Von Richtern gefickt

Wenn Strafgerichte auf Verurteilungskurs gehen, sind sie mitunter nicht zu bremsen. Auch nicht durch abenteuerlichen Schlussfolgerungen und Verdrehungen. Mit einem krassen Fall der Sprachauslegung musste sich jetzt der Bundesgerichtshof auseinandersetzen.

Es ging um den Gebrauch des Wortes „Ficken“:

Andere vom Landgericht angewendete Erfahrungssätze beruhen auf unzutreffenden Grundlagen. Das gilt etwa für die Auslegung einer Äußerung des M. gegenüber einem Zellengenossen, wonach die Polizeibeamten ihn bei einer Vernehmung durch Vorhalte von Ermittlungsergebnissen „gefickt“ hätten.

Hierzu führt das Landgericht aus: „‚Gefickt‘, d. h. überführt fühlt sich nur ein Täter, nicht aber ein Unschuldiger“ (UA S. 52). Auch dieser Satz trifft selbst in der vom Landgericht angenommenen Deutung in dieser Allgemeinheit kaum zu; unzutreffend ist aber schon die zugrunde liegende Auslegung, denn der zitierte Begriff dürfte im vorliegenden Zusammenhang in den betroffenen sozialen Kreisen in der Regel im Sinne von „Hereinlegen“, „Betrügen“, „Aufs-Glatteis-Führen“, nicht aber im Sinne von „Überführen“ gebraucht werden.

Auch sonst sprudelt aus dem Urteil vor Lebensweisheiten voller Banalität, die in ihrer Allgemeinheit nicht richtig sind und bei denen es schwer fällt anzunehmen, dass die Strafkammer eines Landgerichts wirklich an sie glaubt:

– „Wenn es um die Aufklärung der Todesumstände eines getöteten Menschen geht, lügt nur derjenige, der als Täter oder Gehilfe etwas zu verbergen hat oder der als so genannter Unbeteiligter ein plausibles Motiv hat, den bzw. die eigentlichen Täter zu decken.“

– Zweifelhaft ist auch die Erwägung, der Angeklagte sei „als so genannter ‚zufälliger Finder‘ der Leiche des Getöteten ein hohes persönliches Risiko eingegangen, wegen der Tötung (…) strafrechtlich
verfolgt zu werden. Ein derart hohes Risiko geht (…) ein bloßer ‚unbeteiligter Zuschauer‘ eines Tötungsverbrechens jedoch nur dann ein, wenn er dafür schwerwiegende besondere Gründe hat, z. B. Verwandtschaft (…)“.

– Auch die Annahme, wer einem anderen einen „Denkzettel“ verpassen wolle, tue dies nicht mittels eines Stromstoßes, sondern durch Verprügeln (vgl. UA S. 47), ist kaum geeignet, die Feststellung eines von vornherein gefassten Tötungsplans zu stützen.

– „Jemand, der bei der Aufklärung eines Tötungsverbrechens lügt, kann zwar Täter sein, zwingend ist dies jedoch nicht. Auch derjenige, der weniger strafrechtlich Relevantes zur Tötung … beigetragen hat, hat ein triftiges Motiv … zu lügen.“

Mit solchen Argumenten wird eine Gefängnisstrafe von neun Jahren gerechtfertigt. Man kann an den Formulierungen des Bundesgerichtshofs spüren, wie hoch der Gruselfaktor gewesen sein muss. Nicht wegen der Tat, sondern vor den eigenen Kollegen, die so ein Urteil in die Welt gesetzt haben.

(Quelle des Links)