GESTÖRTES VERHÄLTNIS

Sehr geehrter Herr Kollege Prof. Dr. M.,

wir vertreten die rechtlichen Interessen von Frau S.

Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass Sie Ihre Vertretungsbefugnis für den Verein T.I. nicht entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nachgewiesen haben. Wir rügen deshalb Ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung.

Zu Ihren diversen Aufforderungsschreiben nehmen wir wie folgt Stellung:

1. Der ursprüngliche Blogeintrag unserer Mandantin war nicht zu beanstanden.

a) Soweit sie monieren, der Beitrag enthalte unrichtige Tatsachen, benennen Sie in Ihrem Schreiben keine einzige Tatsache, die unrichtig sein soll. Nach den uns vorliegenden Informationen sind auch sämtliche Tasachen wahr. Sollten Sie dies anders sehen, wollen Sie bitte spezifizieren, welche Tatsachenbehauptungen Sie beanstanden.

b) Der von Ihnen geltend gemachte generelle Beseitigungsanspruch geht ins Leere. Er existiert nämlich nicht. In unserem Land herrscht Presse- und Meinungsfreiheit. Auch ein Verein wie der Ihre muss es sich gefallen lassen, Gegenstand kritischer Auseinandersetzung zu sein. Deshalb kann von einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Vereins überhaupt keine Rede sein.

Dies gilt umso mehr, als der Bericht unserer Mandantin berechtigte Interessen verfolgt. Gerade ein Verein, der hohe ethische Maßstäbe an andere anlegt und der angetreten ist, die gesamte Gesellschaft zu verbessern, muss es sich gefallen lassen, an den eigenen Maßstäben gemessen zu werden. Insoweit ist die Veröffentlichung von Verhaltensmustern Ihres Hauses nicht zu beanstanden.

c) Weiterhin hat unsere Mandantin nur ihre Meinung geäußert. Eine Schmähkritik ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Unsere Mandantin hat sich in dem Text nicht nur zu der Personalpolitik Ihres Hauses geäußert, sondern auch darüber, dass die von T.I. geübte Personalpolitik in der Wirtschaft nach ihrer Auffassung eher die Regel als die Ausnahme ist. Das ist eine zulässige Meinungsäußerung. Überdies teilen wir – und auch viele andere – die Auffassung unserer Mandantin, dass sowohl die Entlohnung als auch die geschilderten Abläufe nicht gerade dem entsprechen, was sich T.I. selbst auf die Fahnen geschrieben hat. Eine solche Meinung ist erlaubt.

d) Gleichwohl und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht hat unsere Mandantin den Text auf Ihre Aufforderung hin teilweise geändert, Erläuterungen eingefügt und einige Punkte näher ausgeführt. Dies geschah ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.

2. Dennoch drängen Sie in Ihrem heutigen Schreiben darauf, dass der komplette Beitrag unserer Mandantin aus dem Netz genommen wird.

Hierfür gibt es, wie bereits dargelegt, überhaupt keine Anspruchsgrundlage. Wenn Ihr Verein der Meinung ist, dass er jedwede Erwähnung in seinem Sinne kontrollieren und kritische Meinungsäußerungen unter vagen Bezug auf angeblich verletzte Persönlichkeitsrechte unterbinden kann, müssen wir leider ein gestörtes Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit konstatieren.

Ist Ihnen möglicherweise auch entgangen, dass in dem geänderten Beitrag nicht einmal der Name Ihres Vereins mehr erwähnt wird?

Das Ansinnen, unserer Mandantin den Mund zu verbieten, wird von den zuständigen Gerichten zurückgewiesen werden. Unsere Mandantin behält sich im Übrigen vor, weiteren Unterlassungs- und Beseitigungsaufforderungen mit einer negativen Feststellungsklage zu begegnen. Es wäre dann dennoch Sache Ihres Vereins, die angeblichen Ansprüche darzulegen und zu beweisen.

3. Weiter verlangen Sie, dass unsere Mandantin den Wortlaut Ihres Schreibens löscht. Der Bezug auf das Urheberrecht erscheint uns etwas fernliegend. Hier dürfte noch nicht einmal die für ein Werk erforderliche Schöpfungshöhe erreicht sein. Selbst wenn Ihr Schreiben urheberrechtlichen Schutz genösse, wäre die Veröffentlichung jedenfalls durch das Zitatrecht gedeckt. Sie werden sicherlich auch bemerkt haben, dass unsere Mandantin Sie nicht beim Namen nennt. Die teilweise vertretene, gleichwohl unrichtige Auffassung, Schreiben anwaltlicher Vertreter dürften nicht unter namentlicher Nennung der Anwälte zitiert werden, ist hier also gar nicht einschlägig.

Die Aufforderung weisen wir komplett zurück. Sollten Sie diese erneuern, werden Sie mit einer negativen Feststellungsklage rechnen müssen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Udo Vetter, RA und Fachanwalt für Strafrecht