Mehr Rechte für Beschuldigte

Der Bundestag hat heute die Strafprozessordnung in einigen wichtigen Punkten geändert. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums:

Er­wei­ter­te Be­leh­rungs­pflicht

Nach gel­ten­dem Recht muss ein Be­schul­dig­ter nicht be­reits im Mo­ment der Fest­nah­me, son­dern erst zu Be­ginn der Ver­neh­mung des Be­schul­dig­ten über seine Rech­te be­lehrt wer­den. Künf­tig sind fest­ge­nom­me­ne Per­so­nen un­ver­züg­lich und schrift­lich etwa dar­über zu be­leh­ren, dass sie spä­tes­tens am Tag nach der Er­grei­fung einem Rich­ter vor­zu­füh­ren sind, dass sie Zu­gang zu einem Ver­tei­di­ger oder einem Arzt und das Recht haben, keine Aus­sa­ge zu ma­chen. Damit wird si­cher­ge­stellt, dass Be­schul­dig­te so früh wie mög­lich um­fas­send über ihre Rech­te auf­ge­klärt wer­den („Let­ter of rights“).

Prä­zi­sie­rung des Ak­ten­ein­sichts­rechts

Das Ak­ten­ein­sichts­recht für In­haf­tier­te und ihre Ver­tei­di­ger wird ver­bes­sert. Nach dem bis­he­ri­gen Wort­laut des Ge­set­zes kann die Staats­an­walt­schaft die Ein­sicht­nah­me in die Er­mitt­lungs­ak­ten voll­stän­dig ver­wei­gern, wenn da­durch der Un­ter­su­chungs­zweck ge­fähr­det wird. Dies hat die Ver­tei­di­gungs­mög­lich­kei­ten gegen eine Frei­heits­ent­zie­hung er­heb­lich be­schränkt. Künf­tig wird ein ge­setz­lich aus­drück­lich ge­re­gel­ter An­spruch auf Über­las­sung zu­min­dest der­je­ni­gen In­for­ma­tio­nen be­ste­hen, die für die Be­ur­tei­lung der Recht­mä­ßig­keit der In­haf­tie­rung er­for­der­lich sind. Die­ser In­for­ma­ti­ons­an­spruch ist im Re­gel­fall durch Ge­wäh­rung von Ak­ten­ein­sicht zu er­fül­len. Mit die­sen Än­de­run­gen wird auch der Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­ho­fes für Men­schen­rech­te Rech­nung ge­tra­gen.

Pflicht­ver­tei­di­ger von Be­ginn der U-​Haft an

Bis­lang war dem U-​Haft­ge­fan­ge­nen ein Pflicht­ver­tei­di­ger zwin­gend erst nach Ab­lauf von drei Mo­na­ten Haft zu be­stel­len. In An­be­tracht des tief­grei­fen­den Grund­rechts­ein­griffs, der mit der In­haf­tie­rung eines bis zur rechts­kräf­ti­gen Ver­ur­tei­lung als un­schul­dig gel­ten­den Men­schen ver­bun­den ist, ist es rechts­staat­lich ge­bo­ten, die Bei­ord­nung eines Ver­tei­di­gers auf den Zeit­punkt des Be­ginns der U-​Haft vor­zu­zie­hen. Damit wird si­cher­ge­stellt, dass der Be­schul­dig­te seine Rech­te von An­fang an ef­fek­tiv wahr­neh­men kann. Mit die­ser Än­de­rung wird auch ent­spre­chen­den Emp­feh­lun­gen des Eu­ro­pa­ra­tes ent­spro­chen.

Auf die praktische Umsetzung bin ich gespannt. Vor allem auf die sofortige und schriftliche (!) Belehrung des Beschuldigten über seine Schweigerechte. Ich rechne damit, dass sich die neuen Regeln in beträchtlichen Teilen der Polizei nur langsam rumsprechen und, wenn sie denn angekommen sein sollten, nur widerwillig umgesetzt werden.

Das dürfte Möglichkeiten eröffnen…