LEICHE IM FLUR

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Die Rätsel um den Zustand einer Vorsitzenden Richterin in Düsseldorf mehren sich. Sie hatte für diese Woche im Landgericht an der Mühlenstraße eine Verhandlung anberaumt, ließ aber die Beteiligten, darunter einen Staatsanwalt, warten. Später stellte sich heraus, dass sie sich telefonisch entschuldigt hatte. Mit der Begründung, im privaten Hausflur gebe es eine Leiche. Ein Stadtstreicher liege tot vor ihrer Türe, sie komme nicht daran vorbei.

Das aber dementierte die Polizei: „Es gab zwar Todesermittlungen, aber nicht in diesem Haus“. Ulrich Thole, der Pressesprecher des Landgerichts hatte für all das keine Erklärung. Er mochte die Entschuldigung der Richter weder bestreiten noch bestätigen, und sprach („Dazu gebe ich keinerlei Kommentar ab“) von einer „Personalangelegenheit“.

Die allerdings ist in Justizkreisen bereits bekannt. Die 61-jährige Richterin war, wie berichtet, schon mehrfach aufgefallen.

Sie hatte vom Sommer 2004 bis vor drei Monaten 14 Urteile viel zu spät schriftlich formuliert und damit grob und beharrlich gegen ihre Pflichten gehandelt. Sie lieferte in allen 14 Fällen „absolute Revisionsgründe“, die vor dem Oberlandesgericht (OLG) verhandelt werden mussten. Dem 1. Strafsenat dort fiel schnell die anwachsende Zahl auf und ließ deshalb das Argument der Richterin, sie sei überlastet, nicht gelten: „Dies gilt erst recht, wenn die Überlastung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt“. Von einem „Einzelfall“ könne demnach keine Rede sein.

Danach meldete sich die Richterin krank. Sie hinterließ Anfang März in der von ihr geleiteten Kleinen Strafkammer 220 Verfahren, die vom Präsidium des Landgerichts verteilt werden mussten. Nach fast fünf Wochen Abwesenheit kehrte die 61-jährige zurück – und machte wieder von sich reden. So soll sie, obwohl gar nicht zuständig, eine eigenmächtige Entscheidung getroffen haben. Der Präsident des Landgerichts hat ein Disziplinarverfahren gegen die Kollegin eingeleitet.

Nach dem gestrigen Vorfall bietet ihm das Beamtenrecht vorerst noch eine Möglichkeit: Ein Amtsarzt könnte die „Dienst- und Schuldfähigkeit“ der Richterin prüfen. (pbd)