INZEST ERLAUBEN ?

Ein Leipziger Geschwisterpaar will vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Inzestverbot (§ 173 Strafgesetzbuch) kämpfen, berichtet beck-aktuell. Das Paar hat vier gemeinsame Kinder. Der Vater der Kinder verbüßt eine elfmonatige Freiheitsstrafe wegen Beischlafs zwischen Verwandten.

Wie kann man gegen so eine glasklare Norm verfassungsrechtlich angehen? Dachte ich zuerst – mangels praktischer Erfahrungen. Doch ein Blick in die Literatur zeigt, dass es erhebliche Bedenken gegen das Inzestverbot gibt.

Die Strafdrohung lässt sich etwa nach Auffassung des Standardkommentars Tröndle / Fischer nur „schwer“ legitimieren. Für den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung gebe es bereits genug andere Vorschriften. Die Gefahr eugenischer und genetischer Schäden lasse sich kaum durch das Strafrecht bekämpfen und sei bei zeugungsunfähigen Personen ohnehin ausgeschlossen:

§ 173 liegt daher zumindest an der Grenze legitimen Rechtsgüterschutzes, indem er ein kulturgeschichtlich mächtiges Tabu, welches in der gesellschaftlichen Entwicklung seine soziale Funktion weitgehend eingebüßt hat, zum Schutzgegenstand erhebt. … Die Vorschrift sollte gestrichen werden.

Interessant ist auch, dass ausschließlich der Beischlaf strafbar ist.

Nachtrag: Eine eingehende rechtliche Analyse des Inzestparagrafen haben Ali Al-Zand und Jan Siebenhüner in der Kritischen Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft veröffentlicht. Der Text ist hier als PDF abrufbar. Vielen Dank an die Autoren und den Verlag.