Angekettet sind höchstens die Freier

Wer demnächst in den Puff geht, darf sich einen Stern mit der Aufschrift „Hilfssheriff“ an die Brust heften. Es gehört dann nämlich zu seinen Pflichten zu überprüfen, ob die Dienstleisterin der Zwangsprostitution nachgeht. Zeigt der Kunde dies dann nicht an, muss er nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.

Bundesfrauenministerin von der Leyen hat heute schon einmal geschildert, worauf Kunden von Prostituierten künftig achten müssen. Wenn die Prostituierte beispielsweise kein Deutsch spreche und blaue Flecken habe, dann müsse dies gemeldet werden. So zitiert die Deutsche Presseagentur die Ministerin.

Frau von der Leyen denkt, Strafrecht ist für gesellschaftliche Probleme so was wie Alka Seltzer für Kopfschmerzen. Damit steht sie offensichtlich nicht alleine in der Politik. Und das führt zu Vorschriften, die schon am Bestimmtheitsgebot scheitern werden. Straftatbestände müssen nämlich so formuliert sein, dass der Bürger vor einem bestimmten Verhalten abschätzen kann, ob er sich damit strafbar macht.

Dass dies bei der neuen Gesetzesidee dem durchschnittlichen Kunden (oder worauf wird sonst abgestellt?) möglich ist, kann aber nur jemand glauben, der noch nie in einem Bordell oder einer Privatwohnung war, in der „Modelle“ arbeiten. Ich nehme zwanglos an, dies trifft auf die Ministerin zu. Leider, denn ansonsten würde sie nicht so absurde Vorgaben machen.

Zwangsprostitution läuft kaum noch über (erkennbare) körperliche Gewalt. Es wird Frau von der Leyen überraschen, aber angekettet sind in solchen Läden höchstens mal die Freier. Der Treibstoff für Zwangsprostitution ist vielmehr eine Mischung aus psychischem Druck (Drohung mit dem Ausländeramt), instrumentalisierter Drogen-, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit und einem Wechselspiel von materiellen Anreizen und Bestrafungen. Das und nicht blaue Flecken sind Zuhälterei 2.0. Auch hier bleibt die Zeit nicht stehen.

Die Erkennbarkeit derartiger Umstände tendiert für den Kunden aber gegen Null. Und so stellt sich die Frage, was das Gesetz eigentlich bezwecken soll. Mir scheint, die rapide schwindende soziale Ächtung der Prostitution soll durch die Hintertür wieder gesteigert werden. Und zwar durch die Angst, dass man sich mit einem Puffbesuch künftig sehr schnell Polizeibesuch einfangen kann.