Server-Sperrungen sind Chefsache

Aus aktuellem Anlass habe ich mit Manuel Schmitt, dem Chef von „manitu“ über die Sorgen und Nöte eines Internetproviders gesprochen.

Wie viele Beschwerden kommen bei manitu rein?

Etwa 3% aller Server-Kunden verursachen Beschwerden, die allerdings automatisiert generiert werden. In diesem Fällen setzt jemand Suchsoftware ein und schreibt Textbausteine an die Abuse-Melde-Adresse bei RIPE & Co.

Rund 1% aller Server-Kunden verursacht „handgeschriebene“ Beschwerden, die bei uns manuell bearbeitet werden müssen.

Wie viele Anfragen kommen von der Polizei?

Von den soeben genannten 1% individueller Schreiben sind etwa ein Viertel von staatlicher Seite (Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte).

Wie ist das Verhältnis von Querualantenpost, doofen Anrufen und ernstzunehmenden Aufforderungen? Gehen die meisten Leute gleich zum Anwalt?

Per Telefon kommt selten was rein. Wenn jemand sich telefonisch beschwert, bitten wir eh immer um eine schriftliche Information. Fax und Mail sind uns am liebsten, das fördert die zeitnahe Erledigung. Querulanten haben wir gefühlt keine. Ich habe extra noch mal die zuständigen Kollegen gefragt. So gut wie alle Anfragen sind sachlich, wenn auch rechtlich mitunter nicht unbedingt richtig.

Anwaltliche Vertretung haben Privatleute nur ganz selten. Firmen beauftragen meist ihre eigene Rechtsabteilung.

Stimmt es, dass die Serverpreise so unter Druck sind, dass man eigentlich gar keine vernünftige Abuse-Abteilung mehr unterhalten kann?

Nein, im Gegenteil. Ich glaube fest, dass gerade vermeintliche Knallerpreise genau die Kunden anzieht, die rechtlich problematisches Material auf ihre Server packen. Also eine klassische Spirale.

Bei einer vernünftigen Kundenstruktur hält sich der Aufwand auch in erträglichen Grenzen. Die meisten Beschwerden lassen sich auf rationaler Ebene abarbeiten, wenn man den Gegner (unseres Kunden) darauf hinweist, dass das erst mal eine Forderung oder ein Wunsch ist und dass dieser Wunsch überzeugend sein muss, wenn er bei unserem Kunden was erreichen will.

Klappt das nicht, dann muss sich der Gegner halt eines Gerichts bedienen. Sollte es tatsächlich einen Grund geben, der eine Sperrung rechtfertigt, wird dies ein Gericht so sehen. Genau hierfür gibt es ja einstweilige Verfügungen. Man kann halt nicht jedem Rechtsstreit aus dem Weg gehen.

Wie reagieren Kunden, wenn man sie über Beschwerden informiert?

Durch die Bank weg sind die meisten Fälle unbeabsichtigt, etwa durch Content Dritter (Foren) oder Hacking. Dann ist der Kunde für jeden Hinweis dankbar, denn erst mal will er ja seiner eigentlichen Arbeit nachgehen.

In jedem Fall hat sich der freundlich-sachliche Ton bewährt, und zwar in alle Richtungen. Meist ist die Sache mit einem kurzem Schriftverkehr vom Tisch.

Steht man als Provider da zwischen den Stühlen?

Wir bei manitu bemühen uns im Regelfall um eine Vermittlerrolle. Im Zweifelsfall stellen wir uns aber auf die Seite des Kunden, wenn es rechtlich irgendwie vertretbar ist. Wir halten intern regelmäßig Schulungen ab, in denen Mitarbeiter auf juristische Feinheiten, gerade bei Formulierungen in Antworten, geeicht werden.

Hausintern gilt auch der Grundsatz, dass wir es uns mit Server-Sperrungen nicht leicht machen. Wenn es mal so weit kommt, ist das auf jeden Fall Chefsache. Dafür halte ich dann den Kopf hin.

Gibt es Kunden, die sich bei Beschwerden tot stellen? Oder sagen, soll sich doch die Rechtsabteilung von manitu drum kümmern?

Eigentlich nicht. Es kommt vor, dass Kunden uns nach einer Einschätzung der Situation fragen. Meist geschieht das in Urheberrechts- und Markenfragen. Wir verweisen dann aber immer auf eine anwaltliche Beratung. Darum muss der Kunde sich dann selbst kümmern.

Der Beschwerdeführer macht Druck, der Kunde ist aber momentan nicht erreichbar…

Wir führen von unseren Kunden nach Möglichkeit mehr als nur eine Festnetznummer, eine Postanschrift und E-Mail-Adresse. Oft genügt auch ein kurzer Anruf auf dem Handy oder eine SMS mit Verweis auf ein halbwegs dringendes Anliegen, damit der Kunde sich zügig meldet.

Ich kann aber ohnehin vom Kunden nicht verlangen, binnen Stunden oder eines Tages eine juristische Situation korrekt einzuschätzen. Er muss die Möglichkeit haben, sich fachlichen Rat einzuholen. Das dauert nun mal.

Sollte es der Beschwerende wirklich eilig haben, muss es (a) einen wirklich triftigen Grund geben, und den wird dann auch ein Gericht erkennen und eine einstweilige Verfügung erlassen, oder er muss (b) halt Geduld beweisen. Sollte es wirklich ein Verstoß gewesen sein, und es ist Zeit ins Land gegangen, muss sich unser Kunde hierfür verantworten.

Ein goldenes Schlusswort, bitte.

Abuse-Handling hat für mich sehr viel zu tun mit „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“.

Hostblogger, das Blog von Manuel Schmitt