Der Gläubiger darf, er muss aber nicht

Die umstrittene Firma Euroweb hat eines der beliebtesten deutschen Blogs gekapert. Nerdcore.de ist seit heute vom Netz. Zu sehen ist lediglich noch ein Standbild der Firma Euroweb. Dort heißt es:

Nachdem die Kosten eines gegen Euroweb verlorenen Prozesses durch den Kostenschuldner nicht innerhalb angemessener Frist erstattet wurden, hat Euroweb statt der Kosten nunmehr die Domain nerdcore rechtmäßig im Rahmen der Zwangsvollstreckung übertragen bekommen.

Laut FAZ hat der Betreiber von Nerdcore eine einstweilige Verfügung von Euroweb kassiert, sich aber nicht weiter darum gekümmert. Das Gericht dürfte dann die Kosten des Verfahrens festgesetzt haben. Aus diesem Kostenbeschluss wird Euroweb nun vorgegangen sein.

Das Verhalten von Euroweb ist legal. Ein Kostenbeschluss ist ein durchsetzungsfähiger Titel. Mit diesem kann die siegreiche Prozesspartei den Gerichtsvollzieher in Marsch setzen, aber auch pfänden. Üblicherweise wird dann geschaut, ob der Schuldner zu Hause verwertbare Vermögensgegenstände hat. Oder das Konto des Betroffenen wird dichtgemacht.

Die Pfändung einer Domain ist ein, jedenfalls im Grundatz, ebenso zulässiger Weg. Aber er ist gleichzeitig auch fragwürdig. Euroweb hätte sich zumindest überlegen können, ob man mit weniger einschneidenden Maßnahmen nicht auch zum Ziel kommt. Ich weiß nicht, ob die Firma einen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher oder die Kontopfändung versucht hat. Wahrscheinlich hätte ja auch das gereicht, um dem Blogbetreiber von Nerdcore zur Zahlung (oder zu Rechtsmitteln) zu bewegen.

Aber es steht natürlich jedem Gläubiger frei, bei der Zwangsvollstreckung zu den Mitteln seiner Wahl zu greifen. Wenn er es dabei überzieht, darf er sich über Kritik allerdings nicht wundern. In diesem Zusammenhang finde ich auch merkwürdig, dass die Firma Euroweb auf Nerdcore nun folgendes ankündigt:

In Kürze werden wir die Rechte an der Domain bei Ebay für einen gemeinnützigen Zweck versteigern.

Normalerweise soll mit der Verwertung des Pfands die Verbindlichkeit des Schuldners getilgt werden. Wenn Euroweb jetzt das Geld nicht mal für sich behalten will, ist das natürlich ehrenhaft. Es zeigt aber auch, dass die Firma mit der Abschaltung eines der beliebtesten und meistbesuchten Blogs vielleicht doch etwas übers Ziel hinausgeschossen ist.

Nachtrag: In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung klingt es so, als sei Euroweb tatsächlich der Meinung, den gesamten Erlös eines eventuellen Verkaufs von Nerdcore.de behalten (und spenden) zu dürfen. Das bezweifle ich. Alles vom Erlös, das über die Schulden hinausgeht, steht normalerweise dem früheren Domain-Inhaber zu.

Außerdem besteht für eine Verwertung der Domain ab dem Augenblick kein Grund mehr, in dem die Forderung und alle Vollstreckungskosten beglichen sind. Dann müsste die Domain zurückgegeben werden.