Ein besonders gröblicher Verstoß

Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ist klar: Durchsuchungsbeschlüsse verlieren sechs Monate nach Erlass ihre Wirksamkeit. Durchsuchungen nach Ablauf eines halben Jahres sind rechtswidrig.

Nicht daran gehalten hat sich die Kriminalpolizei in Erfurt. Sie lief in der Wohnung meiner Mandantin ein und trug die Computer raus, obwohl der Durchsuchungsbeschluss mehr als zehn Monate auf dem Buckel hatte. Einzelheiten habe ich hier geschildert.

Auf meine Beschwerde gegen die Durchsuchung hat das Amtsgericht Erfurt einsilbig reagiert. Der Ermittlungsrichter bestätigte die Beschlagnahme. Die Beschwerde akzeptierte er nicht. Begründung: keine. Da entscheidet also ein Richter gegen die klare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und hält es noch nicht mal für nötig, seine Beweggründe hierfür mitzuteilen. Es wird an der schrecklichen Arbeitsüberlastung liegen.

Nun musste sich das Landgericht Erfurt mit der Sache befassen. Das Gericht gab der Beschwerde statt, obwohl der Fall eine gewisse Besonderheit aufweist. Die Polizei hat nämlich, was sich zunächst nicht aus der Akte ergab, nach eigenen Angaben mehrfach durchsuchen wollen. Die Beamten wollen am 25. Juni, 7. Juli und 15. September 2009 vor Ort gewesen sein. Leider hätten sie niemanden angetroffen. Sie hätten die Tür nicht aufbrechen wollen, deshalb seien sie später wiedergekommen.

Diese (nachgeschobene) Rechtfertigung hielt die Staatsanwaltschaft für ausreichend. Motto: Es wurde ja innerhalb der Frist versucht zu durchsuchen, also durfte der Beschluss auch nach Ablauf der sechs Monate weiter vollstreckt werden. Klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar, aber das Landgericht Gera geht der Staatsanwaltschaft nicht auf den Leim.

Ganz im Gegenteil, denn die Richter sehen in dem Verhalten der Polizei und der Staatsanwaltschaft gerade aufgrund der Begründung einen „besonders schwerwiegenden und willkürlichen Verstoß“ gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts:

Es wäre Aufgabe der Staatsanwaltschaft bzw. der Kriminalpolizei gewesen, sich vor einer Durchsuchung am 10.12.2009 eine erneute richterliche Durchsuchungsanordnung zu besorgen. … Sowohl der Staatsanwaltschaft wie auch den ermittelnden Polizeibeamten musste klar sein, dass der Durchsuchungsbeschluss vorliegend älter als 10 Monate war. Ausgehend davon hätte auf diesen richterlichen Durchsuchungsbeschluss keine Durchsuchung mehr gestützt werden dürfen. Es handelt sich nach Auffassung der Kammer um einen Fall der gröblichen Verkennung des einzuhaltenden Richtervorbehaltes, zumal ganz zweifelsfrei ein Fall von Gefahr im Verzug nicht gegeben war.

Im Ergebnis schlägt der eigene Rechtfertigungsversuch der Staatsanwaltschaft auf diese zurück. Wegen der Gröblichkeit des Verstoßes hält das Landgericht Erfurt nicht nur die Durchsuchung für rechtswidrig. Das Gericht nimmt auch, was mangels einer fruit-of-the-poisonous-tree-Regel in Deutschland nicht ausgemacht ist, auch ein Beweiserhebungsverbot an. Deshalb müssen die beschlagnahmten Computer nun unausgewertet zurückgegeben werden.

(Landgericht Erfurt, Beschluss vom 19. Februar 2010, 7 Qs 21/10)

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)