STOREMOBIL UND DIE FOLGEN

Mit einem günstigen Handyangebot erregte die Düsseldorfer Firma storemobil vor gut zwei Jahren Aufsehen in der Branche. Tausende Kunden sicherten sich bei ebay und anderswo das vermeintlich kostenlose Paket mit zwei Mobilfunkverträgen. Storemobil versprach nämlich, die Grundgebühren für die gesamte Mindestlaufzeit zu erstatten.

Leider wurde nichts daraus. Nach unserer Kenntnis haben die meisten Mobilfunkanbieter wie Vodafone und D 1 Verträge, die über storemobil kamen, storniert oder diese zumindest in Verträge ohne Grundgebühr umgewandelt – wenn der Kunde nur energisch genug protestierte.

Nur O2 lässt derzeit offene Grundgebühren über ein Inkassounternehmen einklagen. Allerdings lohnt es sich auch hier, nicht einfach einzuknicken. Auf unsere Klageerwiderung an das Amtsgericht Gronau hat das Mobilfunkunternehmen jedenfalls seine Klage „vollumfänglich“ zurückgenommen.

Das haben wir ans Gericht geschrieben:

In dem Rechtsstreit
B. GmbH ./. P.
2 C 75/05

ist die Klage unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

I. Fehlende Aktivlegitimation

Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin.

II. Sachverhalt

1. Der Beklagte wurde über das Internet, und zwar auf der Seite des Auktionshauses ebay, auf das Angebot einer Firma storemobil, Münsterstraße 161, 40477 Düsseldorf, aufmerksam. Kurz gefasst machte storemobil folgendes Angebot:

– Abschluss zweier Mobilfunkverträge (Laufzeit jeweils 24 Monate)
– Auslieferung nur eines Mobiltelefones
– Erstattung der jeweiligen Grundgebühr durch storemobil für die jeweilige Vertragslaufzeit

Dieses Angebot hätte es den Kunden ermöglicht, Handyverträge faktisch ohne Grundgebühr zu nutzen. Es wären also nur tatsächliche Gesprächskosten angefallen, die aufgrund der Vertragsbindung wesentlich niedriger sind als bei sog. Prepaid-Angeboten.

Soweit ersichtlich, plante storemobil die Gegenfinanzierung durch den Weiterverkauf des zweiten Handys sowie (teilweisen) Einschuss der Vermittlungsprovision. Wahrscheinlich ist aber, dass mit dem Angebot von vornherein nur möglichst viele Kunden in kurzer Zeit geködert werden sollten und gar nicht geplant war, die Grundgebühren wie zugesagt zu erstatten.

2. Der Beklagte ersteigerte über ebay einen derartigen Vertrag und gab seine Vertragsdaten über das Internet (online) an storemobil durch, d.h. durch Nutzung von Fernkommunikationsmitteln im Sinne des § 312b BGB.

Beweis: Vorlage der Auktions- und Anmeldeunterlagen (im Bestreitensfall).

Der Beklagte hatte nie direkt mit der Firma O 2 zu tun. Insbesondere hat der Beklagte, soweit er sich erinnert, gegenüber O 2 niemals ein direktes Angebot gemacht bzw. dort einen Vertrag persönlich unterzeichnet.

3. Offensichtlich hat storemobil die Daten dann an die Firma O 2 weitergeleitet. Der Beklagte erhielt für die zwei Mobilfunkverträge sog. „Starterpakete“. Diese enthalten eine Benutzerbroschüre sowie das als Anlage B 1 beigefügte Schreiben.

Für den zweiten Vertrag liegt ein gleiches Starterpaket vor. Dieses ist aber noch komplett ungeöffnet und kann zu Beweiszwecken auf Anforderung durch das Gericht vorgelegt werden.

Wie dem Schreiben von O 2 zu entnehmen ist, erfolgt die Freischaltung der Mobilfunkkarte erst, nachdem der Kunde die Karte in das Gerät eingelegt und die unter dem dritten Punkt aufgeführten Daten eingegeben hat.

Diese Schritte hat der Beklagte nicht vollzogen. Die Mobilfunkkarte ist auch in dem geöffneten Starterpaket noch original auf das Anschreiben aufgeklebt. Die Schutzabdeckung für PIN und PUK hat der Beklagte nicht entfernt.

Beweis: Vorlage des Schreibens im Original, auf Anforderung durch das Gericht.

Der Beklagte hat also keine der beiden Mobilfunknummern aktiviert. Demnach kann es – entgegen den Angaben in der Anspruchsbegründung – auch nicht zu einer „Freischaltung“ durch die Firma O 2 gekommen sein.

Die Firma O 2 hat dem Beklagten auch nicht die zu den Verträgen gehörenden Handynummern mitgeteilt. Diese Handynummer wird erst per SMS bekannt gegeben, nachdem die Verträge freigeschaltet sind (Anlage B 1, letzter Punkt). Eine derartige SMS hat der Beklagte nicht erhalten. Ihm sind die Rufnummern bis heute unbekannt.

4. Der Beklagte merkte nach kurzer Zeit, dass die Firma storemobil entweder willens oder auch nicht in der Lage war, die Grundgebühren wie zugesagt tatsächlich zu erstatten.

In den Internetforen und auf der Bewertungsseite von ebay wurde schnell klar, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um eine betrügerische Aktion handelte.

Gegen die Firma storemobil wird auch bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen Betruges ermittelt.

Beweis: Beiziehung der Akte 110 Js 5820/03 der StA Düsseldorf.

Der Beklagte richtete am 4. August 2003 deshalb ein vorsorgliches Kündigungs- und Widerrufsschreiben an alle Mobilfunkanbieter, mit denen er über die Firma storemobil in Kontakt gekommen war.

Beweis: Einlieferungsschein der Post vom 4. August 2003; Anlage B 2.

Er erklärte in diesem Schreiben, dass er die Angebote der Firma nicht in Anspruch nehmen will und dass er von storemobil getäuscht worden ist. Das Schreiben enthielt ausdrücklich eine Kündigug und einen Widerruf eines eventuell geschlossenen Vertrages.

Leider kann der Beklagte den Wortlaut des Schreibens nicht mehr vorlegen. Allerdings erklärten sich die anderen Mobilfunkanbieter e-plus, T-Mobile und Vodafone noch im August 2003 anstandslos bereit, eventuelle Verträge rückwirkend zu stornieren. Sie hatten ein gleichlautendes Schreiben erhalten.

Beweis: Stornierungsschreiben; Anlage B 3.

II. Rechtliche Würdigung

1. Es ist bereits zweifelhaft, ob zwischen dem Beklagten und O 2 überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist.

Es fehlt nämlich zumindest an der für den Vertragseintritt erforderlichen „Freischaltung“ der Mobilfunknummern. Der Beklagte hat die hierzu angegebenen Schritte nicht unternommen; ihm ist auch niemals eine Mobilfunknummer mitgeteilt worden.

2. Jedenfalls hat der Beklagte den Vertrag aber wirksam widerrufen.

Es handelte sich um einen Fernabsatzvertrag nach § 312b BGB. Der Beklagte hat das Angebot der Firma Storemobil als Verbraucher in Anspruch genommen. Er handelte rein als Privatperson.

Beweis: Parteivernehmung des Beklagten.

Der Beklagte ist zu keinem Zeitpunkt über sein gesetzliches Widerrufsrecht hinreichend belehrt worden. Dem Beklagten ist die gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung gar nicht erteilt worden.

Weder von der Firma storemobil noch von O 2 sind dem Beklagten Informationen über sein Widerrufsrecht zur Verfügung gestellt worden. Insbesondere enthält auch das Starterpaket keine derartigen Informationen.

Beweis: Vorlage des Starterpakets auf Anforderung durch das Gericht.

Das Widerrufsrecht ist auch nicht gemäß § 312d Abs. 3 BGB erloschen. Denn der Beklagte hat, wie dargelegt, gerade die Dienstleistung der Firma O 2 nicht veranlasst. Auch hat ihm O 2 niemals die Dienstleistung zur Verfügung gestellt. Selbst wenn dies wider Erwarten so gewesen sein sollte, hatte der Beklagte hiervon keine Kenntnis; es fehlt somit auf jeden Fall seine nach dem Gesetz erforderliche „ausdrückliche Zustimmung“.

Das Widerrufsrecht ist auch nicht durch § 312d Abs. 4 Ziff. 5 BGB ausgeschlossen, denn das Geschäftsmodell von ebay ist keine Auktion im Sinne von § 156 BGB (BGH NJW 2005, 53). Unabhängig davon war ohnehin die Firma storemobil zwischengeschaltet, so dass es zwischen dem Beklagten und O 2 gar keine Auktion gab.

Mit dem am 4. August 2004 per Einschreiben an O 2 versandten Brief hat der Beklagte also den Vertrag wirksam widerrufen.

Rein vorsorglich erklärt der Beklagte hiermit nochmals den Widerruf der möglicherweise abgeschlossenen Verträge.

3. Unabhängig davon hat der Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Firma 0 2, welche bis zur Höhe der Klageforderung hiermit zur Aufrechnung gestellt werden.

O 2 ist als Kaufmann ist im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, die von ihm eingesetzten Vermittler auf Seriösität zu überprüfen und zu überwachen.

Storemobil hat für verschiedenste Mobilfunkfirmen derartige „Doppel“verträge vermittelt.

Das Geschäftsmodell des Unternehmens war über ebay jederzeit einsehbar. Auch dürfte schon wegen der hohen Zahl von Verträgen, mit denen storemobil als Vermittler einstieg, eine Überprüfung dieses Vertriebspartners uns seiner Werbemethoden angezeigt gewesen sein.

Hätte O 2 diese Überprüfung vorgenommen, wäre dem Unternehmen schnell klar geworden, dass das Geschäftsmodell von storemobil nicht tragfähig ist. Vielmehr liegt es nahe, dass die Firma tatsächlich nur darauf aus war, in kurzer Zeit möglichst viele Mobilfunkverträge zu vermitteln, die gerichtsbekannt hohe Provision (teilweise mehrere hundert Euro pro Vertrag) zu kassieren und dann die Segel zu streichen.

Tatsächlich ist storemobil auch nach wenigen Monaten komplett vom Markt verschwunden. Wer die Verantwortlichen für diese Masche waren, konnte wohl bis heute nicht komplett geklärt werden. In der Tat haben die Mobilfunkfirmen es wohl sogar versäumt, sich darüber zu vergewissern, wer konkret hinter der Firmenbezeichnung storemobil steht.

Jedenfalls wäre es Aufgabe der Firma O 2 gewesen, bei einem derart dubiosen Angebot die Zusammenarbeit mit einem derart unsicheren Vertriebspartner, der sich überdies unseriöser Zusagen zum Kundenfang bediente, abzulehnen, zumal dieser auch noch gegenüber den Kunden (in der Summe) enorme Zahlungsverpflichtungen übernahm.

Da sich O 2 der Firma storemobil als Vermittler bediente, konnte das Mobilfunkunternehmen nicht einfach davor die Augen verschließen, dass der Vermittler die Kunden mit unseriösen, augenscheinlich sogar betrügerischen Versprechungen köderte.

Vorsorglich wird auch eingewandt, dass O 2 mit Sicherheit in den Vertriebsvereinbarungen eine Klausel hat, wonach der Vermittler dem Kunden keine finanziellen Vorteile für den Abschluss des Vertrages zusagen darf.

Beweis: Zeugnis des Geschäftsführers der Firma O 2; Name und ladungsfähige
Anschrift werden ggf. nachgereicht.

Hierdurch soll verhindert werden, dass massenhaft provisionspflichtige Verträge mit Kunden geschrieben werden, die ohne derartige Versprechungen niemals das Angebot angenommen hätten. O 2 hat also sehenden Auges den Verstoss hiergegen akzeptiert.

All die nahe liegenden Bedenken stellte O 2 offensichtlich im eigenen Gewinnmaximierungsinteresse zur Seite. Gerade hierin liegt aber die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht gegenüber dem Kunden, die wiederum eine Schadensersatzpflicht auslöst (§ 280 Abs. 1 BGB). Die Höhe des Schadens besteht in der Klageforderung.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass O 2 mit der Firma storemobil nichts zu tun habe. Dies ist nämlich nicht richtig. Storemobil vermittelte als Agentin Mobilfunkverträge für 0 2; es bestand also ein Vertragsverhältnis, das entsprechende Sorgfaltspflichten auslöst.

Letztlich haben alle anderen Mobilfunkanbieter außer O 2 ja auch die korrekte Konsequenz gezogen und sämtliche über storemobil vermittelten Verträge kostenlos storniert bzw. in beitragsfreie Verträge umgewandelt.

Hinsichtlich der vorstehenden Ausführungen wird nochmals die Beiziehung der Akte der Staatsanwaltschaft Düsseldorf

beantragt.

4. Die Hauptforderung ist also unbegründet.

Für die in der Hauptforderung enthaltene „Stornolastschrift“ ist anzumerken, dass hierfür eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich ist. Hierdurch wird überdies die gesamte Abrechnung unnachvollziehbar und deswegen unschlüssig.

5. Vorsorglich ist noch zu den Nebenforderungen Stellung zu nehmen:

a) Vorgerichtliche Mahnkosten werden bestritten.

b) Für die Erstattung von Kontoführungsgebühren gibt es keine Anspruchsgrundlage. Die Kosten werden auch tatsächlich bestritten.

c) Der Anfall und die Notwendigkeit von „Adressermittlungskosten“ sowie Auskünfte aus einer Schuldnerkartei werden bestritten.

d) Inkassokosten sind nach überwiegender Rechtsprechung nicht erstattungsfähig. Spätestens seit Erhalt des Widerrufsschreibens des Beklagten war klar, dass dieser nicht bereit ist, Zahlung zu leisten. Unabhängig davon musste die Firma O 2 auch allgemein damit rechnen, dass über storemobil vermittelte Verträge Einwendungen begegnen. Es kann also keine Rede davon sein, dass davon ausgegangen werden konnte, die Forderung bleibe unstreitig.

Vorsorglich wird eingewandt, dass die Klägerin ohnehin zur gerichtlichen Geltendmachung einen Rechtsanwalt einschaltet, wie das vorliegende Verfahren zeigt. Ist dies aber ohnehin beabsichtigt, wäre es gemäß § 254 BGB Pflicht der Klägerin, die Sache gleich an einen Anwalt abzugeben; zu den ureigensten Tätigkeitsgebieten von Anwälten gehört auch das Forderungsinkasso.

Unabhängig davon werden die Inkassokosten der Höhe nach bestritten.

e) Ein vorgerichtliches Anschreiben durch den Prozessbevollmächtigten war ersichtlich sinnlos. Wenn die Mahnungen durch die Klägerin keine Zahlung bewirkt haben, worin lag dann die Wahrscheinlichkeit, dass nunmehr gezahlt wird, bloß weil sich ein Anwalt meldet. Überdies hatte die Klägerin sogleich gerichtliche Schritte angekündigt; außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts war also unnötig und führt gemäß § 254 BGB keinesfalls zu einer Kostenpflicht des Beklagten.

Rechtsanwalt