Wahrhaftig

Natürlich wissen wir alle, dass Stoppschilder vor Kinderpornografie (oder was das Bundeskriminalamt dafür hält) nur der Einstieg in die staatliche Zensur sind. Die Fahrkarte nach China. Während andere immer noch scheinheilig versichern, es gehe ja nur um die Kinder und selbstverständlich nicht um sonstige Inhalte, spricht SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz in der Berliner Zeitung wahrhaftig:

Natürlich werden wir mittel- und längerfristig auch über andere kriminelle Vorgänge reden. Es kann doch nicht sein, dass es im Internet eine Welt ohne Recht und Gesetz gibt.

Ausdrücklich nennt er, neben islamistischen, auch „verfassungsfeindliche“ Inhalte. Offensichtlich ist diesem Mann nicht mal bewusst, dass verfassungsfeindliche Schriften (oder was die geliebte Bundesregierung dafür hält) keineswegs „kriminell“ sind – es sei denn, sie erfüllen bestimmte Straftatbestände. Volksverhetzung zum Beispiel.

Und genau deshalb, vielleicht solllte das Herrn Wiefelspütz mal jemand ausrichten, kann man in deutschen Buchläden abseits von den Grabbeltischen „rechte“, „linke“, „anarchistische“, „extremistische“ und sonstwie aus seiner Sicht verquere Literatur kaufen. Oft liegen diese Werke, seien es Bücher oder Zeitschriften, im Regal „Politik“ oder „Geschichte“ einträchtig nebeneinander. Die Bestellkataloge machen ohnehin keinen Unterschied und die Buchhändler empfinden sich nicht als moralische Instanz.

Das alles nennt sich Meinungs- und Informationsfreiheit und soll dem Vernehmen nach im Grundgesetz festgeschrieben sein. Jenes Grundgesetz hat trotz der Verfügbarkeit rechter, linker, anarchistischer, extremistischer und verquerer Schriften übrigens bis heute gut überlebt; es hat uns Freiheit gegeben. Politiker, die mir vorschreiben wollen, was ich lesen darf und was nicht, sei es nun auf Papier oder im Internet, wollen diese Freiheit zerstören.

Wer ist der Verfassungsfeind, Herr Wiefelspütz?

Nachtrag: Dr. Wiefelspütz will gegen den Artikel vorgehen. Er habe, schreibt er auf abgeordnetenwatch.de, die Zitate nicht autorisiert. Ihm sei etwas „angedichtet“ worden.

Nachtrag 2: Wiefelspütz strikt gegen Internetzensur