachbarland stößt die Verpflichtung auf Widerstand, eigene Staatsbürger an andere EU-Länder ausliefern zu müssen.

In Deutschland beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht ebenfalls mit dem Europäischen Haftbefehl. Eine geplante Überstellung ist sogar per einstweiliger Anordnung gestoppt worden. Die abschließende Entscheidung steht noch aus.

Mich wundert es sowieso, dass zum Beispiel die deutsche Wirtschaft nicht gegen den Europäischen Haftbefehl mobil macht. Offensichtlich hat man sich dort noch keinerlei Gedanken über die simple Tatsache gemacht, dass gerade Geschäftsführer und Vorstände international tätiger Unternehmen extrem gefährdet sind.

Man denke nur an Umweltdelikte, Betrugs- und Korruptionsfälle. Oder an einen simplen Geldwäscheverdacht. Diese wirtschaftsspezifischen Deliktgruppen sind alle im Katalog der Taten enthalten, auf die der Europäische Haftbefehl anwendbar ist. Und passt das alles nicht, kann sich der Verdacht ja auch immer problemlos auf eine „kriminelle Vereinigung“ richten.

Wenn demnächst ein spanischer, slowenischer oder litauischer Untersuchungsrichter die strafrechtliche Verantwortung in einer deutschen Firmen- oder Konzernzentrale vermutet, kann das auch für deutsche (Top)-Manager einen plötzlichen Umzug ins Untersuchungsgefängnis von Madrid, Ljubljana oder Riga bedeuten.

Und wer denkt, dass die sich „so was“ schon nicht trauen, wird sicher bald eines Besseren belehrt werden.