„EU-Recht, Sie verstehen“

Heute hatte ich mal wieder einen Abmahnanwalt am Telefon. Der wollte mir erzählen, es spiele überhaupt keine Rolle, ob meine Mandantin selbst das Liedgut der von seiner Kanzlei vertretenen Plattenfirma in eine Tauschbörse gestellt hat. „Als Anschlussinhaberin haftet sie so oder so“, sagte der Kollege.

Ich fragte ihn, welchen Teil meiner ausführlichen Stellungnahme er nicht verstanden hat. Wie sich herausstellte, hatte er sie gar nicht gelesen. Er war nur beauftragt, telefonisch nachzuhaken, ob wir nicht doch ein paar Euro zahlen wollen. Man könne sich ja verständigen. Irgendwo. Irgendwie. Irgendwann. Seine Worthülsen klangen so überzeugend wie die einer x-beliebigen Hotline, die Kunden in Serie erklärt, Elektrogeräte seien von der Gewährleistung ausgeschlossen. „EU-Recht, Sie verstehen.“

Wir trennten uns im Unfrieden. Vor allem weil der Anrufer es so gar nicht verstehen wollte, wieso ich meiner Mandantin nicht dazu raten möchte, „wenigstens irgendwas“ zu zahlen. Wobei ihm die fünf Euro, die ich spontan aus eigener Tasche anbot, nur um endlich wieder arbeiten zu können, dann überraschenderweise doch zu wenig waren.

Jedenfalls wird die Arbeit des Kollegen nicht einfacher werden, wenn sich ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main rumspricht. Danach haftet der Anschlussinhaber nämlich auf gar nix, sofern er Mitsurfern gesagt hat, dass sie keine Urheberrechtsverletzungen begehen sollen.

Im entschiedenen Fall stand fest, dass ein Freund des Anschlussinhabers eine Tauschbörse genutzt hatte. Dabei hatte ihm der Anschlussinhaber vorher ausdrücklich erklärt, dass er so was nicht duldet.

Diese Belehrung reichte nach Auffassung des Gerichts aus. Nur wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch seines Internetanschlusses habe, müsse er den Nutzer noch stärker bremsen.

Die Entscheidung setzt sich von der Auffassung anderer Gerichte ab, die den Anschlussinhaber immer gleich als „Täter“ oder „Störer“ ansehen und ihm Aufsichts- und Kontrollpflichten für alle Personen aufbürden, die er bei sich online gehen lässt. Allerdings wird auch in diesen Urteilen meist kaum was dazu gesagt, wie so eine Kontrolle möglich sein soll, ohne zu Hause gleich den Überwachungsstaat auszurufen.

Ein nettes Urteil, das sofort den Weg in meine Musterantwort gefunden hat. So wird es dann auch der Abmahnkollege bald lesen können. Vorausgesetzt, er wird den Telefonjob los und darf eines Tages auch mal Akten bearbeiten.

AG Frankfurt a.M., Urt. vom 25.03.2010 – 30 C 2598/08-25